Buxtehude. Der 33-jährige Bankkaufmann hat das Rathaus in Buxtehude im Visier. „Ich mach’s billiger“, lautet sein Slogan

Beim Fototermin in der Buxtehuder Altstadt kommt unvermittelt eine ältere Frau auf ihn zu. „Sie sind doch der mit diesen Plakaten? Die finde ich ja so witzig und gut“, lobt sie und Clemens Ultsch lächelt etwas verlegen, bedankt sich. 2014 ist der 33-jährige Bankkaufmann mit seiner kleinen Familie in die Estestadt gezogen und kandidiert jetzt zur Kommunalwahl am 12. September gleich um den Bürgermeisterposten im Rathaus.

Die amtierende und parteilose Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt setzt hier auf Wiederwahl und wird dabei von SPD und CDU unterstützt. Aussichtsreicher Herausforderer ist Grünen-Fraktionschef Michael Lemke, Linken-Politiker Benjamin Koch-Böhnke will es ebenfalls werden. Und nun eben auch Ultsch von der Satirepartei „Die Partei“.

Ernsthaft?

Titanic-Redakteure gründeten die Satirepartei

„Ich mach`s billiger“, steht auf manchen der Plakate mit seinem Bild. „Das kommt hier alles weg“, auf einem weiteren, das über den Schildern anderer Parteien aufgehängt ist. Ganz im Stil der 2004 von Redakteuren der Satirezeitschrift Titanic gegründeten Partei, die zuvor schon „Wahlkampfauftritte“ absolviert hatten. Beispielsweise „verkleideten“ sich Titanic-Leute als Wahlhelfer der bayrischen SPD. „Wir geben auf“, stand auf dem vermeintlichen Wagen der Genossen.

C&A-Anzüge gehören zur Standardbekleidung

Seitdem tragen Funktionsträger der Partei wie Ultsch bei ihren Auftritten stets graue, günstige C&A-Anzüge, dazu hellblaue Hemden und rote Krawatten. So gekleidet machen sie dann mit sarkastisch überspitzen und meist absurden Forderungen auf sich aufmerksam ¬– und manche echte populistische Politik lächerlich. Satire eben. In Buxtehude fordert

Die Partei beispielsweise, dass das Museumsschiff Ewer Margareta für die Seenotrettung umgebaut wird. 2025 soll die Stadt zudem einen Kandidaten für den europäischem Songwettbewerb ESC aufstellen, sagen Ultsch und seine Parteifreunde und verbuchen das als Förderung von Kunst und Kultur. „Dahinter steckt aber immer eine echte Kritik“, sagt Ultsch.

Museumsschiff soll Seenot-Rettungsschiff werden

Mit der absurden Forderung zum Umbau des Denkmalschiffs beispielsweise wird die aus ihrer Sicht mangelnde Unterstützung von Flüchtlingen aus Seenot kritisiert. Gerne schießt die Partei auch gegen Rechtsextreme. „Nazis töten.“, heißt es auf einem Plakat in Buxtehude, für das Ultsch bereits kritisiert wurde. „Das ist natürliche keine Aufforderung, der Punkt ist wichtig“, sagt er und weiß, dass Satire ein schmaler Grat sein kann.

Ultsch steht für eine eher rotgrüne Politik

Das was bekommt jemand, der Ultsch zum Bürgermeister oder in den Rat wählt tatsächlich außer ein paar satirischen Überspitzungen? Vermutlich eine grüne und eher linke Politik, wie der politische Newcomer bestätigt, der bisher noch nicht für ein solches Amt kandidiert hat. 2019 erst ist er in die Politik gegangen, weil er etwas bewegen wollte, wie er sagt. Grüne oder Linke – das waren zunächst die Optionen für ihn. Günstiger Wohnraum, mehr Klimaschutz, Bekämpfung sozialer Ungleichheit: Das sind auch seine Themen.

„Doch da wäre ich in starre Schablonen der Parteien gekommen“, sagt er. Lieber gründete er selbst einen neuen Ortsverband seiner Partei mit jetzt 22 Mitgliedern. So kann er seine politische Agenda umsetzen und gleichzeitig seine „zutiefst sarkastische Ader“ mit Gleichgesinnten pflegen. Mancher davon findet es vor allem lustig, so Politik zu machen, aber der Kern dahinter, der sei eben auch da, sagt Ultsch.

Lebenslauf prägt seine Einstellung

Bei ihm steckt hinter der politischen-satirischen Sicht auf die Dinge viel Erfahrung aus dem eigenen Lebenslauf. Die Eltern kommen aus Ostberlin, sein Vater fand nach der Wende in Hamburg einen Job und holte die Familie nach. Als das Wohnen in der Stadt zu teuer wurde, zog sie nach Heidenau in den Landkreis Harburg. Hier wuchs Ultsch auf, ging zur Schule und machte schließlich die Ausbildung zum Bankkaufmann, heute arbeitet er bei einem großen Institut in Hamburg als Kunden-Betreuer. Früh mit 22 Jahren ist er aber auch Vater geworden und wohnte zunächst noch während der Ausbildung in einer kleinen Wohnung auf 42 Quadratmetern mit Frau und kleiner Tochter in Harburg in der Bremer Straße.

 „Ich weiß, wie es ist, wenn es mit dem Geld knapp wird“, sagt Ultsch, der nicht glaubt, dass er mit seiner Kandidatur nun Grünen und Linken soviel Konkurrenz machen wird, das andere davon profitieren, die ihm politisch vielleicht nicht so nahestehen. „Wir sprechen eher Wähler an, die sonst nicht wählen“, sagt er. Und wenn doch, sei das auch kein Problem. „Man kann mit uns arbeiten“, verspricht Ultsch. Man muss dann eben nur Spaß verstehen