Harburg/Lüneburg/Stade. Überraschende Ergebnisse bei Kommunalwahl. In einigen Rathäusern gibt's frischen Wind und mehr Frauen.
Knapp 6,5 Millionen Stimmberechtigte sind bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen an diesem Sonntag aufgerufen, zu wählen. Dabei geht es nicht nur um die Zusammensetzung der rund 2134 kommunalen Vertretungen, sondern es stehen auch zahlreiche Bürgermeister, darunter auch in der Metropolregion Hamburg zur Abstimmung.
In insgesamt neun Städten und Gemeinden geht es darum, wer in den kommenden Jahren das Amt des Bürgermeisters ausfüllen wird. Darunter sind Buxtehude, Lüneburg, Buchholz und Rosengarten. In Seevetal bewerben sich sogar sieben Kandidaten um den freien Rathausposten. In Stade steht zudem das Amt des Landrates zur Wahl. Wer sich durchsetzt, wie die Stimmung in den Wahllokalen trotz Corona-Regeln ist und was die Kommunalwahl über die Bundestagswahl verrät: Alle Neuigkeiten gibt's hier.
News rund um die niedersächsische Kommunalwahl:
- In Harburg, Lüneburg und Stade legen Grüne zu
- Grüne Kandidatin liegt in Lüneburg vorn
- Wahlkrimi in Buchholz um Stichwahl
- In Buxtehude kommt es nicht zu einer Stichwahl
- In Tostedt gehen Amtsinhaber und CDU-Kandidat in Stichwahl
- Der Landkreis Stade hat einen neuen Landrat
- In der Elbmarsch stehen die Zeichen auf rot-grün
- Deutliches Votum bei Bürgermeisterwahl in Seevetal
- In Rosengarten kann sich Amtsinhaber durchsetzen
- Neu Wulmstorf hat einen neuen Bürgermeister
- Kopf-an-Kopf-Rennen ums Hollenstedter Rathaus
- Endspurt: In Seevetal wird gezählt
- Zeitenwechsel: Große Spannung vor Entscheidung in Lüneburg
- Beteiligung an Kommunalwahlen liegt bei 44 Prozent
- In Buchholz wird Fitness-Keller zum Wahllokal
- Wahlbeteiligung bislang niedriger als im Vorjahr
- So sind Wahlpartys trotz Corona möglich
- Wenn der Bürgermeisterkandidat beim Wählen hilft
- Bürgermeisterwahl in Rosengarten: Amtsinhaber ist optimistisch
- In Hittfeld ist das Wahllokal fest in Seniorenhand
In Landkreisen Harburg, Lüneburg und Stade legen Grüne zu
Die bisherigen Ergebnisse bei den Kommunalwahlen in den Landkreisen Harburg, Lüneburg und Stade zeigen überall die Grünen als Gewinner. Im Landkreis Harburg haben die Grünen beim Kreiswahlergebnis, soweit es bislang vorliegt, mehr als fünf Prozentpunkte dazu gewonnen. Mit fast 20 Prozent liegen sie nur noch rund 3 Prozent hinter dem Ergebnis der SPD. So ein Ergebnis kann keine andere Partei vorweisen, das ist jetzt schon deutlich. Allenfalls die Freien Wähler mit zwei Prozentpunkten und die FDP mit knapp zwei Prozentpunkten Zugewinn haben ein ebenfalls gutes Ergebnis im Plus erzielt. Signifikant ist allerdings auch das Ergebnis der AfD, die ihren Stimmenanteil im Landkreis Harburg offenbar beinahe halbiert.
Dank des starken Stadt-Ergebnisses sind die Grünen im Landkreis Lüneburg ohnehin eine stärkere Kraft als in den Nachbarkreisen. Doch mit derzeit 24 Prozent können die Grünen im Kreis Lüneburg ihr Ergebnis noch einmal um fast sieben Prozent aufstocken. CDU und SPD haben im Landkreis Lüneburg beide jeweils um die zwei Prozent verloren. Sie liegen jetzt nur noch knapp vor den Grünen, kreisweit.
