Hamburg. Beim Sieg gegen Braunschweig zum Rückrundenauftakt erzielt der HSV-Torjäger zwei Treffer und verpasst zwei Tore.
Als alle Hamburger nach dem 4:2-Sieg gegen Braunschweig längst in der Kabine waren, musste ein HSV-Profi noch Überstunden machen. Robert Glatzel eilte von einem Interview zum nächsten, machte hier noch ein Fan-Selfie, unterschrieb dort noch ein Trikot, ehe ihm kurz vor der erlösenden Kabinentür erneut jede Menge Mikros und Aufnahmegeräte entgegengestreckt wurden. „Das war schon ein geiles Erlebnis“, sagte der Stürmer, dessen Auftritt man in diesem Kontext gar als obergeil beschreiben könnte.
Glatzel war der Protagonist des ersten HSV-Siegs 2023 – daran gab es überhaupt keine Zweifel. „Wie wichtig Bobby für uns ist, das weiß ja jeder“, sagte auch Sebastian Schonlau, der bei seiner Eloge aber nicht unerwähnt ließ, dass Glatzel diesmal nicht nur wegen seiner Tore zum Spieler des Spiels wurde. Sondern auch wegen seiner Nicht-Tore. „Wenn Bobby immer zwei Treffer macht, dann darf er auch gerne immer das dritte Tor verschießen.“
HSV macht es unnötig spannend
Tatsächlich traf Glatzel beim verdienten, aber am Ende unnötig spannenden 4:2-Sieg wieder einmal doppelt – und brachte dennoch das Kunststück fertig, vor allem nach zwei Szenen befragt zu werden, in denen er nicht traf. Szene Nummer eins war so etwas wie das schönste Nicht-Tor des Jahres, als er beim Spielstand von 3:1 den Ball mit der Hacke über den Torwart dropkickte, allerdings nur die Latte traf (68.). „Das wäre ein geiles Tor gewesen“, sagte Mr. Geil anschließend.
Szene Nummer zwei ereignete sich kurz vor Schluss, als Glatzel beim knappen Stand von 3:2 unbedrängt über statt ins leere Tor schoss (87.). „Den kann man schon machen“, witzelte er nach der Partie, die statt er ganz am Ende Ludovit Reis mit dem erlösenden Last-minute-Tor zum 4:2 entschieden hatte.
„Natürlich hätten es noch mehr Tore sein müssen. Aber trotzdem kann man glücklich sein, dass wir mit drei Punkten gestartet sind“, zog Glatzel nach 94 insgesamt unterhaltsamen Minuten letztendlich ein zufriedenes Gesamtfazit. Der HSV ist gut ins neue Jahr gestartet, bleibt auf Kurs Aufstieg und darf sich wieder einmal bei seiner „Lebensversicherung“ (Jonas David über Glatzel) bedanken. „Er macht einfach einen Super-Job“, lobte David, der überraschend statt des spanischen Neuzugangs Javi Montero von Beginn an auflaufen durfte.
HSV-Abwehr lässt zu viel zu
Von Beginn an knüpfte auch Glatzel da an, wo er in der Vorbereitung aufgehört hatte. Der 29-Jährige hatte vier von vier Testspieltreffern im Januar erzielt, brauchte auch am Sonntag nur 166 Sekunden in Halbzeit eins, um Saisontreffer zwölf zu machen – und nicht einmal fünf Minuten in Halbzeit zwei, um Saisontreffer 13 zu erzielen. Damit führt der Familienvater, der direkt nach dem Sieg von seinen Töchtern noch auf dem Platz beglückwünscht wurde, erneut die Tabelle der Zweitliga-Torjäger an.
Sein HSV liegt in der normalen Zweitliga-Tabelle dagegen trotz des Sieges noch immer nur auf Rang zwei – weiterhin vor Heidenheim, aber hinter Darmstadt, die beide ebenfalls ihre Rückrundenauftaktspiele gewannen.
Abseits der Glatzel-Festspiele brachte der erste Sieg in der zweiten Saisonhälfte auch jede Menge weitere Erkenntnisse. „Nach dem ersten Gegentor haben wir uns ein wenig aus dem Konzept bringen lassen. Wir haben Braunschweig zu oft wieder ins Spiel gelassen“, analysierte Schonlau richtig. Gegen die limitierten Braunschweiger ließen er und sein neuer Abwehrpartner David zwölf Torschüsse und fünf Torchancen zu, was für eine Mannschaft, die aufsteigen will, eindeutig zu viel war. „Wir müssen konsequenter sein“, kritisierte auch Trainer Tim Walter.
HSV vor entscheidenden Aufstiegsspielen
Immerhin: Diesmal machte nicht nur ein Blick auf die, die auf dem Platz waren, Mut, sondern auch auf die, die nicht von Beginn an auf dem Platz waren. Mit Hochkarätern wie Laszlo Benes und Sonny Kittel sowie den Neuzugängen Montero, Andras Németh und Noah Katterbach hat und hatte Trainer Walter jede Menge Optionen, die für frischen Wind und sogar für den Unterschied sorgen können und „uns in der vergangenen Saison vielleicht noch gefehlt haben“.
Deswegen ist auch schon deutlich vor dem Ende der Transferfrist am Dienstag klar, dass der HSV keine weiteren Wintereinkäufe verpflichten wird. Derzeit ist jede Position doppelt besetzt – wobei Glatzel der Unterschiedsspieler bleibt. „Bobby ist unser Fixpunkt da vorne drin“, gab auch Schonlau unumwunden zu.
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Mit dem formstarken Fixpunkt könnte es bereits im kommenden Monat eine kleine Vorentscheidung im Aufstiegsrennen geben, wenn der HSV mit Rostock und Bielefeld zweimal auf Gegner der Kategorie „absolut machbar“ trifft – und zudem bei den Hauptaufstiegskonkurrenten Heidenheim und Darmstadt antreten muss.
„Das sind die ersten drei Punkte. Jetzt geht es weiter“, sagte Walter, der sich nicht nur über den Sieg gegen Braunschweig freuen durfte – sondern auch über die wohl kürzeste Pressekonferenz nach einem Spiel überhaupt. „Ich danke euch“, sagte Walter nach der 4.28 Minuten kurzen Frage- und Antwortrunde, in der es nur eine Nachfrage gab. Alle anderen Fragen waren im Spiel zuvor und direkt danach beantwortet worden – besonders von Glatzel.