Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie sprach mit 15 Kommunen über die „übergreifende Strategie zur Intervention“.
Kiel. Sie schlagen mit Äxten aufeinander ein und strecken Rivalen mit Schüssen nieder – brutale Machtkämpfe zwischen verfeindeten Rockergruppen in Schleswig-Holstein verängstigen Bürger und zwingen die Behörden zum Handeln. „Unser Ziel ist es, diese Rockerszene zu zerschlagen“, verkündete Innenminister Klaus Schlie (CDU) am Donnerstag in Kiel.
Der Druck werde erhöht. Dabei wollen das Land, Polizei und Kommunen enger zusammenrücken. Bei Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten „Hells Angels“ und „Bandidos“ gab es in den letzten Monaten mehrere Verletzte. Die Polizei setzt viel Personal ein, um diese Kriminalität einzudämmen. Über eine „behördenübergreifende Interventionsstrategie“ sprach Schlie nun mit Vertretern von 15 Kommunen, die besonders betroffen sind – es war das erste Treffen dieser Art.
Minister: „Null Toleranz“ gegen Rocker
„Die Luft für kriminelle Rockergruppen wird in Schleswig-Holstein zunehmend dünner“, versprach der Minister, ohne Einzelheiten zu nennen. Die Polizei setze konsequent eine Null-Toleranz-Strategie um und die Kommunen schöpften alle Möglichkeiten aus, um gegen Rechtsverstöße bei wirtschaftlichen Aktivitäten von Rockerclubs vorzugehen – über das Gaststätten- und Gewerberecht oder die Gesundheitsüberwachung. Diese kann bei Tattoo-Shops zum Zuge kommen.
Seit Monaten tobt ein Rockerkrieg zwischen „Hells Angels“ und „Bandidos“, in dem es um Geld und Macht geht. Wie viele Straftaten auf das Konto der Rocker gehen, kann die Polizei nicht sagen. Seit Bildung einer Sonderkommission im Frühjahr 2009 zählte sie 50 Einsätze, die im Zusammenhang mit Straftaten oder Veranstaltungen standen.
60 „Hells Angels“ und „Bandidos“
Das Landeskriminalamt ordnet „Hells Angels“ und „Bandidos“ zusammen 50 bis 60 Vollmitglieder sowie 50 bis 75 Unterstützer zu, wobei die „Hells Angels“ immer noch stärker vertreten sind. Sie haben sogenannte Charter in Kiel, Flensburg, Alveslohe (bei Norderstedt) und Lübeck. „Bandidos“ sind einzig in Neumünster präsent, wo es auch „Hells-Angels“-Unterstützer von den „Red Devils“ gibt. Diese haben für Sonnabend eine Party angemeldet, für die sich die Polizei mit einem Großaufgebot rüstet. „Wir haben für diesen Bereich auf jeden Fall ausreichend Polizeikräfte im Einsatz“, sagte Schlie. Der hohe Personalaufwand werde so lange betrieben, wie es erforderlich ist. Die Beamten seien hochmotiviert und erfolgreich: Sie hätten geplante Auseinandersetzungen verhindert und viele Waffenlager ausgehoben.
Die Rockerbanden seien eine erhebliche Bedrohung, auch weil dahinter weitere Strukturen stünden – „in Vermischung von legalem und illegalem Handeln“, sagte Schlie. Hiesige Gruppen könnten zur Unterstützung auch Rocker aus Nachbarländern einschließlich Dänemark mobilisieren, ergänzte Joachim Gutt, im Landespolizeiamt für die zentrale Einsatzplanung zuständig. Der Frage nach einem möglichen Verbot wich Schlie aus: „Ein Verbot führt man ein oder man lässt es bleiben; aber man redet darüber nicht in der Öffentlichkeit.“
Auch legale Geschäfte im Visier
Nach Behördeneinschätzung drängen kriminelle Gruppen verstärkt in legale Geschäftsbereiche wie Tattoo-Läden, offizielle Bordelle oder in die Security- und Türsteher-Szene. Deshalb werde es immer wichtiger, wie die Kommunen ihre Möglichkeiten als Ordnungs-, Aufsichts- oder Genehmigungsbehörden nutzen. Neumünsters Oberbürgermeister Olaf Tauras (parteilos) beobachtet, dass sich viele Bürger in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt fühlen: So sahen Kinder mitten in der Innenstadt mit an, wie sich Rocker eine Messerstecherei lieferten.
Der Innenminister rief die Bevölkerung auf, Polizei und Kommunen zu helfen. Die Polizei könne jeden schützen, der Hinweise gibt. Beim Treffen in Kiel waren Vertreter dieser Kommunen dabei: Neumünster, Kiel, Flensburg, Lübeck, Itzehoe, Brunsbüttel, Heide, Rendsburg, Kappeln, Alveslohe, Horst (Holstein), Husum, Amt Preetz- Land, Stad Preetz, Niebüll.
SPD-Innenpolitiker Kai Dolgner sprach von diffusen Ankündigungen des Ministers. Diese könnten eher dazu beitragen, die Motorradszene insgesamt zu kriminalisieren als den tatsächlich kriminellen Rockerbanden das Handwerk zu legen. Thorsten Fürter von den Grünen meinte, eine Entscheidung über ein Verbot sei überfällig. Die Polizei müsse wissen, was Sache ist.