Norderstedt. Politik bewilligt fünf Millionen Euro für den Bau von mobilen Gebäude. Mehrere Standorte geplant. Streit um Aus für „Norderstedter Modell“.
Auf die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, die bereits Dutzende Menschen aus der Ukraine in Privathaushalten aufgenommen hat, kann sich die Stadt verlassen. Doch das wird auf Dauer kaum reichen, sobald auch die offiziellen Zuweisungen aus den Landesunterkünften beginnen. An mehreren Standorten in Norderstedt sollen daher sogenannte „Mobilgebäude“ errichtet werden, sodass Kapazitäten für bis zu 100 Personen entstehen. Im Hauptausschuss bewilligte die Politik hierfür fünf Millionen Euro – im Gegenzug wurde der Doppelhaushalt 2022/2023 in mehreren Punkten zusammengestrichen, um die Investition zu decken.
Wie die Häuser aussehen, lässt sich im Aurikelstieg beobachten. Hier sind die Arbeiten für zwei Gebäude auf dem Sportplatz der ehemaligen Horst-Embacher-Schule so gut wie fertig. Im April soll die Eröffnung sein. Zwei Standorte (Kringelkrugweg und Harckesheyde) sollen bis Sommer folgen, jeweils für 50 Geflüchtete. All das wurde jedoch geplant, bevor Russland die Ukraine angriff. Denn schon 2020 und 2021 konnte die Stadt ihre Verpflichtungen gegenüber dem Kreis nicht erfüllen, weil die Kapazitäten in den Gemeinschaftsunterkünften nicht ausreichten. Jetzt ist die Situation noch prekärer. Das Gute: „Wir hatten mit Weitblick vier Container reserviert“, sagt Sozialdezernentin Katrin Schmieder. „Die Nachfrage wird von Tag zu Tag größer.“
Parallel prüft das Baudezernat eine Reihe von Flächen. Kurzfristig realisierbar seien ein Grundstück am Lavendelweg (angrenzend an das Jugendhaus), eine Erweiterung am Kringelkrugweg von zwei auf vier Gebäude sowie der ehemalige Sportplatz des SV Friedrichsgabe an der Lawaetzstraße. Weitere Möglichkeiten, wenn auch nur mit Ausnahmegenehmigung, sind am Henstedter Weg nahe des SOS-Kinderdorfs und am Friedrichsgaber Weg zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Styhagen. Auch eine engere Kooperation mit dem Kinderdorf wäre eine Option, dazu zwei Flächen des Wohnungsunternehmens Plambeck (Falkenkamp, Richtweg).
„Mit der Fertigstellung dieser Unterkünfte ist Ende 2022/Anfang 2023 zu rechnen“, hat das Sozialdezernat mitgeteilt. Vielleicht geht es aber auch schneller, das hängt nicht zuletzt davon ab, wie aufwendig es wird, die Grundstücke zu erschließen und Anschlüsse zu legen. Über welchen Zeitraum und wie viele Ukraine-Flüchtlinge kommen, weiß niemand. „Wir wissen ja nicht, wie es sich in der Ukraine weiterentwickelt“, sagt Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. „Wir werden auch Geflüchtete haben, die wir mittel- und langfristig unterbringen müssen.“ Und auch aus anderen Krisenregionen kommen weiterhin Asylsuchende. Perspektivisch hofft man im Rathaus darauf, dass durch die Mobilgebäude die veraltete Unterkunft Fadens Tannen obsolet wird. Hier leben 83 Menschen, die Kosten sind hoch, auch der sozialpädagogische Betreuungsaufwand. Die Stadt spricht von einer „konfliktreichen Wohnsituation“.
