Neu Wulmstorf. In Neu Wulmstorf beginnen die Parteien mit der Kandidatenkür – nur die SPD hat sich bislang schon entschieden

Weil Amtsinhaber Wolf Rosenzweig (SPD) aus Altersgründen nicht wieder antritt, muss bei den niedersächsischen Kommunalwahlen im Herbst in Neu Wulmstorf auch ein neuer Bürgermeister gewählt werden. CDU und SPD sind dazu gerade in der Kandidatenkür – doch wer immer am 12. September den Chefsessel im Rathaus gewinnen wird, dürfte nicht viel Gestaltungsspielraum haben. Es sei denn, es geht ums Sparen.

SPD hat sich auf ihren Kandidaten festgelegt

Am weitesten mit der Kandidatenfindung ist derzeit die Neu Wulmstorfer SPD, die stärkste Fraktion im Gemeinderat ist. Schon länger war es ein mehr oder weniger offenes Geheimnis, dass Fraktionschef Tobias Handtke sich einen Wechsel in eine hauptamtliche Position gut vorstellen kann. Er hat zwar keine Verwaltungserfahrung, arbeitet aber bei Sport-Karstadt im Harburger Phoenix-Center und begleitet dort als Sprecher des Wirtschaftsausschusses und langjähriger Arbeitnehmervertreter den Übergang zu Sport-Scheck mit.

In diesen Tagen bekundete er nun auch offiziell seine Bewerbung um das Bürgermeisteramt und bekam durch den örtlichen SPD-Ortsverein jetzt auch den dazu notwendigen Rückenwind: „Tobias Handtke ist der absolute Wunschkandidat des Ortsvereinsvorstands“, sagt die Vorsitzende dieses Gremiums, Petra Andersen. Handtke sei jemand, der über Parteigrenzen hinweg Sympathien und Anerkennung finde, ist sie überzeugt: „Einer von uns, der genau wie viele andere die S-Bahn nutzt, in Neu Wulmstorf einkaufen geht, Fahrradfan ist und wie der Familienvater Handtke von sich selbst sagt, eben ein ganz normaler Alltagsbewältiger ist.“

Viel Lob für Handtke, der damit wohl offizieller Kandidat seiner Partei werden dürfte – auch wenn eine Mitgliederversammlung dazu Corona-bedingt noch nicht einberufen werden konnte. Ursprünglich hatte sich auch der SPD-Ratsherr und ehrenamtliche Vizebürgermeister Thomas Grambow um eine Bürgermeister-Kandidatur in Neu Wulmstorf bemüht, doch weil sich das Votum des Ortsvereins für Handtke schon länger abzeichnete, verzichtete Grambow. Kurzfristig plante er eine Kandidatur als SPD-Landrat im benachbarten Landkreis Stade, zog diese aber wieder zurück, weil sie ihm aussichtslos erschien. Nun wolle er für den Kreistag im Landkreis Harburg kandidieren, teilte der Neu Wulmstorfer Ortsverein mit.

CDU und Unabhängige Wählergemeinschaft diskutieren noch

Ein möglicher Gegen-Kandidat von der CDU zu Handtke ist inzwischen auch schon in Sicht. Laut CDU-Ortverbandschef Thomas Wilde habe der Neu Wulmstorfer CDU-Vorstand zwei Bewerber in die engere Auswahl genommen: Eine Frau und einen Mann, einmal mit Verwaltungserfahrung in behördlichen Strukturen und einmal jemand mit anderem beruflichen Background. In dieser Woche will die CDU dazu konkrete Namen nennen. Wobei man davon ausgehen kann, dass Wilde die möglichen CDU-Kandidaten für den Bürgermeisterposten professionell auswählen wird. Der Elstorfer ist Management-Partner bei einer Personalberatung in Hamburg – ein Headhunter, der Kandidaten für Stellen bei seinen Auftraggebern sucht.

Die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG) in Neu Wulmstorf ist noch nicht mit einem eigenen Kandidaten dabei. Eigentlich habe man den anderen Fraktionen vorgeschlagen, sich auf einen gemeinsamen Bewerber mit hoher Verwaltungskompetenz und ohne Parteibuch zu einigen, sagt UWG-Fraktionschef Jan Lüdemann. „Jetzt müssen wir erstmal schauen“, so Lüdemann. Klar sei aber, dass Neu Wulmstorf jetzt jemand brauche, der sich mit Zahlen auskennt. „Ich kann mir da auch gut einen Betriebswirt vorstellen“, sagt Lüdemann, der damit Bezug auf die Haushaltsplanung der nächsten Jahre nimmt.

Schwierige Haushaltslage zwingt zum sparen

Und die wird alles andere als einfach. Bei den Ausgaben und Einnahmen rechnet Kämmerer Jörg Schröder inzwischen mit einem Defizit im aktuellen Haushaltsjahr 2021 von 3,4 Millionen Euro. Noch könne dieser Fehlbetrag durch Rücklagen ausgeglichen werden, kündigte Finanzexperte Schröder jetzt im zuständigen Ausschuss des Rates an. Doch auch in den Folgejahren müsse mit Millionendefiziten gerechnet werden, so dass die Gemeinde dann ihre laufenden Ausgaben durch Kredite finanzieren müsste. „Da kommen wir in eine Schuldenspirale und die Haushalte werden so wohl auch von der Kommunalaufsicht so nicht mehr genehmigt“, sagt er. Die Politik müsse sich in diesem Jahr daher zusammensetzen und nach Einsparpotenzialen suchen, forderte er.

Doch das dürfte nicht ganz einfach sein. Zum einem werden durch die Corona-Pandemie bei Steueranteilen und Zuweisungen der Gemeinde in diesem Jahr wohl rund 1,5 Millionen Euro wegbrechen. Auf der anderen Seite stehen angesichts des kräftigen Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren Millionenausgaben für Ausbau und oder Neubau der Schulen und Kindertagesstätten in der Gemeinde an.

Dickster Posten ist dabei der Neubau der Grundschule am Moor. Vor wenigen Tagen haben mehrere Unternehmen dazu ihre Angebote abgegeben, Fertigstellung soll Anfang 2023 sein. Frühere Berechnungen der Gemeinde gingen davon aus, dass allein für diesen Neubau in den nächsten Jahren mit bis zu 26 Millionen Euro Investitionskosten zu rechnen ist. Zwar gibt es dafür Zuschüsse und Förderungen vom Landkreis und Bund – doch viel Raum für andere Wünsche neuer Rathauschefs dürfte da eben nicht bleiben.