Besonders interessant ist vor diesem Hintergrund das Ergebnis der Lüneburger Stadtratswahl, soweit es bislang vorliegt: Die Grünen sind im Lüneburger Stadtrat mit Abstand die stärkste Kraft, sie holen knapp 34 Prozent der Stimmen. Die SPD, lange die stärkste Partei in der Salzstadt, folgt mit 25,5 Prozent der Stimmen, die CDU abgeschlagen mit rund 19 Prozent.
Selbst im immer noch eher ländlich strukturierten Landkreis Stade sind die Grünen klarer Gewinner dieser Kommunalwahl. Nach den vorliegenden Ergebnissen haben sie um vier Prozent zugelegt, die SPD hat rund drei Prozent verloren, die CDU vergleichsweise gering nur ein Prozent. Auch hier sind die Ergebnisse in den Städten interessant: In Stade haben die Grünen um fünf Prozent zugelegt. In Buxtehude liegen sie nun nach einem Zugewinn von weiteren vier Prozentpunkten bei rund 21 Prozent. In beiden Städten haben CDU und SPD jeweils verloren.
Klar ist auch: Die AfD hat ihren Nimbus als Protestpartei ganz offensichtlich verloren. In den Städten und Kommunen in den drei Landkreisen südlich von Hamburg hat sie ihr Ergebnis praktisch halbiert.
Wahlkrimi in Buchholz um Stichwahl
Das Ergebnis von Jan-Hendrik Röhse (CDU) war in der Region mit eines der besten und doch gehörte der Wahlabend in der Nordheidestadt zu einem der spannendsten der Region. Bis spät in die Nacht war unklar, ob es zu Stichwahl kommt. Um kurz vor 22 Uhr dann das vorläufige Endergebnis: 50,1 Prozent der abgegebenen Stimmen vielen auf ihn, der damit im ersten Wahlgang im Amt bestätigt wurde.
So deutlich das Ergebnis für den Amtsinhaber so denkbar knapp fiel das Ergebnis für den zweiten aus. Am Ende fielen 25,1 Prozent der Stimmen auf Frank Piwecki (SPD) und 24,8 Prozent konnte Politikneuling Grit Weiland erringen.
Im Wahllokal bei Müsing konnte die Herausforderin, die erst spät in den Wahlkampf eingestiegen war, sogar mit 42,9 Prozent mehr Stimmen als Jan-Hendrik Röhse für sich gewinnen.
Die Wahlbeteiligung an der Bürgermeisterwahl war mit 60,7 Prozent vergleichsweise hoch.
In Tostedt gehen Amtsinhaber und CDU-Kandidat in Stichwahl
In der Samtgemeinde Tostedt muss Amtsinhaber Peter Dörsam am 26. September in die Stichwahl um den Bürgermeisterposten. Der parteilose Dörsam holte im ersten Wahlgang mit knapp 45 Prozent der Stimmen allerdings ein deutlich besseres Ergebnis als sein Konkurrent von der CDU, Rolf Aldag, der mit gut 25 Prozent auf Platz zwei landete. Jan Hinnerk Zirkel von der Wählergemeinschaft Zusammen für Tostedt landete mit 22 Prozent auf Platz 3, Charlotte Michel von der FDP holte acht Prozent. Wahlbeteiligung 57,4 Prozent.
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Dörsam, der parteilos ist, war zur Wahl mit der Unterstützung der Grünen angetreten. Wichtig sei ihm die Bürgerbeteiligung, sagte er dem Abendblatt. Der promovierte Volkswirt verweist zudem darauf, dass während seiner Amtszeit stets Haushaltsüberschüsse erzielt und Schulden abgebaut wurden. „Bei vier Kandidaten ist es ein Superergebnis so weit vorne zu liegen“, sagte Dörsam am Abend dem Abendblatt. Für die Stichwahl am 26. September ist er zuversichtlich. „Aber es kann auch noch einmal spannend werden.“
In Buxtehude kommt es nicht zu einer Stichwahl
Buxtehudes neue Bürgermeisterin ist auch die alte: Katja Oldenburg-Schmidt hat die Wahl deutlich für sich entschieden. Mehr als 66 Prozent der Wählerinnen und Wähler in der Hansestadt sprachen sich für die Amtsinhaberin aus.
