Norderstedt. Stadt legt Konzept zur Kriminalitätsbekämpfung vor – doch einigen Fraktionen reichen die Maßnahmen längst nicht aus.
Momentaufnahme am Dienstag in Norderstedt-Mitte. Ein 25-jähriger Hamburger beobachtet vor der Grundschule an der Heidbergstraße drei Jugendliche. Es ist 14.30 Uhr, mitten am Tag. Die Jugendlichen streiten. Plötzlich schlägt einer der Jugendlichen seinem etwa 15 Jahre alten Gegenüber mit der Hand ins Gesicht. Der dritte Jugendliche nimmt dem Geschlagenen gleichzeitig die Geldbörse ab und zieht das Bargeld heraus.
Zwar läuft der 25-jährige Zeuge direkt zur Polizei und zeigt die mutmaßliche Raubtat an. Doch da sind die Täter und auch das Opfer bereits in Richtung ZOB Norderstedt-Mitte verschwunden. Die Polizei fahndet sofort, aber ergebnislos.
Menschen fühlen sich rund um die U-Bahnhöfe nicht mehr sicher
Es vergeht derzeit kaum eine Woche in Norderstedt, in der nicht von ähnlichen Fällen berichtet wird. Seit Monaten sorgen eine Fülle von Schlägereien und Raubüberfällen dafür, dass sich die Norderstedterinnen und Norderstedter rund um die U-Bahnhöfe in Norderstedt-Mitte und Garstedt sowie im Umfeld des Herold-Centers nicht mehr so richtig sicher fühlen.
Eine besonders brutale Tat am Mittwoch, 6. September, um etwa 20 Uhr im Vorraum einer Bank im Herold-Center sorgt nun dafür, dass bei der Kommunalpolitik Handlungsdruck entsteht und eine Diskussion darüber, was die richtigen Maßnahmen sind, um die Innere Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten.
Überfall auf Mann durch drei Maskierte in einer Bank
Ein 24-Jähriger wurde an jenem Mittwoch von drei Maskierten überfallen und zusammengeschlagen. Die Täter raubten die Tasche des Mannes. Das Opfer wurde bewusstlos von Zeugen gefunden und dem Rettungsdienst übergeben.
Muss in Norderstedt also schnell und massiv durchgegriffen werden? Die Norderstedter Polizei sieht Norderstedt im Vergleich mit anderen schleswig-holsteinischen Kommunen oder Endbahnhöfen der Hamburger U-Bahn in der Metropolregion nicht als auffälligen Kriminalitätsschwerpunkt – eher im Gegenteil.
Stadtverwaltung will Ordnungsdienst ausweiten und Kameras aufhängen
Gegenüber der Norderstedter Politik sprach Norderstedts Revierleiter Florian Born lediglich davon, dass die Kriminalitätsentwicklung nicht positiv sei. Doch von der Stadt wünsche man sich trotzdem Unterstützung, etwa mehr Videoüberwachung neuralgischer Bereiche und eine Stärkung des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD).
Genau das lieferte die Stadtverwaltung jetzt im Hauptausschuss. Da stellte Ordnungsamtsleiter Andreas Finster dar, wie die Stadt der Straßenkriminalität in Norderstedt-Mitte und Garstedt begegnet. Seit dem 8. März gebe es regelmäßige Kontrollgänge des KOD am Bahnhof Norderstedt-Mitte und rund ums Herold-Center. In den Abendstunden bis 20 Uhr sei man 70 Stunden unterwegs gewesen. Dazu habe man Politessen sogar aus der Verkehrsüberwachung abgezogen und beim KOD integriert.
Überwachungskameras sollen Strafverfolgung vereinfachen
Um die Strafverfolgung zu unterstützen, als Abschreckung für Kriminelle und für das gefühlte Sicherheitsempfinden der Menschen, möchte die Stadt etwa 20 Überwachungskameras rund um den Bahnhof Norderstedt-Mitte – am Brunnen und vor der Post – aufhängen, außerdem am Bahnhof Herold-Center. Kosten: Etwa 80.000 Euro.
Der KOD – derzeit mit acht Vollzeit- und zwei Halbzeitstellen ausgestattet – soll von November an um vier Stellen aufgestockt werden. Außerdem setze die Stadt auf enge Vernetzung mit der Polizei und den Sicherheitsdiensten des HVV an den Bahnhöfen und des Herold-Center-Betreibers ECE.
