Schwarzenbek. Geldsammeln unter dem Kettenflieger oder das Geheimnis der Knoten im Wald erkunden: Die Geschichte Schwarzenbeks hat viel zu bieten.
Wenn in den 1950er- und 1960er-Jahren Schützenfest war in Schwarzenbek, herrschte bei den Kindern Goldgräberstimmung. „Damals gab es noch einen Rummelplatz im Schützenpark mit einem schnell drehenden Karussell. Durch die Fliehkraft fiel den Besuchern immer mal wieder Kleingeld aus den Taschen. Das haben wir am nächsten Morgen im Gras gesucht“, erzählt Gisela Berger schmunzelnd.
Wer mit der ehemaligen Finanzbeamtin spricht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, wie lebhaft sie Schwarzenbeks Stadtgeschichte mit vielen Anekdoten und fundiertem Wissen Interessierten näher bringen kann. Die 73-jährige Pensionärin ist in Schwarzenbek geboren und seit elf Jahren Vorsitzende des Heimatbundes und Geschichtsvereins. Aktuell bereitet sie den 70. Geburtstag der Schwarzenbeker Ortsgruppe im September vor.
Stadtgeschichte Schwarzenbek: Gisela Berger macht die Historie lebendig
Das Interesse an der lokalen Vergangenheit wächst – nicht nur bei alteingesessenen Bewohnern der Europastadt, sondern auch bei den Neubürgern, die zumeist aus Hamburg zugezogen sind und die vergleichsweise günstigen Grundstückspreise sowie die sehr gute Verkehrsanbindung an Hamburg mit dem Regionalexpress zu schätzen wissen. Bei der jüngsten historischen Stadtführung von Gisela Berger vor einigen Wochen waren 50 Zuhörer dabei – die meisten sind neu zugezogen.
So wie auch die Mutter von Gisela Berger, die aus Hamburg kam und im Zweiten Weltkrieg als Kontoristin bei Bauer & Schaurte in Schwarzenbek arbeitete. „Die Bahnverbindung war damals schon genauso schnell wie heute“, berichtet die Hobby-Historikerin schmunzelnd. Allerdings musste ihre Mutter nicht lange vom Dammtor-Bahnhof nach Schwarzenbek pendeln. Schnell wurde sie mit anderen Frauen aus der für den Krieg wichtigen Firma, die Schrauben herstellte, in einer Wohnung an der Seestern-Pauly-Straße untergebracht.
Dort lernte sie 1943 den im Krieg verwundeten Vater von Gisela Berger kennen und blieb in Schwarzenbek. Dort lebt die Familie bereits seit über 100 Jahren an der Uhlenhorst. „Mein Vater arbeitete im Kolonialwarenladen und hatte von seinem Chef Geld für den Hausbau geliehen und wollte es in der Zeit der Inflation in den 1920er-Jahren zurückzahlen. Da hat sein Chef dankend auf die wertlosen Scheine verzichtet und seitdem gehört das Haus uns“, berichtet die Pensionärin.
21 Männer gründeten im Herbst 1954 einen Geschichtsverein
Als der Heimatbund und Geschichtsverein vermutlich im Herbst 1954 gegründet wurde, war Gisela Berger gerade einmal drei Jahre alt. Es waren 21 Männer, die der Direktor der Volkshochschule, Ernst Brandt, um sich geschart hatte und die den Ortsverein gründeten. Die Namen sind in der Oktober-Ausgabe der „Lauenburgischen Heimat“ aus dem Jahr 1954 aufgelistet. „Warum sich damals so eine große Gruppe für die Stadtgeschichte interessierte, weiß niemand mehr so genau“, bekennt Gisela Berger. Aber es waren alles alteingesessene Familien, die an der Gründung beteiligt waren.
Schwarzenbek veränderte sein Gesicht gewaltig, als der Heimatbund- und Geschichtsverein an den Start ging. Aus dem Dorf, dessen Bedeutung in erster Linie in der Lage als Eisenbahnknotenpunkt lag, war eine Stadt geworden. Die Stadtrechte wurden Schwarzenbek 1953 verliehen. Die Bevölkerungszahl hatte sich nach dem Krieg von 3000 auf mehr als 7000 Menschen verdoppelt. Die Straßen um Bauer & Schaurte mit den ehemaligen Mitarbeiterwohnungen wurden nach den Herkunftsorten vieler Flüchtlinge in Breslauer, Danziger oder Kolberger Straße umbenannt.