Ihre Gegenkandidaten Michael Lemke, Benjamin Koch-Böhnke und Clemens Ultsch kamen mit ihren Ergebnissen nicht einmal annähernd heran. Allein der Grünen-Kandidat Lemke erzielte mit knapp 24 Prozent noch einen Achtungserfolg gegen die parteilose Bürgermeisterin. Der Linke Koch-Böhnke und Ultsch, der für Die Partei angetreten war, waren mit jeweils knapp fünf Prozent abgeschlagen. Wahlbeteiligung: knapp 52 Prozent.
Der Landkreis Stade hat einen neuen Landrat
Kai Seefried führt in Zukunft die Verwaltung des Landkreises. 55,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler entschieden sich für den CDU-Politiker aus Drochtersen. Sein Gegenkandidat von der SPD, Björn Protze, kommt auf 44,2 Prozent. Seefried war bis zum vergangenen Jahr Generalsekretär der niedersächsischen Landes CDU. Der Tischlermeister ist seit vielen Jahren im Landkreis intensiv vernetzt und bekannt. Sein Landtagsmandat wir er nun für den neuen Job aufgeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 54,6 Prozent.
In der Elbmarsch stehen die Zeichen auf rot-grün
Drei Kandidaten und Kandidatin haben sich um das Amt des Bürgermeisters der Samtgemeinde Elbmarsch beworben: Jan-Henrik Gartzen (CDU), Kathrin Bockey (SPD), Malte Krafft (Grüne) und Ulf Riek (Freie Wähler). Bei der Stichwahl am 26. September haben die Bewohner der Samtgemeinde nun noch einmal die Wahl - und zwar zwischen rot-grün.
Denn Kathrin Bockey konnte am 12. September 36,48 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Malte Krafft erreichte 29,43 Prozent, gefolgt von Jan-Henrik Gartzen (20,14 Prozent) und Ulf Riek (13,95 Prozent). Damit zieht auch Krafft in die Stichwahl ein. Die Beteiligung an der Bürgermeisterwahl lag bei 64,26 Prozent.
In Rosengarten kann sich Amtsinhaber durchsetzen
In der Gemeinde Rosengarten sind alle Stimmen für die Bürgermeisterwahl ausgezählt: Mit 54,9 Prozent ist Dirk Seidler alter und neuer Chef im Rathaus.
Er konnte sich damit gegen den unabhängigen Kandidaten Thomas Mehlbeer durchsetzen. Rund 11.000 Wahlberechtigte waren in der Gemeinde zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,2 Prozent und damit im Rosengarten deutlich höher als in anderen Kommunen der Region.
Neu Wulmstorf hat einen neuen Bürgermeister
"Ihr habt einen sehr emotionalen Bürgermeister gewählt", stellte Tobias Handtke in seiner Ansprache am Abend fest. Denn noch bevor alle Wahlbezirke ausgezählt waren, stand fest, dass sich der Sozialdemokrat deutlich gegen den Mitbewerber Thomas Wilde (CDU) durchsetzen konnte.
Am Ende konnte er 73,24 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Mit Tränen in den Augen bedankte sich Handtke bei seiner Frau und den Unterstützern. Gefeiert wird nun im Dorfkrug. Starker Verlierer: Nur wenige Minuten nachdem in Neu Wulmstorf klar ist, dass der Sieger Handtke heißt, kommt CDU-Mitbewerber Thomas Wilde zum Gratulieren zur Feierrunde dazu.
Die Wahlbeteiligung bei der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Neu Wulmstorf lag bei 54 Prozent.
Kopf-an-Kopf-Rennen ums Hollenstedter Rathaus
Denkbar knapp hat Heiner Albers die Bürgermeisterwahl in Hollenstedt gewonnen. Er bekam 50,8 Prozent der Stimmen, seine Herausforderin Kerstin Markus erhielt 49,2 Prozent.
