Hittfeld. Sieben Bewerber um einen Verwaltungsposten: Das ist enorm. Aber die bevölkerungsreichste Gemeinde Deutschlands hat einige Vorzüge.
Im Wahlmonat September stehen in mehreren Gemeinden in der Region Wechsel an den Verwaltungsspitzen bevor. So werden unter anderem in Buchholz, Tostedt, Rosengarten, Buxtehude und Neu Wulmstorf die künftigen Bürgermeister gewählt. Doch während andernorts meist nur zwei, drei oder höchstens vier Bewerber gegeneinander antreten, ist das Interesse an dem Amt in der Gemeinde Seevetal ungleich höher.
Gleich sieben Kandidaten stehen auf dem Wahlzettel – allesamt neue Gesichter, da Amtsinhaberin Martina Oertzen aus persönlichen Gründen nicht erneut antritt. Allein in Lüneburg gibt es noch mehr Bewerber, die Hansestadt ist allerdings auch fast doppelt so groß wie Seevetal.
Seevetal, eine dörflich geprägte Gemeinde südlich von Hamburg
Aber was macht diese dörflich geprägte Gemeinde südlich von Hamburg so attraktiv für die Bewerber? Ein wichtiger Grund ist sicher ihre ungewöhnliche Größe, auch die gute Autobahnanbindung und die Nähe zur Großstadt Hamburg sprechen für Seevetal. Aus diesen Vorteilen ergeben sich besondere Wachstums- und damit verbundene Gestaltungschancen, die die Gemeinde für einen künftigen Verwaltungschef oder eine künftige Verwaltungschefin interessant machen.
Als größte Flächengemeinde Deutschlands umfasst Seevetal ein Gebiet von rund 105 Quadratkilometern. Ende 2020 lebten 41.889 Menschen in Seevetal. Damit ist sie deutschlandweit die einwohnerstärkste Gemeinde, die nicht zugleich den Status einer Stadt hat. Das hat nicht unerhebliche Auswirkungen auf das Einkommen des Bürgermeisters. Wer künftig an ihrer Spitze steht, wird nach Besoldungsgruppe B 6 bezahlt. Das entspricht in Niedersachsen einem monatlichen Gehalt von rund 10.000 Euro.
Die Größe hat ihren Hintergrund in einem Zusammenschluss, der sich im kommenden Jahr zum 50. Mal jährt. 1972 entstand die Gemeinde Seevetal aus 19 zuvor selbstständigen Gemeinden. Diese Gemeindeteile sind heute in sechs Ortschaften rund um Hittfeld, Fleestedt, Maschen, Meckelfeld, Over und Ramelsloh gebündelt, die wiederum aus verschiedenen Ortsteilen bestehen. Dieser dörfliche Charakter macht Seevetal für viele Menschen lebenswert, in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Einwohner um etwa 2000 gestiegen.
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Eine mindestens ebenso große Bedeutung für das Wachstum der Gemeinde hat die direkte Anbindung an die Autobahnen A 1, A 7 und A 39, die wiederum am Horster Dreieck sowie am Maschener Kreuz miteinander verbunden sind. Diese Infrastruktur ermöglicht es vielen Seevetalern, relativ schnell zur Arbeit nach Hamburg zu pendeln. Zudem gibt es Bahnverbindungen in Richtung Hamburg, Hannover und Bremen sowie drei Bahnhöfe in Hittfeld, Meckelfeld und Maschen.
Steigende Immobilienpreise in Hamburg rücken Umland in Blick
Angesichts stetig steigender Immobilienpreise in Hamburg rückt zudem das Umland zunehmend in den Blick von Umzugswilligen. In Seevetal haben sie zudem eine gute Auswahl an Schulen, wenn auch die Kitaplätze trotz neu errichteter Einrichtungen weiterhin knapp sind. Auch sind mehrere Seniorenwohnanlagen in Bau oder in Planung. Mit den Krankenhäusern in Winsen, Buchholz und Harburg ist zudem die Gesundheitsversorgung gut aufgestellt.
Ein mögliches weiteres Wachstum stößt bei vielen Seevetalern jedoch nicht nur auf Zustimmung. Sie befürchten eine Verstädterung der Region, eine fortschreitende Versiegelung der Böden durch neue Baugebiete und auch in der Gemeinde noch weiter steigende Immobilienpreise.
Diesen Sorgen begegnen einige der sieben Bürgermeisterkandidaten, von denen immerhin sechs aus Seevetal stammen, indem sie versprechen, sich für ein behutsames Wachstum mit Augenmaß einzusetzen. Doch ganz verzichten kann die Gemeinde auf neue Bewohner nicht, ist der Zuzug von Menschen und die Ansiedlung von Unternehmen doch verbunden mit für die Gemeinde überlebenswichtigen Steuereinnahmen.
Trotz Attraktivität birgt Seevetal enorme Herausforderungen
Denn trotz ihrer Attraktivität birgt die Gemeinde Seevetal enorme Herausforderungen für einen künftigen Bürgermeister. So muss vor allem die finanzielle Schieflage bewältigt werden, was durch die geplante Sanierung der Decatur-Brücke, auch wenn diese umfassend gefördert wird, nicht einfacher wird. Durch die Corona-Pandemie sind erwartete Einnahmen durch Gewerbe- und Einkommensteuer in erheblicher Höhe weggefallen.
Wer auch immer von 1. November an die Führung des Hittfelder Rathauses übernimmt, wird für die künftige Entwicklung der Gemeinde Seevetal einiges an Ideenreichtum, Motivationstalent, Verhandlungsgeschick und Pragmatismus mitbringen müssen.
Am 12. September wird gewählt:
- In der Gemeinde Seevetal wird am 12. September 2021, zeitgleich mit der Kommunalwahl, ein neuer Bürgermeister für die kommenden fünf Jahre gewählt. Martina Oertzen (CDU), die das Amt seit 2013 inne hat, tritt aus persönlichen Gründen nicht erneut an.
- Zur Wahl stehen mittlerweile sieben Kandidaten: Manfred Eertmoed (SPD) aus dem Landkreis Aurich, Emily Weede (CDU) aus Karoxbostel, Thilo Bock (Grüne) aus Meckelfeld, Timo Röntsch (Freie Wähler) aus Woxdorf bei Hittfeld, Jens Schnügger (FDP) und Tim Färber (parteilos) aus Fleestedt und Henning Schwieger (AfD) aus Salzhausen.
- In Niedersachsen werden Hauptverwaltungsbeamte wie Bürgermeister und Landräte direkt gewählt. Erhält kein Bewerber auf Anhieb mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten. Dann gewinnt der- oder diejenige mit relativer Stimmenmehrheit. Kandidieren darf, wer mindestens 23 Jahre alt aber noch nicht 67 Jahre ist, die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines anderen EU-Landes besitzt