Norderstedt. Mehrheit lehnt Verkehrskonzept für Neubaugebiet „Sieben Eichen“ ab. Auch andere Immobilienprojekte stehen auf der Kippe.

Ein „bürgerliches Bündnis“ trage die Stadtentwicklung in Norderstedt zu Grabe und blockiere den dringenden Bau von Wohnungen in Norderstedt – das werfen SPD, Grüne und Linke ihren Gegenspielern von CDU, FDP, WiN, Freien Wählern (FW) und der AfD vor. Neustes Beispiel: Mit den Stimmen der „Bürgerlichen“ wurde jetzt eines der größten Neubauvorhaben der Stadt vorerst verhindert – das Neubaugebiet „Sieben Eichen“. Gut 500 Häuser und Wohnungen sollen am Glashütter Damm gebaut werden.

Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr sollte der Rahmenplan beschlossen werden, damit das Projekt Formen annehmen kann. CDU, FDP, WiN, FW und AfD stimmten aber dagegen, sie halten das Verkehrskonzept der Verwaltung für das neue Viertel für „unausgegoren und untauglich“. Die Verwaltung will hier Kleinbusse einsetzen, da der Glashütter Damm zu schmal für die üblichen Busse ist. Rad- und Fußwege könnten abseits der Straße gebaut werden.

Immobilien Norderstedt: Neubaugebiet „Sieben Eichen“ droht zu scheitern

Die Kritik der „Bürgerlichen“: Wenn rund 800 Menschen ins Neubaugebiet ziehen, könne der Glashütter Damm die zusätzlich erwarteten Fahrzeuge nicht verkraften. Ein weitgehender Verzicht auf Autos sei reine Utopie. Wegen der geringen Breite könnten Fuß- und Radwege nicht in ausreichender Größe gebaut werden, damit entfalle eine wichtige Voraussetzung für eine klimafreundliche Mobilität.

Einfamilien- und Doppelhäuser sowie Geschosswohnungen im Innenbereich sollen im Neubaugebiet Sieben Eichen in Norderstedt entstehen. 
Einfamilien- und Doppelhäuser sowie Geschosswohnungen im Innenbereich sollen im Neubaugebiet Sieben Eichen in Norderstedt entstehen.  © Stadt Norderstedt | Stadt Norderstedt

Die Verweigerung ärgert Nicolai Steinhau-Kühl, den Fraktionschef der SPD: „Die Folgen für die Entwicklung der Stadt sind noch nicht absehbar. Dieses Veto zeigt deutlich, wie unverantwortlich und unberechenbar CDU, FDP, WiN, AfD und FW mit der Zukunft Norderstedts umgehen. Die Antwort auf die Fragen der Zukunft beantworten diese Fraktionen, indem sie nichts tun, seit Monaten wird durch das rechts-konservative Lager die Entwicklung der Stadt aktiv gebremst“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Linke: Die CDU verhindert die Zukunft Norderstedts

„Eines der größten Projekte der Norderstedter Stadtplanung wird ohne Vorankündigung in den Müll geworfen“, sagt Marc Muckelberg, Fraktionschef der Grünen. Norbert Pranzas, (Die Linke), bringt seine Kritik auf den Punkt: „Die CDU verhindert die Zukunft Norderstedts.“ Seit gut einem Jahr blockiere die CDU jedes Neubauprojekt oder setze weiter auf flächenfressenden Individualverkehr statt zukunftsorientierte, neue Verkehrskonzepte zu fördern.

Die Kritik zielt auf das Neubaugebiet am Harkshörner Weg, wo Wohnungen für rund 1000 Menschen entstehen sollen. Da hatte der „konservative Block“ das Konzept „Mobilitätswende“ verhindert und freie Fahrt für Autos im Wohngebiet einschließlich Parkplätzen für jede Wohneinheit beschlossen. Steinhau-Kühl verweist als weiteres Beispiel für die „Verweigerungshaltung“ von CDU, FDP, WiN, FW und AfD auf die geplante Gemeinschaftsunterkunft an der Lawaetzstraße.

