Tostedt. Peter Dörsam stellt sich am 12. September zur Wiederwahl. Familienfreundlichkeit soll besser werden. Mögliche Stichwahl zwei Wochen später.
Für viele überraschend hatte sich Peter Dörsam vor sieben Jahren gegen Dirk Bostelmann (CDU) als Bürgermeisterkandidat durchgesetzt. Jetzt ist Dörsam der Amtsinhaber, der für eine zweite, fünfjährige Wahlperiode in der Samtgemeinde Tostedt antritt. Mit Charlotte Michel (FDP), Rolf Aldag (CDU) und Jan Hinnerk Zirkel (Wählergruppe Zusammen für Tostedt) wollen drei Konkurrenten ins Rathaus vorstoßen. Ob beim ersten Wahlgang am 12. September schon die Entscheidung fällt, ist offen. Für sie müsste ein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen einsammeln. Kommt es zu einer Stichwahl, ist sie für den Tag der Bundestagswahl am 26. September geplant. Wahlberechtigt sind in der Samtgemeinde 22.205 der insgesamt 27.500 Einwohner.
Wichtiges Thema knapp zwei Monate vor dem Urnengang sind die Voraussetzungen für einen familienfreundliche Samtgemeinde. „Kitaplätze ausbauen und eine verlässliche Betreuung von Grundschülern an den Nachmittagen“, nennt Charlotte Michel als ihre Ziele. Rolf Aldag verweist darauf, dass die Einrichtungen für Kindern schneller gebaut werden müssen und dass das Land bis 2026 vorschreibt, Grundschulen als Ganztagsschulen zu führen. „Dafür müssen wir uns jetzt Gedanken machen.“ Auch Jan Hinnerk Zirkel bereitet die Kinderbetreuungssituation Sorgen. „Die Familien haben einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Da ist es nicht hinzunehmen, dass heute mehr als 120 Plätze fehlen“, kritisiert er.
Dörsam: Schuldenabbau und sorgsame Kassenführung
Bürgermeister Peter Dörsam hält dagegen. „Die angesprochenen 120 fehlenden Plätze sind eine Momentaufnahme zum Ende des Kindergartenjahres. Nach dem Sommerferien werden wieder Plätze frei“, sagt der 55-Jährige. Familienfreundlichkeit ist auch für ihn besonders wichtig.
So soll im kommenden Jahr mit dem Bau eines neuen Kindergartens in Tostedt für sechs Gruppen begonnen werden. Im Sommer 2023 soll das Acht-Millionen-Euro-Projekt fertig sein. Ein Jahr zuvor soll in Heidenau der Bau für eine zusätzliche Gruppe und eine Krippengruppe abgeschlossen sein. Ein freier Träger soll ebenfalls vom Sommer 2022 an zwei Krippen- und eine Kitagruppe neu eröffnen, Verhandlungen laufen.
„In die Grundschule Dieckhofstraße soll ebenfalls investiert werden, um die Räume zu sanieren,“ sagt Dörsam. Ziel sei, den Brandschutz des Hauses mit dem Charme von Bullerbü zu verbessern, es barrierefrei auszubauen und zu modernisieren. Damit Fördergelder vom Bund nicht verfallen, muss das Projekt bis Ende 2023 abgeschlossen sein.
Während seiner Amtszeit sieht Dörsam Sanierung und Neubau der Grundschule Todtglüsingen für gut vier Millionen Euro und den Erhalt des Freibades im Tostedt für 3,3 Millionen Euro nach Abzug der Mehrwertsteuer als Erfolge an. Beide Projekte waren schon vor seiner Amtszeit über Jahre hinweg im Gespräch.
Zur Wahl tritt der Bürgermeister mit der Unterstützung der Grünen an, bleibt aber unabhängig, um so besser über Parteigrenzen hinweg diskutieren zu können. Wichtig bleibt für ihn die Bürgerbeteiligung. Neben Einwohnerversammlungen will er weiter regelmäßig einmal im Monat seine Sprechstunde anbieten. Der promovierte Volkswirt verweist zudem darauf, dass Tostedt während seiner Amtszeit stets Haushaltsüberschüsse erzielte und Schulden abgebaut wurden. Das sei mit Hilfe von Bund und Land auch im Corona-Jahr 2020 gelungen.