Markus gehört zum Verwaltungsteam der Samtgemeinde und war, wie berichtet, gegen ihren Chef angetreten. Am Ende trennten 103 Stimmen die beiden Bewerber um das Amt. Bei den Briefwählern war das Ergebnis mit 50,4 zu 49,6 Prozent der abgegebenen Stimmen noch knapper. Wahlbeteiligung: 62,7 Prozent.
Deutliches Votum bei Bürgermeisterwahl in Seevetal
Emily Weede geht klar als Favoritin aus dem Rennen um das Bürgermeisteramt in Seevetal hervor. Das stand schon früh am Wahlabend fest. Das Endergebnis ließ dagegen auf sich warten. Erst um 21.43 Uhr war auch der letzte der 56 Wahlbezirke ausgezählt. Das vorläufige Endergebnis: Emily Weede (40,75 Prozent), Manfred Eertmoed (19,11 Prozent), Timo Röntsch (Freie Wähler, 16 Prozent), Thilo Bock (Grüne, 13,07 Prozent), Jens Schnügger (FDP, 5,28 Prozent), Henning Schwieger (AfD, 3,87 Prozent) und Tim Färber (parteilos, 1,88 Prozent).Wahlbeteiligung. 54,79 Prozent.
Nach der Hälfte der ausgezählten Wahllokale führte Weede bereits mit über 40 Prozent. Sie geht in die Stichwahl am 26. September und könnte damit der Amtsinhaberin Martina Oertzen folgen, die den Abend im Veranstaltungszentrum Burg gespannt verfolgte.
Emily Weede (CDU) ist vor allem bekannt durch ihren Einsatz für die Wassermühle Karoxbostel. Als erste Vorsitzende des Mühlenvereins sorgte die 58-Jährige dafür, dass das Denkmal-Ensemble seit 2012 wieder aufgebaut und als vielfältiger Lernort wiederbelebt wurde. Emily Weede ist mit 19 Jahren in die CDU eingetreten und wohnt noch heute auf einem Biohof in Karoxbostel wohnt.
Neben Weede wird Manfred Eertmoed (SPD) in die Stichwahl um den Rathausposten in der Gemeinde Seevetal ziehen, die bundesweit einwohnerstärkste Gemeinde ohne Stadtrechte ist. Manfred Eertmoed war zuletzt Bürgermeister in Ostfriesland und organisiert jetzt als Bildungsreferent Seminare bei der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik.
Grüne Kandidatin liegt in Lüneburg vorn
Um 21.10 Uhr steht fest: Die große Gewinnerin bei der Oberbürgermeisterwahl in Lüneburg ist Claudia Kalisch (Grüne). Sie erreichte 33,72 Prozent der Stimmen, gefolgt von dem Parteilosen Heiko Meyer, der auf 22,84 Prozent kam. Beide treten in zwei Wochen in einer Stichwahl gegeneinander an.
Überraschend deutlich blieb Pia Steinrücke (für die SPD) zurück, die 17,97 Prozent erreichte. Monika Scherf (CDU) holte ähnliche 18,43 Prozent. Die weiteren vier Kandidaten erreichten jeweils niedrige einstellige Werte: Michèl Pauly (Linke, 3,45 Prozent) und die unabhängigen Kandidaten Ann Katrin Hoffmann (1,01 Prozent), Don William Kerber (1,10 Prozent) und Andreas Meihsies (1,60 Prozent).
Die Wahlbeteiligung lag bei 55,54 Prozent.