Heimatkundelehrer Günther Hampe fesselte die Kinder mit Stadtgeschichte und Märchen
Wenig später kam auch Gisela Berger in die Schule, und ihr Heimatkundelehrer Günther Hampe fesselte sie mit seinen Erzählungen und den Ausflügen in die nähere Umgebung. Der Pädagoge und Heimatforscher konnte aber nicht nur Geschichte gut verpacken, er las auch jedem Kind in der Klasse zu dessen Geburtstag ein Gedicht vor. „Wegen der vielen Flüchtlingskinder reichte die Alte Marktschule schnell nicht mehr aus. Wir lernten in drei Schichten, bei schönem Wetter war dann sogar der Wald oder der Schützenpark unser Klassenzimmer“, erinnert sich die 73-Jährige.
In dieser Zeit gab es auch im Zusammenhang mit der Bautätigkeit in der Stadt erste Funde von eisen- und bronzezeitlichen Gräbern. Ein berühmter Fundort ist die alte Realschule, aber auch die alte Ziegelei. Der kürzlich verstorbene Lehrer Werner Urban machte sich mit seinen archäologischen Grabungen um den Erhalt der Funde verdient und er setzte auch durch, dass auf dem Parkplatz hinter Penny am Rande des Stadtparks die Umrisse der ehemaligen Marienburg des Ritters Wulf to Swartebeke im Pflaster zu sehen sind. Die Burg wurde erstmals 1291 urkundlich erwähnt, besiedelt ist Schwarzenbek aber seit mehr als 2000 Jahren.
Kohlen gab es bei der alten Meierei, Müll wurde vor der Stadt abgekippt
Gisela Berger kennt jeden Quadratzentimeter ihrer Heimatstadt und weiß zu vielen Orten eine Anekdote zu erzählen. „Früher sind wir oft zu Fuß zu dem Gelände gegenüber von Blumen Scheumann oder zur alten Meierei gegangen, um Kohlen zu holen. Dann fuhren auch öfter Handkarren mit dem Müll der Stadt vorbei, der außerhalb abgekippt wurde“, berichtet die Schwarzenbekerin. Eine dieser Müllkippen kommt gerade wieder an das Tageslicht: Genau an der Einmündung des Kreisels für die Ortsumgehung an der Bundesstraße 207 beim neuen Grabauer Gewerbegebiet war eine städtische Müllkippe. Bei den Bauarbeiten für beide Projekte mussten die Arbeiter Jahrzehnte alten Hausmüll entsorgen und das Gelände auffüllen.
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Als Kind fand die Schwarzenbekerin auch ein Schulbuch ihrer Mutter über den großen Hamburger Brand, der im Jahr 1842 weite Teile der Altstadt zerstörte. Deshalb beschäftigt sich Gisela Berger auch in ihrer Freizeit intensiv mit Hamburger Geschichte und bietet vom Heimatbund und Geschichtsverein auch viele Exkursion nach Hamburg an, die jeweils am Schwarzenbeker Bahnhof starten. Eine große Imagewerbung sind auch die stets ausgebuchten Vorträge „Schwarzenbek gestern und heute“ im historischen Amtsrichterhaus (um 1750 erbaut), einem der ältesten Gebäude der Stadt.
Selbst der Wald bei Schwarzenbek birgt historische Geheimnisse
Der Lieblingsort von Gisela Berger ist allerdings nicht in der Stadt, sondern im Rülauer Wald. Gerne geht sie auf dem historischen Knotensteig spazieren. Und natürlich kennt sie auch dazu eine Geschichte: „Früher gingen die Postboten von Schwarzenbek nach Gülzow auf diesem Weg durch den dicht bewachsenen Wald. Damit sie sich nicht verliefen, machten sie Knoten in die jungen biegsamen Äste“, erzählt sie.
Es kommen viele Besucher zu Vorträgen und Führungen, auch die historischen Kalender des Vereins erfreuen sich großer Beliebtheit als Weihnachtsgeschenk. Der Verein selbst leidet aber an Überalterung und stagnierenden Mitgliederzahlen. 86 sind es aktuell. Doch die wollen mit möglichst vielen Gästen am Sonnabend, 21. September, im Amtsrichterhaus am Körnerplatz 10 feiern. Los geht es um 15 Uhr. Mit von der Partie ist auch die Trachtentanzgruppe „Swattenbeker Danzlüüd“, bei denen Gisela Berger natürlich auch mitmischt.