Norderstedt. Die Oberbürgermeisterin über den Wahlkampf, ihr Amtsverständnis, Höhen und Tiefen und ein besonderes Problem.
Es ist etwas mehr als sechs Jahre her, am 1. August 2017, Schauplatz war der Plenarsaal im Rathaus von Norderstedt. Eine Frau stellte sich hier den mehr als 100 Gästen vor, die meisten kannten sie vorher nicht. In den Tagen danach machte der Name in der Stadt die Runde, Medien wie das Hamburger Abendblatt berichteten erstmals.
Und ein paar Monate später entschied sich die Bevölkerung für einen historischen Schritt: Elke Christina Roeder wurde die erste Frau an der Spitze der Verwaltung, die erste Oberbürgermeisterin in Norderstedt.
OB-Wahl Norderstedt: Elke Christina Roeder – Der Kampf um eine zweite Amtszeit
Heute dürften die meisten Menschen wissen, wer sie ist, auch diejenigen, die sich rein gar nicht für das Geschehen rund um Rathaus, Politik und Stadtentwicklung interessieren, werden zumindest das Gesicht einmal gesehen haben.
„Vor sechs Jahren war es für mich so, dass ich die Stadt kennenlernen musste, und die Menschen mich. Ich musste mich vorstellen, darlegen, welche Erfahrungen ich mitbringe, sowohl aus der freien Wirtschaft als auch aus der Verwaltung. Jetzt ist es wesentlich anders: Man kennt mich, man kennt die Oberbürgermeisterin.“ Heute sei sie „Chefin von über 1400 Menschen, vom Konzern Stadt“.
Wie seinerzeit im Wahlkampf angekündigt, wurde sie Neu-Norderstedterin. „Es war ein fließender Übergang. Ich habe 2017 in Neumünster gewohnt, bin dann Ostern 2018 umgezogen. Wir waren offen, ob Haus oder Wohnung, aber es war nicht ganz so einfach, weil man ja auch eine gewisse Größenvorstellung hat.
Und wenn man in Neumünster in einer Altbauwohnung mit Gartenanschluss gewohnt hat – die findet man hier nicht. Im Zuge der Energiekrise ist es gut, dass wir die hohen Decken nicht mehr haben. Wir sind in Friedrichsgabe fündig geworden, und ich fühle mich da sehr wohl.“
Bei der Wahl wird es aller Voraussicht nach ein knappes Ergebnis geben
Es wird aber vom Wohlwollen der Wahlberechtigten abhängig sein, was die Zukunft für die 56-Jährige bereithält. Sie strebt eine Wiederwahl an, wurde im Januar von der SPD, also jener Partei, in der sie Mitglied ist, nominiert.
Doch im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Hans-Joachim Grote (CDU), der sein Amt mehrfach souverän, teils sogar ohne Gegner, verteidigte, wird es in diesem Jahr aller Voraussicht nach knapp. Die Christdemokraten fordern Roeder mit ihrem Kandidaten Robert Hille heraus. Und eine außergewöhnliche Konstellation, die auch das Rathaus seit Monaten intern beschäftigt, ist die Bewerbung von Katrin Schmieder, der Sozialdezernentin, die quasi ihre eigene Chefin ablösen will.
Ihre Schwierigkeit: „Frau Schmieder ist eine Mitarbeiterin von mir“
Die Oberbürgermeisterin spricht von einer „Schwierigkeit“, die nur sie selbst habe: „Frau Schmieder ist eine Mitarbeiterin von mir. Und eine Mitarbeiterin in der Öffentlichkeit angreifen, oder etwas Böses über sie zu sagen, ist nicht meine Art. Das gehört ins Rathaus. Vielleicht muss ich mich von dem Gedanken noch ein bisschen freimachen, aber das wird für mich die große Herausforderung sein. Mein Credo ist immer: Ich stehe vor meinen Mitarbeitenden. Mich darf man gerne angreifen, alle anderen nicht.“
Aber irgendwie muss sie ja Wahlkampf machen und den Menschen verdeutlichen, dass sie die geeignetste Kandidatin ist, das will Roeder auch. „Ich werde einen Weg finden, da muss ich für mich selber noch darauf herumdenken. Sie werden nicht irgendetwas unter der Gürtellinie oder irgendwelche Vorhaltungen erleben. Das ist nicht zielführend.“
Sie hätte gerne mehr erreicht. „Ja, ich habe nicht all das geschafft, was ich gerne geschafft hätte in meiner Amtszeit. Ehrlicherweise waren drei Jahre Corona dabei, die haben uns sehr zurückgeworfen. Das galt es zu lösen, aber das haben wir in Norderstedt unter meiner Führung auch hervorragend gelöst.“
Roeder nennt das Impfzentrum, für das sie sich erfolgreich einsetzte, die vielen Testzentren, unter anderem im Kulturwerk und im Rathaus. „Auch politisch ist in der Zeit nicht viel entschieden worden. Die Verwaltung durfte vieles regeln, wir haben die Politik regelmäßig informiert, aber es gab die nachvollziehbare Angst, in irgendwelche Sitzungen zu gehen. Wir haben dieses Haus hier sehr geschützt, zugemacht, die Belegschaft in Kohorten A und B getrennt. Es ging um den Schutz der Menschen.“
Roeder erklärt, wie sie ihr Amt versteht
Explizit als Politikerin will sie sich zwar nicht bezeichnen – aber politisch ist die Arbeit einer Oberbürgermeisterin durchaus. „Im Grunde genommen können sie die politischen Gremien als Auftragsgremien sehen. Die Verwaltung bekommt Aufträge – die werden demokratisch-mehrheitlich beschlossen –, um diese mit den jeweiligen Abteilungen umzusetzen, Aber wir können auch selber Akzente setzen.“
Sie nennt ein Beispiel. „Erinnern wir uns an den Müllberg Gieschen. Das ist für mich ein hohes politisch-juristisches Agieren gewesen. Es wäre nicht gelungen, wenn ich keine juristischen Fachkenntnisse hätte und nicht die Erfahrung aus der Abfallwirtschaft. Das ist eine gute Kombination in dem Fall. Wir konnten mit viel Fantasie juristische Wege gehen.“
Und das trotz gewisser Skepsis des damaligen Staatssekretärs und heutigen Umweltministers Tobias Goldschmidt. „Wir haben es als Stadt hinbekommen. Jetzt erfüllt das Land seinen Part, es läuft Stück für Stück, wird vernünftig ausgeschrieben, und dann wird es abgeräumt. Mir wäre lieber gewesen, dass es schneller gegangen wäre, aber es hat geklappt. Und wir müssen es so abräumen, dass wir niemanden gefährden. Es ist hochkomplex.“
Doch in einigen zentralen Fragen der Stadtentwicklung fand die Verwaltung für eigene Vorhaben keine politischen Mehrheiten. Der weitreichende Beschluss vom Oktober 2019, wonach bei neuen Bebauungsplänen 50 Prozent der Wohnfläche gefördert sein müssen, war gleichbedeutend mit dem Ende des von Roeder initiierten „Bündnis für Wohnen“ mit der Wohnungswirtschaft, das eigentlich im Zusammenspiel eine Strategie entwickelt werden sollte, damit in der Stadt irgendwann alle Bürgerinnen und Bürger den Wohnraum finden, den sie brauchen – je nach Geldbeutel.