Claudia Kalisch stellt sich auf eine Stichwahl in zwei Wochen ein: „Lasst uns jetzt nochmal alles geben“, sagte sie in ihrer Rede bei der Grünen-Wahlparty. „Die nächsten beiden Wochen werden unsere beiden Wochen.“
Heiko Meyer (parteilos) sagte am Abend: „Ich freue mich über das Ergebnis und darüber, dass wir das geschafft haben, auch ohne Parteiapparat im Rücken.“
Pia Steinrücke war als eine Favoritin ins Rennen gegangen, doch am Wahlabend hat sie nur knapp 18 Prozent errungen (Stand 20.40 Uhr). „Das ist natürlich nicht erfreulich“, sagte die Parteilose, die für die SPD angetreten war. Seit Februar sei man im Wahlkampf sehr präsent gewesen und habe auf soziale Themen gesetzt. „Aber die Lüneburger haben anders entschieden. Jetzt geht es darum, die sozial-ökologische Wende einzuleiten.“ Dass sie daran gern weiter mitwirken wolle, machte Steinrücke deutlich. Sie stehe weiterhin als Sozialdezernentin der Hansestadt zur Verfügung. „Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen. Denn die Stadt liegt mir am Herzen.“
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Auch für die CDU-Kandidatin Monika Scherf reichte es nur für rund 18 Prozent (Stand 20.40 Uhr). „Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht, aber ich war auch auf ein solches Ergebnis vorbereitet und kann gut damit umgehen.“ Einen Grund für das schlechte Abschneiden sieht sie in der Kandidatur Heiko Meyers. Der parteilose Kandidat, der als „Wählergemeinschaft Heiko Meyer“ angetreten war, habe im gleichen Wählerbereich gefischt, das habe sie offenbar Stimmen gekostet.
Beteiligung an Kommunalwahlen liegt bei 44 Prozent
Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen hat die Wahlbeteiligung am späten Nachmittag angezogen und sich dem Niveau von 2016 angenähert. Nach Angaben der Landeswahlleitung in Hannover setzten rund 44 Prozent der Wahlberechtigten bis 16.30 Uhr ihre Kreuze in den Lokalen. Vor fünf Jahren sind es circa 44,3 Prozent gewesen.
Eine Mitarbeiterin der Landeswahlleitung betonte, dass in die Erhebung nur jeder Gang zur Urne einfließe, nicht aber die Briefwahl berücksichtigt werde. Wegen der Corona-Pandemie stimmten überdurchschnittlich viele Menschen per Brief ab, wie einige Kommunen bereits mitgeteilt hatten. Eine Stichprobe der Landeswahlleitung ergab, dass im Schnitt 23,2 Prozent der Wahlberechtigten dieses Mal Briefwahlunterlagen beantragt hatten. Eine Vergleichszahl zu den vergangenen Kommunalwahlen lag nicht vor.
Endspurt: In Seevetal wird bereits gezählt
Normalerweise sind die Angestellten der Apotheke Hittfeld sechs Tage die Woche in der Burg Seevetal, um Corona-PCR-Tests und Schnelltests anzubieten. Doch an diesem Sonntag machen sie für die Kommunalwahl eine Ausnahme. Getestet wird von 17 bis 20 Uhr, damit Interessierte danach die Ergebnisse der Wahl im großen Saal verfolgen können. Im Dienst sind Krankenschwester Susanne Saaba und die Steuerfachangestellte Jenny Reyder, die vom Robert-Koch-Institut geschult und zertifiziert wurde.
Die 14 Teams, die in der Burg Seevetal die Briefwahlunterlagen auswerten, kommen am Abend auf die Zielgerade. „Wir haben schon 400 der 500 Umschläge gezählt“, sagt Josef Brand, der Kämmerer der Gemeinde. In einer Stunde schließen die Wahllokale. Brand führt ein Team mit sieben Mitgliedern, die alle aus der Gemeindeverwaltung kommen.
Die Briefwahl umfasst alle vier Wahlen, die in der Gemeinde anstehen. Zuerst werden aber die Stimmen für das Amt des künftigen Bürgermeisters ausgezählt. Es gibt sieben Kandidaten. Bürgermeisterin Martina Oertzen tritt nicht wieder zur Wahl an.
17.45 Uhr: Martina Oertzen, die noch amtierende Bürgermeisterin, kommt in die Burg Seevetal. Sie will jetzt die Ergebnisse dort verfolgen und schauen, wer sich als Kandidat durchsetzt.