Michel: Mehr Präsenz auf der Polizeistation
Charlotte Michel, gerade als stellvertretende FDP-Kreisvorsitzende wiedergewählt, hält neben dem Ausbau der Kinderbetreuung die Innere Sicherheit für ein Thema in Tostedt. „Die Polizeistation ist am Wochenende nicht durchgehend besetzt. Einbrecher können aber rasch über die Autobahn flüchten“, sagt sie. Da wäre mehr Präsenz der Gesetzeshüter nötig. Zudem ist sie mit dem Zustand des Bahnhofs unzufrieden. „Der Fahrstuhl ist öfter kaputt und das Gebäude könnte gesäubert werden. Wie wäre es, Gespräche mit dem Eigentümer aufzunehmen und zum Beispiel eine Kulturzentrum zu eröffnen?“, fragt die 30-Jährige Wirtschaftsinformatikerin.
Michel ist Führungskraft bei Olympus in der Medizintechnik, mit der Digitalisierung vertraut und leitet den Sportverein SV Dohren mit gut 300 Mitgliedern. Gute Voraussetzungen für das Bürgermeisteramt, findet sie. „Ich biete den Menschen nun mein Herz und meine Energie an.“
Aldag: Mehr Digitalisierung für Bürger und Verwaltung
Rolf Aldag hat als Vorsitzender der größten Fraktion im Samtgemeinderat die Unterstützung der CDU, der er seit 27 Jahren angehört. Der 46-Jährige, der auch im Kreistag sitzt, ist in der Region verwurzelt, war schon mit zehn Jahren in der Jugendfeuerwehr, ist zudem im Schützen- und Sportverein. Als Kandidat will er mehr Transparenz bei der Ratsbeschlüssen. Die Bürger sollen rechtzeitig einbezogen werden. Schwerpunkt ist für ihn die Digitalisierung: Das gilt sowohl in der Verwaltung als auch für Dienstleistungen für die Bürger: „Da sind andere Gemeinden weiter.“
Mehr Gewicht soll die Wirtschaftsförderung erhalten. „Der Leerstand im Einzelhandel ist zuletzt größer geworden und die Gewerbesteuereinnahmen sind zu gering.“ Daher gelte es, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Der Bankkaufmann und Diplom-Bankbetriebswirt, der seit 2010 selbstständig Firmen berät und Finanzdienstleistungen anbietet: „Ich setze mich gern für Menschen ein. Das bringt mir Freude und Kraft.“
Zirkel: Kernstadt soll zum Treffpunkt werden
Jan Hinnerk Zirkel ist einer von drei Gründern der Wählergruppe „Zusammen in Tostedt“ mit 18 Mitgliedern. Der 36-jährige Wirtschaftsjurist arbeitet seit 2019 als selbstständiger Unternehmensberater in Hamburg.
Kommunalpolitische Erfahrungen hat er in mehr als zwölf Jahren im Gemeinderat Wistedt, wo er aufgewachsen ist und im Samtgemeinderat Tostedt gesammelt. 2018 schied er kurz vor seiner Firmengründung aus dem Samtgemeinderat aus. Mehrere Jahre war er Ortsverbandsvorsitzender der CDU, bevor er die Partei verließ. „Ich konnte mich inhaltlich nicht mehr mit ihr identifizieren.“ „Parteiprogramme spielen auf kommunaler Ebene keine Rolle. Parteien blockieren sich eher. Die Sachpolitik muss im Vordergrund stehen“, sagt Zirkel.
Wichtig ist für ihn die Attraktivität des Ortskerns. Er müsse sich als Treffpunkt eignen und gleichzeitig für Einzelhändler attraktiver werden. „Die Innenstadt darf nicht nur einen Durchfahrtsort darstellen.“ Zirkels Motto zur Kandidatur: Nicht nur meckern, sondern anpacken.“
Was aber wird, wenn Bürgermeister Dörsam nicht und einer der Herausforderer gewählt wird? Michel würde bei Olympus kündigen. Bei der Finanzberatung Aldags würde seine Mitarbeiterin den Kundenkontakt halten und bei Zirkel würde sein Partner die Firmenanteile übernehmen. Dörsam würde wieder in seinen 1994 gegründeten PD-Verlag einsteigen. Der hatte 2020 mit einem Brettspiel einen Coup gelandet. „Pictures“ wurde zum „Spiel des Jahres“ gewählt.