Das Aus für das „Norderstedter Modell“ war eine Niederlage für das Rathaus
Auch das Aus für das „Norderstedter Modell“, also geförderte Wohnungen für Geflüchtete sowie andere berechtigte Menschen unter einem Dach mit der städtischen EGNO als Bauherr, war eine Niederlage für das Rathaus.
Eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die durchaus im Sinne von Roeder wäre, war bislang nicht mehrheitsfähig. Große Neubaugebiete in Glashütte („Sieben Eichen“) und am Harkshörner Weg wurden auf Eis gelegt – Verwaltung und Politik konnten sich bei den Verkehrskonzepten nicht einigen.
Service im Rathaus: Wo Elke Christina Roeder Fortschritte sieht
Das ist die eine Seite. Aber jede Verwaltung ist ebenso ein Dienstleister für die Bevölkerung. Diese wiederum erwartet eine rasche Bearbeitung ihrer Anliegen. Und genau dort sieht Elke Christina Roeder Fortschritte, die während ihrer Amtszeit gelungen sind. Auch unter dem Eindruck der Pandemie.
„Wir haben es im Einwohnermeldeamt zu der Zeit geschafft, von ,Ich ziehe eine Wartemarke, setze mich da hin und bekomme einen Termin‘ dazu zu kommen, dass ich online, telefonisch oder an der Info einen Termin buchen kann. Das hat sich etabliert, es müssen nicht mehr so viele Menschen frustriert stundenlang bei uns im Wartezimmer sitzen. Wenn sie jetzt schauen, kriegt man jetzt relativ schnell einen Termin.“
Sie nennt auch den „Mängelmelder“ – also jenen viel genutzten Onlineservice, bei denen die Menschen ihre Verwaltung benachrichtigen können, wenn ihnen im Straßenbild etwas auffällt. „Dann können wir reagieren.“
„Ich möchte nicht ohne Not einen Weg der Kommunikation abschneiden“
Roeder attestiert sich „einen klaren Blick nach vorne, was Digitalisierung angeht“. Auch mit dem Einsatz von KI beschäftigt sich das Rathaus. Aber: „Wir werden auch immer analog arbeiten. Denn wir werden immer Menschen haben, die es nicht können, die sagen, sie bekommen es aus Altersgründen nicht hin, die sagen, ich verteufele alles, was mit Digitalisierung zu hat, ich möchte meinen handgeschriebenen Brief abgeben. Das ist alles erlaubt. Und wir haben das Fax im Gegensatz zum Kreis nicht abgeschaltet, denn ich möchte nicht ohne Not einen Weg der Kommunikation abschneiden.“
Im Wahlkampf kommt es auf das direkte Gespräch an. Das will sie suchen. „Ich werde versuchen, an dem einen oder anderen Tag etwas früher Feierabend zu machen und dann auch bewusst zu den Menschen an die Haustüren gehen, so wie ich das vor sechs Jahren gemacht habe. Ich habe eine Bürgersprechstunde eingeführt, damit die Menschen direkt mit mir sprechen können. Wichtig ist mir, die Menschen zu motivieren, damit sie zur Wahl gehen.“
Roeder: „Würde mich freuen, wenn wir keine Stichwahl machen müssen“
Ob sie zumindest gerne eine Beteiligung von 40 Prozent erreichen würde? „Man muss bei einer kommunalen Wahl realistisch bleiben. Aber mir wird in vielen Bereichen von den Menschen zurückgespiegelt, dass sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden sind, dass sie es sehr zu schätzen wissen und keine Veränderung haben möchten. Ich würde mich freuen, wenn wir keine Stichwahl haben müssten.“
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Aus ihrer Sicht würde das bedeuten: Die Bevölkerung hätte ihr im ersten Wahlgang das Mandat für sechs weitere Jahre gegeben. „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen einen guten Job gemacht. Und mein Wunsch ist, dass all diejenigen, die zufrieden sind, die möchten, dass ich Oberbürgermeisterin bleibe, zur Wahl gehen, ihr Kreuz machen und das bestätigen.“