Hamburg. Für einige Experten kam die Situation des HSV-Verteidigers überraschend. Dabei ist Walters Entscheidung nachvollziehbar.
Beim Sechs-Tore-Festival gegen Braunschweig lieferte der HSV das nächste Spektakel. Defensiv bleibt die Mannschaft von Trainer Tim Walter zwar anfällig, doch dank der wohl qualitativ besten Offensive der Liga fällt diese Schwäche nicht weiter ins Gewicht.
Die Fans wissen, dass sie beim HSV prächtig unterhalten werden. Erneut kamen 56.507 Zuschauer ins Volksparkstadion – eine beeindruckende Quote für einen Zweitligisten, der im fünften Anlauf endlich den Aufstieg schaffen will.
Warum HSV-Neuzugang Montero nicht spielte
Gelingen soll dieses Unterfangen mit einem im Winter punktuell angepassten Kader. Das Spiel gegen Braunschweig zeigte allerdings, dass sich die Neuzugänge im Konkurrenzkampf vorerst hinten anstellen müssen. Javi Montero, Noah Katterbach und Andras Nemeth saßen zu Beginn nur auf der Bank. Für viele Beobachter kam diese Entscheidung „überraschend“ – zumindest war diese Bezeichnung durchgehend am Montagmorgen in den Hamburger Tageszeitungen zu lesen.
Dabei war Walters Nominierung bei genauerer Betrachtung gar nicht so überraschend, sondern eher erwartbar. Besiktas-Leihgabe Montero, von den drei Neuzugängen der Spieler mit den größten Chancen auf einen Stammplatz, trainiert erst seit zwei Wochen mit der Mannschaft und muss Walters komplexen Spielaufbau noch verinnerlichen. Da ist Konkurrent Jonas David schon deutlich weiter, weshalb das Eigengewächs momentan die Nase vorn hat.
Monteros HSV-Rolle erinnert an Vuskovic
Ein Zustand, der natürlich nicht von Dauer sein muss. Zur Erinnerung: Auch der momentan wegen Epo-Dopings vorläufig gesperrte Mario Vuskovic saß in der vergangenen Saison fast eine komplette Halbserie auf der Bank, ehe er in der internen Hierarchie an David vorbeizog, als sich dieser einen Muskelfaserriss zugezogen hatte. Ähnlich, nur möglicherweise mit etwas weniger Anlaufzeit, könnte es nun auch Montero ergehen.
„Es kann nächste Woche wieder anders aussehen“, sagt Walter über den Zweikampf in der Innenverteidigung. „Javi macht es auch sehr gut, ist aber erst seit Kurzem da. Es geht auch darum, an der Abstimmung zu arbeiten. Das kommt im Training.“ Klar ist: Sobald David Fehler unterlaufen, wird Montero seine Chance bekommen.
HSV-Neuzugänge sorgen für mehr Qualität
Die anderen beiden Neuzugänge, Katterbach (Leihgabe aus Köln) und Nemeth (kam für 750.000 Euro aus Genk), waren ohnehin nur als Backup für Linksverteidiger Miro Muheim und Stürmer Robert Glatzel verpflichtet worden. Anders als Montero verhalf Walter den beiden Neuen mit ihren Einwechslungen in der Nachspielzeit zum Debüt im Volkspark, womit die größte Veränderung im Vergleich zur Hinrunde auffällig wurde: Der HSV hat nun deutlich mehr Qualität auf der Ersatzbank.
Saßen beim letzten Spiel vor der WM-Pause noch Ergänzungsspieler wie Ogechika Heil und Bent Andresen auf der Bank, hat Walter nun ganz andere Möglichkeiten, seine Elf während des Spiels zu verändern. „Wir sind gut bestückt mittlerweile und können auch von der Bank sehr gut agieren. Das war unser Ziel. In der vergangenen Saison war das vielleicht nicht so ganz der Fall“, sagt der Coach.
HSV-Youngster wegen Neuzugängen außen vor
Leidtragender des härteren Konkurrenzkampfes ist allerdings Nachwuchsstürmer Tom Sanne. Der 18-Jährige, der im Oktober mit seinem Treffer gegen Magdeburg (2:3) auf sich aufmerksam machte, hat momentan das Nachsehen. Er fehlte im 20-köpfigen Aufgebot. Sein Problem: Solange Walter mit nur einer Sturmspitze (Glatzel) spielt, braucht er neben Nemeth nicht noch einen weiteren Ersatzstürmer auf der Bank.
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Doch genau diese Konkurrenzsituation wollte der HSV. „Die Neuzugänge geben uns eine größere Breite im Kader. Wir hatten eine Notwendigkeit durch den Abgang (Tim Leibold) beziehungsweise die Sperre (Mario Vuskovic)“, sagt Sportvorstand Jonas Boldt, der zufrieden mit der Transferausbeute ist: „Ich bin recht froh, dass unser Scoutingteam um Claus Costa (Chefscout) solche Lösungsmöglichkeiten präsentiert hat. Selbst wenn man Targets (Deutsch: Ziele) identifiziert hat, ist es im Januar wirklich sehr, sehr schwer, Lösungen zu bekommen“, sagt der Manager, der mit dem verbesserten Kader vor allem eins will: aufsteigen.