Der Glashütter Damm ist schmal, Radfahren auf der Straße erfordert Mut.
Der Glashütter Damm ist schmal, Radfahren auf der Straße erfordert Mut. © Michael Schick | Michael Schick

Schon dort standen sich beide Lager unversöhnlich gegenüber: SPD, Grüne und Linke favorisieren kommunalen Wohnungsbau, die städtische Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EGNO) sollte bis zu 100 Prozent geförderte Wohnungen bauen. Das bürgerliche Lager lehnt eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ab, die Parteien forcieren ein Projekt zusammen mit der Wohnungswirtschaft, das auch Wohnungen für den freien Markt beinhaltet. Dieses Modell setzte sich knapp durch.

CDU: „Wohnungsbau ja – aber nicht um jeden Preis!“

„Das ist doch Quatsch“, sagt Peter Holle, Fraktionschef der CDU zu den Vorwürfen von SPD, Grünen und Linken. „Wir blockieren nichts, im Gegenteil, wir sprechen uns nach wir vor klar dafür aus, dass weiter Wohnungen in Norderstedt gebaut werden.“ Aber nicht um jeden Preis: Die Infrastruktur müsse stimmen. Und da hätten die von der Verwaltung vorgelegten Konzepte nicht überzeugt, weder die „Mobilitätswende“ am Harkshörner Weg noch die verkehrliche Lösung für „Sieben Eichen“.

Und: Die Anhörung der Anwohner habe klar ergeben, dass sie eine unerträgliche Verkehrsbelastung durch das Neubaugebiet befürchten. „Wir als Kommunalpolitiker sollten Politik für die Bürger machen und ihre Sorgen ernst nehmen.“

Ähnlich argumentieren die „Verbündeten“: Reimer Rathje, Fraktionschef der WiN: „Das ist doch reines Wahlkampfgetöse mit Blick auf die Kommunalwahl im nächsten Jahr.“ Die WiN arbeite wie die anderen an der Sache orientiert. „SPD, Grünen und Linken fehlt der nötige Weitblick und Sachverstand für eine verantwortungsvolle Politik, wenn sie Wohngebiete schaffen wollen, ohne vorher für die nötige Infrastruktur zu sorgen.“ „Wir blockieren gar nichts“, hält FDP-Fraktionschef Tobias Mährlein dagegen. Aber eine Politik nach dem Motto „Friss Vogel oder stirb“ mache die FDP nicht mit. Unterschiedliche Auffassungen und Niederlagen bei Abstimmungen gehörten nun mal zur Demokratie. Auch Thomas Thedens (FW) wehrt sich gegen die Vorwürfe: „Wir sehen uns jedes Thema genau an und entscheiden dann über das Pro und Contra.“

Neubaugebiet „Sieben Eichen“: Kreative Verkehrslösung gefordert

Die AfD stelle massive Bauvorhaben grundsätzlich genau auf den Prüfstand, um die Lebensqualität in Norderstedt zu erhalten. Dies gelte auch für die Mobilität. „Im Gegensatz zur ‘Kriegserklärung‘ linksgrüner Parteien an den Individualverkehr verteidigen wir die Freiheit der Bürger auch in verkehrstechnischer Hinsicht“, sagt Sven Wendorf von der AfD.

CDU, FDP, WiN, FW und AfD betonen, dass das Neubauvorhaben „Sieben Eichen“ nicht gestorben, sondern nur gestoppt sei. „Wir setzen darauf, dass die Verwaltung kreative Lösungen für das Verkehrsproblem findet“, sagt Mährlein. Möglicherweise bringe es einen Durchbruch, mit dem Land nochmals über eine verkehrliche Anbindung an die Schleswig-Holstein-Straße zu sprechen – diese Variante hatte der Landesbetrieb Straßen und Verkehr abgelehnt.

Das sei rechtlich nicht möglich. Zudem würde eine Anbindung umfangreiche Schleichverkehre erzeugen, da viele Autofahrer so den Knoten Ochsenzoll umfahren könnten. Dadurch würde das Wohngebiet zusätzlich mit quartiersfremden Fahrzeugen belastet. Thedens hält auch eine Einbahnstraßenregelung für denkbar, dann könnte eine Fahrspur für Radfahrer eingerichtet werden.