Ehemann Christian hatte seiner Frau eine WhatsApp-Nachricht geschrieben: „Weißt Du noch vor acht Jahren? Wenn Du mich jetzt brauchst, bin ich sofort da.“ Acht Jahre lang war Oertzen Bürgermeisterin für Seevetal. Ende ist am 31. Oktober. „Es gab keinen Tag, an dem ich nicht gern gekommen bin.“
Zeitenwechsel: Große Spannung vor Entscheidung in Lüneburg
Wie die Wahl in Lüneburg auch ausgeht, eines steht bereits jetzt schon fest: Es brechen neue Zeiten im Rathaus der Hansestadt an. Ulrich Mädge, der Helmut Kohl Lüneburgs, tritt nicht mehr an. Er ist seit dem 1. November 1991 ehrenamtlich und seit 1. Dezember 1996 hauptamtlich Oberbürgermeister der Stadt. Eine einmalige Leistung in Niedersachsen. Die großen Parteien setzen auf Frauenpower und schicken Kandidatinnen ins Rennen um seine Nachfolge.
Das erste Ergebnis von 96 Wahlbezirken ging um 18.19 Uhr an eine Frau. Die Grüne Claudia Kalisch erhielt 26,33 Prozent, gefolgt von Heiko Meyer mit 25,77 Prozent der hier abgegebenen Stimmen.
In Lüneburg gab Pia Steinrücke, parteilose Kandidatin der SPD, ihre Stimme am Morgen im Wahllokal im Hanseviertel ab. Bevor es abends zur Wahlparty der SPD im Lüneburger Gasthaus Krone geht, möchte sie den Sonntag entspannt verbringen. „Der Abend wird sicher spannend“, sagte sie. Nach einem Cafébesuch machte sie mit ihrer Tochter Louisa und Hund Bruno einen Spaziergang im nahe gelegenen Wald.
Ihre Konkurrentin Monika Scherf (CDU) hatte dieselbe Idee: Mit ihrem Mann Jürgen Scherf spazierte sie ebenfalls durch das Gebiet. Die beiden hatten den Tag in ihrem Lieblingscafé begonnen und am Mittag in der Grundschule Lüne gewählt. „Da war eine richtig lange Schlange“, erzählte die Kandidatin, die die Stimmauszählung bei der CDU-Wahlparty in der Feinschmeckerei verfolgen will.
In Buchholz wird Fitness-Keller zum Wahllokal
In Buchholz kann man zum Wählen in den Fitnesskeller von Dagmar Müsing gehen. Etwa 100 Menschen haben das Wahllokal bis zum Nachmittag besucht, sagte Müsing. Bei der letzten Bundestagswahl seien es insgesamt etwa 300 Wähler gewesen.
Schon seit über 20 Jahren baut die ehemalige Postbankangestellte zu den Wahlen ihren Fitnesskeller in ein Wahllokal um. Die Corona-Pandemie mache das Wählen umständlicher. „Es ist schwierig, die Abstände einzuhalten, dafür haben wir Absperrbänder“, sagte sie. Die große Arbeit wartet aber noch am Abend. Nach 18 Uhr zählt Müsing mit weiteren Helfern die Stimmzettel aus. „Die Kommunalwahl ist die schwierigste Wahl, weil man mehrere Stimmzettel hat“, sagte die 65-Jährige.
8765 Briefwahlunterlagen haben die stellvertretende Wahlleiterin Birgit Diekhöner und ihre Mitstreiter in den vergangenen Wochen rausgeschickt. Insgesamt sind in der Nordheidestadt 34.176 Wählerinnen und Wähler aufgerufen, ihre Stimme in einem der 30 Wahllokale und neun Briefwahllokale abzugeben.
