Niedersachsens Regierungschef kandidiert für das Bundespräsidentenamt. SPD und Grüne stellen Joachim Gauck auf
Berlin. Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff, 50, soll neuer Bundespräsident werden. Darauf haben sich gestern überraschend die Parteivorsitzenden der schwarz-gelben Koalition verständigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab die Entscheidung am Abend zusammen mit Wulff und den Vorsitzenden von FDP und CSU, Guido Westerwelle und Horst Seehofer, im Reichstag bekannt.
Die Kanzlerin sagte, Wulff sei jemand, "der einem Wertesystem verhaftet ist, das auch Orientierung gibt, und insoweit halte ich ihn für einen wunderbaren zukünftigen Bundespräsidenten". Merkel betonte zudem mehrfach, dass sie sich über Wulffs Bereitschaft, für das höchste Staatsamt zu kandidieren, sehr freue. Noch am Abend zuvor hatte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als aussichtsreichste Kandidatin für das Amt und auch als Favoritin der Kanzlerin gegolten. Nachdem der niedersächsische Ministerpräsident Angela Merkel sein Interesse an der Nachfolge von Horst Köhler verdeutlicht hatte, drehte sich die Stimmung im CDU-Vorstand und insbesondere unter den mächtigen CDU-Landesvorsitzenden gestern im Laufe des Tages klar zu seinen Gunsten. Dabei sollen die Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen) und Stefan Mappus (Baden-Württemberg) die treibenden Kräfte gewesen sein. Die Wahl Wulffs gilt als sicher. Das neue Staatsoberhaupt wird am 30. Juni in der Bundesversammlung gewählt, in der Union und FDP über eine deutliche Mehrheit verfügen.
Wulff, der seit 2003 an der Spitze der schwarz-gelben Landesregierung in Hannover steht, nannte die "Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft" als seine Hauptaufgabe im neuen Amt. Er wolle versuchen, die Menschen zusammenzuführen und Optimismus in der wirtschaftlich schwierigen Zeit zu verbreiten. "Diese große Aufgabe mit großer Verantwortung reizt mich, ich möchte sie gerne wahrnehmen", sagte der Politiker, der auch stellvertretender CDU-Vorsitzender ist. Westerwelle sagte, Wulff sei ein Mann, "der einen klaren inneren Kompass hat". Zudem wisse der Niedersachse, "welche geistige Achse unsere Republik braucht". Seehofer sagte, die CSU sei überzeugt, dass Wulff "für alle Bevölkerungsschichten und für alle Regionen unseres Vaterlandes eine erfolgreiche Arbeit leisten wird".
SPD und Grüne kündigten unmittelbar nach der Entscheidung der Koalitionsparteien an, dass sie den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und späteren Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde Joachim Gauck, 70, als eigenen Kandidaten in die Bundesversammlung schicken werden. Gauck war erster Beauftragter für die DDR-Stasi-Unterlagen. Der Bürgerrechtler gehörte 1990 der ersten und letzten frei gewählten DDR-Volkskammer an. Auch Die Linke will einen Kandidaten ins Rennen schicken.
Die Grünen-Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir kritisierten die Entscheidung für Wulff. Merkel habe die Chance vertan, "auf die ernste Situation mit einer allseits respektierten Persönlichkeit an der Staatsspitze zu antworten, die auch über Lager- und Parteigrenzen hinaus strahlt und von der Bevölkerung breit akzeptiert wird".
Niedersachsens CDU-Fraktions- und Landeschef David McAllister meldete seinen Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt für den Fall an, dass Wulff zum Staatsoberhaupt gewählt wird. "Unter der Voraussetzung, dass der Landesvorstand und die Landtagsfraktion mir das Vertrauen aussprechen, wäre ich bereit, zu kandidieren", sagte er im NDR.