Köhlers Rücktritt offenbart einen Mangel an Führungsfiguren.
Der Rücktritt des Bundespräsidenten wirft ein Schlaglicht auf die Berliner Republik - und die Qualität ihres Spitzenpersonals. Wer so abtritt, wie Horst Köhler es getan hat, beweist ein letztes Mal seine mangelnde Eignung für das erste Amt im Staate. Wenig verheißungsvoll ist die Debatte über Nachfolger. Da werden Personen gehandelt, die für vieles geeignet scheinen, nicht aber unbedingt für das Amt des Präsidenten. Wo ist eine über den Niederungen der Parteipolitik stehende Führungsfigur, wo ist ein neuer Richard von Weizsäcker, ein Roman Herzog, ein Johannes Rau?
Mit diesen Fragen verfestigt sich der Eindruck, die politische Elite des Landes sei insgesamt ausgezehrt, und der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber habe recht behalten. Er hatte damals die Oppositionsführer Guido Westerwelle und Angela Merkel als "Leichtmatrosen" bezeichnet - und die Regierenden Gerhard Schröder und Joschka Fischer von diesem Urteil ausdrücklich ausgenommen.
Während sich schwere Stürme zusammenbrauen - ob Eurokrise, Rezession oder gigantische Haushaltsdefizite -, verhalten sich viele auf der Brücke noch immer wie Schönwetterkapitäne. Ob in Hamburg oder dem politischen Berlin, es scheint vielen an Erfahrung und Können zu mangeln, das Schiff durch die Krise zu navigieren. Viele Experten sind im Ruhestand oder auf dem Weg dahin, einige freiwillig wie Roland Koch, andere abgewählt wie Peer Steinbrück, wieder andere abgedrängt wie Friedrich Merz. So unfair diese Vergleiche mit früher angesichts der derzeitigen Wucht der Probleme auch anmuten, unumstritten ist der Vertrauensverlust in die Politik. 70 Prozent der Deutschen zählen laut einer aktuellen Studie für die Bertelsmann-Stiftung nicht mehr auf die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft.
Allerdings wäre es wohlfeil, dies der Politik allein anzulasten. Sicherlich tragen die Parteien mit ihren verkrusteten Aufstiegsstrukturen eine Mitschuld. Wer kann und will sich heutzutage noch in Ortsverbänden vom Kassenprüfer zum Vorsitzenden hochdienen, um dann erst nach Jahren in die Reichweite eines Mandats zu gelangen? Jedes Land bekommt die Politiker, die es erwählt - und die sich wählen lassen. Das schlechte Ansehen der Politik und Politiker verschärft das Qualitätsproblem. Viele Deutsche erwarten an der Spitze fast übermenschliche Gestalten, Heilige ohne Fehl und Tadel, die sie dann bei kleinsten Vergehen zu Sündern machen und obendrein nur bezahlen wie Großunternehmen ihr mittleres Management. Wer die Besten in die Politik locken will, wird auch hier ansetzen müssen.