In Buchholz steht auch das Amt des Bürgermeisters zur Wahl. Drei Kandidaten werben um die Gunst der Wähler: der Amtsinhaber Jan-Hendrik Röhse (CDU), Frank Piwecki (SPD) und Grit Weiland für die Buchholzer Liste. Der 57-jährige Amtsinhaber ging am Morgen in Begleitung seines Sohnes Justus in der Kita „Am Schoolsolt“ in Holm-Seppensen zum Wählen. Dieser ist 16 und durfte zum ersten Mal seine Kreuze bei den Kommunalwahlen machen. Ob er für seinen Vater stimmt, wollte er allerdings nicht verraten.
Die Ergebnisse präsentiert die Stadtverwaltung in der Empore von 18 bis 24 Uhr live. Coronabedingt können maximal bis zu 160 ZuschauerInnen unter Einhaltung der 3G-Regeln die Empore besuchen.
Wahlbeteiligung bislang niedriger als im Vorjahr
Die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen hat am Mittag auf 21,3 Prozent angezogen. Damit lag sie nach Angaben der Landeswahlleitung weiter unter dem Wert von vor fünf Jahren von 23,1 Prozent. Die Zahlen sind allerdings nur eingeschränkt miteinander vergleichbar, in der Erhebung wird nur jeder Gang ins Wahllokal, nicht aber die Briefwahl berücksichtigt.
Wegen der Corona-Pandemie haben überdurchschnittlich viele bereits per Brief abgestimmt. Eine Stichprobe ergab, dass im Schnitt 23,2 Prozent der Wahlberechtigten dieses Mal Briefwahlunterlagen beantragt hatten. Eine Vergleichszahl gibt es nicht.
Wie berichtet, war die Briefwahl-Nachfrage im Landkreis Harburg und Region wie in Buxtehude und Neu Wulmstorf sehr hoch. In Seevetal wurden eigens weitere Hilfskräfte zum Auszählen der Briefwahlunterlagen eingestellt. In Seevetal waren am Sonntag 35.521 Menschen zur Wahl aufgerufen. Schon zuvor hatten mehr als 9300 von ihnen, also mehr als doppelt so viele wie bei der Kommunalwahl 2016, für sich Briefwahlunterlagen angefordert.
So sind Wahlpartys trotz Corona möglich
Sie gehören zu jeder Wahl dazu: Am Abend organisieren Verwaltungen einen zentralen Treffpunkt. Zumeist im Rathaus werden die Ergebnissen präsentiert. Politiker, Bürgermeisterkandidaten und Wähler können so gemeinsam die Auszählung erleben. Doch zu Coronazeiten fallen die Wahlparty vielerorts aus. Auch die Harburger Kreisverwaltung hat sich dagegen entschieden.
Doch es gibt auch kreative Lösungen. So hat die Samtgemeinde Elbmarsch eigens einen Präsentationscontainer angemietet. Dieser steht auf dem Parkplatz vor dem Rathaus und bietet Platz für einen großen Monitor, über den die Ergebnisse angezeigt werden.
Die Jugendfeuerwehr Marschacht wird unter Einhaltung der aktuellen Corona-Regelungen für die Gäste Würstchen grillen und Getränke ausgeben. Von 18 Uhr an können Interessierte hier die Stimmauszählung zur Wahl des neuen Samtgemeindebürgermeisters verfolgen.
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Und auch in Seevetal gibt es eine Präsentation der Ergebnisse im Veranstaltungszentrum Burg. Möglich macht das ein angrenzendes Corona-Testzentrum, das extra anlässlich der Wahl geöffnet wird. Mit ersten Zwischenergebnissen aus den Wahllokalen wird bereits ab circa 18.30 Uhr gerechnet.
Die Wahllokale sind bis 18 Uhr geöffnet. Zuerst werden die Stimmen für die Bürgermeisterwahlen ausgezählt. Anschließend werden die Kreiswahlen und danach die der Gemeindewahlen, Samtgemeinde- und Ortsratswahlen ausgezählt. Mit dem Kreiswahlergebnis wird erst gegen Mitternacht gerechnet.