CDU und SPD wollen Sicherheitsanalyse für Norderstedt
Im Hauptausschuss diskutierten die Fraktionen das Konzept der Stadt kontrovers. Besonders die Videoüberwachung ist ein sensibles Thema. CDU und SPD setzten gegen die Stimmen von Grünen, WiN/Freie Wähler, AfD und FDP durch, dass zur Vorbereitung eines Videoüberwachungskonzepts zunächst eine „kommunale Sicherheitsanalyse“ erstellt werden müsse.
Die tatsächliche Bedrohungslage und die dazu belegbaren Zahlen, sollen dem subjektiven Bedrohungsempfinden durch Bürgerbefragung gegenübergestellt werden. Bevor also Kameras anspringen, soll Gewissheit herrschen, wie die Lage ist.
CDU und WiN/FW wollen, das sofort Kameras aufgehängt werden
Doch am Donnerstag preschen CDU und WIN/FW plötzlich mit einem Dringlichkeitsantrag für den Hauptausschuss am 18. September vor. „Es muss alles versucht werden, um durch schnelles und konkretes Handeln weitere Opfer zu verhindern“, teilen Fraktionschef Reimer Rathje (Win/FW) und Stadtvertreter Gunnar Becker (CDU) mit. Der Grund für die „Dinglichkeit“: Der Raubüberfall auf den 24-Jährigen in der Bank.
Deswegen fordern die Fraktionen – zusätzlich zum städtischen Sicherheitskonzept – nun die umgehende Aufstellung von Kameras bis spätestens 31. Oktober rund um die Bahnhöfe Norderstedt-Mitte und Garstedt. Diese sollen von der Polizei überwacht und ausgewertet werden.
Sicherheitsdienst soll mit Hund in den Abendstunden patrouillieren
Zusätzlich soll nach dem Willen von CDU und WiN/FW an den Bahnhöfen und im Willy-Brand-Park neben dem Herold-Center ab spätestens 1. November ein privater Sicherheitsdienst befristet für sechs Monate patrouillieren, mit einer Doppelstreife mit Hund, jeweils in den Abendstunden am Freitag und am Sonnabend sowie an einem weiteren variablen Wochentag.
Bereits 2010/2011 hatte die Stadt am Bahnhof Norderstedt-Mitte einen privaten Sicherheitsdienst eingesetzt, um für Ordnung zu sorgen. Allein die Präsenz der massiv auftretenden Sicherheitsleute samt Hund habe für einen positiven Effekt gesorgt, argumentieren CDU und WiN/FW.
Grüne: „Mit Kanonen auf Spatzen schießen!“
Skeptisch sehen die Grünen das Vorgehen von CDU und WiN/FW. Zwar kann sich Fraktionschefin Ingrid Betzner-Lunding vorstellen, dass an neuralgischen Punkten an den Bahnhöfen Kameras zur Täterfeststellung aufgehängt werden – aber nicht in der flächendeckenden Art und Weise, wie CDU und WiN/FW das nun fordern.
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„Was die Kriminalität in unserer Stadt angeht, sind wir doch noch Heile Welt im Vergleich mit anderen Kommunen im Land – geschweige denn mit Hamburg“, sagt sie. „Da muss man sich schon die Frage stellen, ob man hier mit Kanonen auf Spatzen schießen will.“ Bürgerinnen und Bürger hätten das Recht, sich unbeobachtet in der Öffentlichkeit zu bewegen.
In der unbestritten bestehenden Problematik rund um die Bahnhöfe müsse man zunächst „alle anderen Register ziehen“, sagt Betzner-Lunding. „Wir beleben ja gerade mit einem großen Konzept den Willy-Brandt-Park. Wenn mehr Menschen das Umfeld aufsuchen am Herold-Center, dann verschwinden dort auch die kriminellen Subjekte – für die wird’s dann ungemütlich.“
SPD: „Keine privaten Sicherheitsdienste!“
Nicolai Steinhau-Kühl, Fraktionschef der SPD, ist verwundert über die CDU. Schließlich hatte man doch gerade gemeinsam die Sicherheitsanalyse auf den Weg gebracht. Mit der SPD werde es keinen Einsatz private Sicherheitsdienste geben, sagt Steinhau-Kühl.
„Es ist in unserer Stadt nicht unsicher – da sind wir bei den Kriminalitätszahlen weit weg von anderen Städten in Schleswig-Holstein.“ Das gefühlte Unsicherheitsempfinden der Menschen müsse man aber ernst nehmen. Mit Kameraüberwachung rund um die Bahnhöfe habe die SPD kein Problem. Den Ausbau des KOD und die Vernetzung mit den Sicherheitsdiensten von Hochbahn und Herold-Center sowie mit der Norderstedter Polizei hält Steinhau-Kühl für den richtigen Weg. „Und das läuft ja auch schon seit März und wird noch ausgebaut.“