David McAllister soll Niedersachsen regieren, wenn sein Mentor Christian Wulff Ende Juni zum Bundespräsidenten gewählt wird.
Hannover. Das wird absehbar eine Premiere nicht nur für Niedersachsen, sondern für Deutschland: Mit David James McAllister wird erstmals ein Mann mit doppelter Staatsbürgerschaft Regierungschef in einem Bundesland. Der Deutsch-Schotte ist dann zudem mit 39 Jahren der jüngste Ministerpräsident in der Landesgeschichte.
Dass ihn die Abgeordneten von CDU und FDP auf den Schild heben, daran besteht, wenn die Bundesversammlung mit schwarz-gelber Mehrheit Christian Wulff zum Bundespräsidenten wählt, kein Zweifel: Der Ministerpräsident Wulff hat ihn über fast ein Jahrzehnt konsequent als Kronprinzen aufgebaut. Die Landespartei liebt McAllister, so wie sie Wulff respektiert.
Die beiden Männer sind höchst unterschiedlich. Der 50-jährige Wulff hat auch die eigenen Leute immer auf Abstand gehalten und sein Amt als Regierungschef präsidial ausgeübt - bedacht auf Freundlichkeit, aber auch Distanz zu jedermann. Ausgerechnet an dem anfangs vorlauten jungen Neuabgeordneten McAllister aus Bad Bederkesa aber hatte er ab 1998 von Anfang an einen Narren gefressen. Den damals erst 32-Jährigen machte Wulff zum Generalsekretär der Landespartei, nur ein Jahr später nach dem Machtwechsel in Niedersachsen wurde er Fraktionschef. Und Wulff bestellte endgültig und ungewöhnlich früh sein Haus im Jahr 2008, als er McAllister den Landesvorsitz der CDU überließ.
Das war eine Entscheidung ganz im Sinne der Basis, die ihn mit 98,9 Prozent ins Amt hievte. McAllister steht seinen Mann an der Theke mit ähnlich großem Vergnügen wie als Redner im Landtag. Er liebt die Offensive, formuliert auch in hitzigen Debatten hart an der Grenze zur Rauflust, aber stets auf den Punkt. Und selbst frühe Zweifler in der Partei hat er in den vergangenen Jahren durch Disziplin überzeugt. Als sie ihn zum Fraktionschef machten, musste er noch versprechen, künftig häufiger "mal pünktlich ins Bett zu gehen". Inzwischen schätzen sie ihn auch wegen seiner Sachkunde.
+++ Porträt: David McAllister: „Kronprinz" mit schottischen Wurzeln +++
McAllister ist Sohn eines britischen Offiziers und einer deutschen Musiklehrerin, in Berlin geboren. Aber aufgewachsen und sozialisiert ist er seit 1982 in Bad Bederkesa im Landkreis Cuxhaven - bekennender Anhänger von Provinz und Kleinstadt, Schützenverein inklusive. Geheiratet hat er im schottischen Kilt seine Jugendfreundin Dunja, Juristin wie er selbst. Er ist Vater von zwei kleinen Mädchen: "Die Familie ist mein Ruhekissen." Und Bad Bederkesa nennt er "Heimat im Herzen".
Dass ihn die Partei liebt, hängt auch mit seinen Positionen zusammen. Er ist im ländlich dominierten Landesverband ein strammer Konservativer, der zur Begründung gern daran erinnert, dass er in West-Berlin geboren wurde und dort gelebt hat: "Da war die Stadt von der DDR umzingelt, das hat mich geprägt, und so lautet mein Leitsatz seither Zukunft statt Sozialismus." Folgerichtig reibt sich McAllister auch wie sonst wohl nur sein Parteifreund und Innenminister Uwe Schünemann an der Tatsache, dass im Landtag seit Anfang 2008 auch die Linke sitzt.
Schottische Zeitungen haben schon vor Jahren spekuliert, "ihr" David McAllister könne es noch zum Kanzlerkandidaten der CDU bringen. Mindestens einen Zwischenschritt wird er jetzt voraussichtlich tun. Aber damit muss er nach Jahren im bequemen Schatten seines omnipräsenten Mentors Wulff ausgerechnet in der denkbar schwierigsten Situation Verantwortung übernehmen. Die Neuverschuldung Niedersachsens ist rekordverdächtig, und der Vorgänger hinterlässt eine ganze Reihe von Baustellen.
Die sonst übliche Schonfrist wird es nicht geben. Noch im Juni soll die lange angekündigte Sparklausur der Landesregierung stattfinden. So ungefähr die erste Aufgabe im neuen Amt wird es also sein, breite Bevölkerungskreise gegen sich aufzubringen, etwa durch die Rücknahme des beitragsfreien dritten Kindergartenjahres, durch Einschnitte bei der Lehrerversorgung und den Hochschulmitteln.
Ob Sozial- oder Kulturförderung, Niedersachsen muss radikal sparen, um den Anforderungen der Schuldenbremse gerecht zu werden. Aus Hamburger Sicht ist vor allem eines wichtig: Der Mann, der künftig in Hannover die Richtlinienkompetenz hat, lebt im Landkreis Cuxhaven, wo sich die Menschen vehement gegen eine Elbvertiefung wehren, die ohne Einvernehmen mit Niedersachsen schwierig wird.
+++ Porträt: Christian Wulff: Landesvater mit präsidialem Stil +++
Völlig offen ist, ob der bekennende Konservative sich traut, andere überfällige Reformen anzupacken. Das langsame Sterben der Hauptschulen ist angesichts der rückläufigen Schülerzahlen nicht aufzuhalten, aber der Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems ist bislang zentrales Versprechen der Niedersachsen-CDU. Zudem leistet sich Niedersachsen die kleinsten Landkreise in Deutschland - trotz Finanzkrise. Der Bund der Steuerzahler beziffert das Sparpotenzial durch die Gründung von Großkreisen auf mindestens 400 Millionen Euro. Der amtierende Ministerpräsident hat den eigentlich reformfreudigen Innenminister Schünemann hier stets ausgebremst.
Für die SPD geht mit dem Abschied von Wulff nach Berlin ein Traum in Erfüllung. Die Opposition unterschätzt McAllister nicht, aber dass es ihm gelingt, in den zweieinhalb Jahren bis zur nächsten Landtagswahl dessen Statur und Popularität zu erreichen, davon geht niemand aus. Um seine Wahl durch die beiden Regierungsfraktionen jedoch muss David James McAllister nicht bangen: CDU und FDP haben mit 81 Stimmen im 152-köpfigen Landtag eine komfortable Mehrheit. Dass er sich den Job zutraut, daran hat der selbstbewusse McAllister bislang keinen Zweifel aufkommen lassen.