Wenn der Bürgermeisterkandidat beim Wählen hilft
In Neu Wulmstorf deutet sich am Nachmittag zumindest eine hohe Wahlbeteiligung an. Fast 5000 der knapp 18.000 Wahlberechtigten haben bereits per Brief gewählt und doch ist vor den Wahllokalen rund um die Grundschule an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße so viel los, als würde dort ein Volksfest gefeiert.
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Hier wurden viele Wahllokale konzentriert, weil die alte Hauptschule gerade abgerissen wird. Ein Lageplan auf dem Vorhof erläutert, in welchem Raum sich welche Lokale befinden. Nicht jeder versteht den Plan sofort, als Bürgermeister-Kandidat Tobias Handtke (SPD), der gegen Thomas Wilde von der CDU antritt, zum Wählen mit dem Fahrrad kommt, wird er daher prompt immer wieder um Hilfe gebeten, was er gerne macht. Und anstatt zu wählen, wird so ein Kommunalpolitiker zunächst zum Platzwart…
Bürgermeisterwahl in Rosengarten: Amtsinhaber ist optimistisch
Pünktlich zum sonntäglichen Glockengeläut hatte sich Dirk Seidler auf sein Fahrrad geschwungen und auf den Weg zum Wahllokal in der Nenndorfer Grundschule gemacht. Seit sieben Jahren ist der Diplom-Verwaltungswirt Bürgermeister der Gemeinde Rosengarten und er möchte das Amt für weitere fünf Jahre bekleiden. „Ich bin optimistisch, dass ich es erneut schaffen kann“, sagt der 56-Jährige.
Ob er sich gegen seinen Mitbewerber, den unabhängigen Bürgermeisterkandidaten Thomas Mehlbeer durchsetzen kann, steht frühestens gegen 20 Uhr fest. Dann, wenn die Stimmen der rund 11.000 Wahlberechtigten der Gemeinde ausgezählt worden sind.
In Hittfeld ist das Wahllokal fest in Seniorenhand
Am späteren Vormittag, so gegen 11 Uhr, waren die Wahllokale in Hittfeld fest in der Hand von Ü60. Viele kannten sich und die üblichen Gespräche – „wen hast Du denn gewählt?“ – entspannen sich schnell. Nur diesmal eben mit Maske. Im Vergleich zu früheren Jahren entschleunigte sich alles deutlich. Die Wahlhelfer ließen nicht mehr als drei Leute gleichzeitig ins Wahllokal: die „Igel“-Klasse der Grundschule Hittfeld. Es gibt auch noch „Panda“ und „Schmetterlinge“ im dem Bereich des Wahllokals I.
Draußen hingen die Wahlzettel als Muster, ausgebreitet. Die meisten Wählerinnen und Wähler guckten sie sich ausführlich an, um die Wartezeit zu überbrücken. Daneben die Zettel mit den Terminankündigungen der Ganztagsbetreuung, einschließlich Hinweis, dass sie aus Datenschutzgründen nicht abfotografiert werden dürfen. An den Wänden das Team der Ganztagsbetreuung, 17 Frauen und ein Mann und vier vergessene Kinderjacken, eine mit Minions drauf.
Im Wahllokal sah es auf den ersten Blick aus wie immer. Die beiden Kabinen mit den kleinen – seniorenuntauglichen – Kinderschulstühlen dabei, die drei Wahlhelferinnen, sogar die Gummibärchen, die es in Hittfeld bei einer Wahl immer gibt, lagen da. Allerdings nicht, wie sonst üblich, in einer großen Schüssel zum Hineingreifen, sondern in diesen kleinen Tütchen für Kindergeburtstage. Und statt des einen Stifts zum Ankreuzen gab es gleich zehn, fein säuberlich in einem Pappbecher, beschriftet mit „unbenutzt“. Nach den Kreuzen wurden sie von den Wählerinnen und Wählern in einen anderen Pappbecher – „benutzt“ – gestellt. Nach jeder Wahl wurde das Tischchen in der Kabine desinfiziert.
Mal ehrlich: Wer bei einer Wahl hilft, macht ohnehin einen tollen Job. Doch diesmal ist der Respekt noch größer.