Christian Wulff erzählt gerne diese Geschichte: Häufig kämen junge Frauen auf ihn zu und wollten ein Autogramm.
Er frage dann stets, wem er es denn widmen solle. Neuerdings lauteten die Antworten oft "Für Lieselotte" oder "Für Annegret". Die jungen Frauen fügten dann zu seinem Leidwesen schnell hinzu: "Ist für meine Oma."
Der "Johannes B. Kerner der deutschen Politik", wie Wulff wegen seines Schwiegersohn-Images von Gegnern lange Zeit genannt wurde, ist erwachsen geworden. Er ist im Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten zu einer Persönlichkeit herangereift, der viele seit Langem noch höhere Ämter zugetraut hatten. Gestählt nach zwei Wahlniederlagen gegen Gerhard Schröder, erfahren in Regierungen und Parteiämtern und ebenso diskret wie geschickt im öffentlichen Management von Privatangelegenheiten blickt der zum zweiten Mal verheiratete Katholik inzwischen auf eine Berufs- und Lebenserfahrung zurück, die ihn für das höchste Amt im Staat empfehlen: Ecken und Kanten, Würde und Glanz, Geradlinigkeit und Brüche verbinden sich zu einem Fundament von Glaubwürdigkeit, auf dem sich eine große Ära als Bundespräsident aufbauen lässt.
Natürlich ist auch Wulff - wie vor ihm Friedrich Merz und Roland Koch - in dem Bestreben, Kanzler zu werden, an Angela Merkel gescheitert. Merz und Koch gingen auf Konfrontationskurs, Wulff entschied sich für lautes Schweigen. Merz und Koch wichen aus, Wulff ist geblieben. Gestern hat er dann geredet. In einem Telefonat mit der Kanzlerin soll er sich selbst indirekt zum Präsidenten gemacht haben. Damit hat er eindrucksvoll gezeigt, dass er das Amt wirklich will.
Befähigung und Wille - das sind gute Voraussetzungen, den durch Horst Köhler angerichteten Schaden schnell zu reparieren. Sie markieren, wenn sich Wulff in der Bundesversammlung gegen seinen hochnoblen Gegner Joachim Gauck durchsetzt, den Startpunkt eines starken Präsidenten.
Angela Merkel und Ursula von der Leyen, Deutschlands derzeit stärkste Frauen, hat Wulff mit seinem Macht-Manöver düpiert. Und dennoch sind auch sie Gewinnerinnen der zähen Kandidatensuche. Die Kanzlerin wird behaupten, Wulff sei ihr Vorschlag gewesen, ein Schwergewicht mit viel Erfahrung und damit genau der Kandidat, der gefordert war. Zwar hat Merkel ihre wahre Nummer eins von der Leyen nicht durchsetzen können, dafür ist sie aber einen möglichen Nachfolger im Kanzleramt für immer los. Und die Arbeitsministerin, die die meisten Deutschen noch lieber im Schloss Bellevue gesehen hätten, ist ab sofort Reservekanzlerin.