Neuer Grundsatzstreit um geförderten Wohnungsbau
Ein anderes Großprojekt fehlt im Doppelhaushalt, den die Stadtvertretung am 15. März final beschließen soll. Denn eine knappe Mehrheit (CDU, FDP, WiN, FWUD) hat durchgesetzt, dass die bisherigen Planungen für eine neue Unterkunft an der Lawaetzstraße gestoppt werden. Ursprünglich war hier ein Neubau nach dem „Norderstedter Modell“ vorgesehen gewesen, und zwar rund 100 geförderte Wohneinheiten – je zur Hälfte für Geflüchtete und für weitere Personen mit entsprechendem Anrecht. Doch aus Sicht der vier Fraktionen, die ihren Antrag als Tischvorlage einbrachten, war dieses Vorhaben bereits am Ende, als im Dezember die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft von der Tagesordnung des Hauptausschusses genommen wurde. „Dem weiteren Bau von Wohngebäuden nach dem Norderstedter Modell wurde damit eine Absage erteilt“, heißt es in dem Antrag. Jetzt solle das 9000 Quadratmeter große Grundstück ausgeschrieben werden, „um dort ein ähnliches Modell, jedoch in Kombination mit frei finanziertem Wohnungsbau, erstellen zu lassen“.
Die Kritik ist groß. „Unlogisch“ nennt es Katrin Fedrowitz von der SPD. „Es wären feste Gebäude gewesen, und es geht um jedes Bett. Wir bauen jetzt Mobilgebäude, aber die werden wir auch für andere Geflüchtete brauchen.“ Marc Muckelberg, Fraktionschef der Grünen, spricht von einem „Tiefpunkt“ und dem „Tod des Norderstedter Modells“. Die Streichung werfe Norderstedt um Jahre zurück. Er sei „entsetzt“ über die Kolleginnen und Kollegen. „Planungskosten von 650.000 Euro sind verpufft.“
Das intern „NoMo“ genannte Konzept ist an zwei Standorten in der Umsetzung, die städtische Entwicklungsgesellschaft ist Bauherr. Nördlich der Feuerwache Friedrichsgabe werden 26 Wohneinheiten gebaut, die Eröffnung ist für diesen Sommer geplant. Bis 2023 sollen neben der Kita Hummelhausen in Garstedt 38 Wohnungen entstehen. Doch der Neubau an der Lawaetzstraße – als Ersatz für die 2021 abgebrannte alte Unterkunft – war in der Verwaltung fest eingeplant. „Das Projekt war in einer Phase, wo bereits Planungskosten angefallen waren“, sagt Katrin Schmieder. Sie sei „fassungslos“. Auch Elke Christina Roeder wird deutlich. „Dem Provisorium wurde zugestimmt, eine mittel- bis langfristige Lösung abgelehnt, ohne dass ein Alternativvorschlag auf dem Tisch liegt. Dadurch werden uns 100 geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung fehlen. Das bedaure ich in der derzeitigen Situation sehr.“
Tobias Mährlein, Fraktionsvorsitzender der FDP, verteidigt den Schritt. „Für einen Bau in der Lawaetzstraße gibt es nicht mal einen politischen Beschluss.“ Aus seiner Sicht sollte die Unterbringung von Geflüchteten nicht mit der Fragestellung vermischt werden, wer günstigen Wohnraum errichtet. „Die Position der FDP ist es, den Wohnungsbau lieber denen zu überlassen, die seit Jahrzehnten Wohnungen bauen, die das Know-How, die erfahrenen Mitarbeiter, den Verwaltungsapparat haben.“
Die CDU äußert sich in einer Mitteilung ähnlich. Es hätte sich um den Einstieg in eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft gehandelt – unter diese sei nun ein „endgültiger Schlussstrich“ gezogen. Und da die Fertigstellung für 2024 geplant gewesen sei, handele es sich „nicht um die dringend benötigte Unterbringung von geflüchteten Menschen“. Der Willen der „vorausschauenden Fraktionen“ sei ein „Vorzeigeprojekt mit geflüchteten Menschen, Geringverdienern und frei finanziertem Wohnungsbau“. Und: „Wir wollen Integration und keine sozialen Brennpunkte.“