Lüneburg. Stadt bekommt wohl die erste Oberbürgermeisterin ihrer Geschichte. Schon jetzt sitzen viele Frauen auf Chefposten.

Lüneburg wird weiblicher: Zwei wichtige Posten in der Stadt werden in den nächsten Monaten aller Voraussicht nach zum ersten Mal mit einer Frau besetzt. Die für die Außenwirkung der Stadt wichtige Lüneburg Marketing GmbH bekommt am 1. Januar erstmals eine Chefin, und für die Oberbürgermeisterwahl am 12. September schicken die drei großen Parteien jeweils eine Kandidatin ins Rennen.

Jahrzehntelang hat ein Gesicht die Stadt regiert und geprägt: Ulrich Mädge, der Helmut Kohl Lüneburgs. Wer erst in den 90er-Jahren in die schnuckelige Kleinstadt zog, kennt keinen anderen Verwaltungschef als ihn. Gebürtig aus Vienenburg am Harz und als Zeitsoldat nach Lüneburg gekommen, ist der Di­plom-Verwaltungswirt seit 1. November 1991 ehrenamtlich und seit 1. Dezember 1996 hauptamtlich Oberbürgermeister der Stadt. Mädge nimmt damit eine einmalige Spitzenposition in Niedersachsen ein: Niemand sonst ist schon so lange hauptamtlicher Oberbürgermeister einer Stadt – schließlich gibt es das Amt in dieser Form erst seit 1996, und es gibt niemanden sonst, der seither im Dienst ist.

Alle drei großen Parteien schicken eine Frau ins Rennen

Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg ist zwar mit seiner Amtszeit von 1972 bis 2006 unbestritten derjenige, der am längsten ununterbrochen im Amt war; doch eben nicht im Hauptamt. In diesem Jahr stellt sich der Sozialdemokrat Ulrich Mädge (71) zum ersten Mal nicht mehr zur Wahl. Aus Altersgründen dürfte er es laut Kommunalrecht auch gar nicht. Und am 1. November wird wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt eine Frau die Tür des Oberbürgermeisterbüros aufschließen. Schließlich schicken alle drei großen Parteien in Lüneburg eine Frau ins Rennen.

 Claudia Kalisch ist die Bewerberin der Grünen.
Claudia Kalisch ist die Bewerberin der Grünen. © Unbekannt | Hans-Juergen Wege

Für SPD und CDU ist das ein Novum. Falls die Kandidatin von Mädges eigener Partei die meisten Stimmen erhält, ist Folgendes interessant: Auf den eingefleischten Sozialdemokraten, seit 1979 Mitglied der Partei, folgt dann eine Frau, die zwar für die SPD angetreten, aber selbst parteilos ist. Die Verwaltung kennt sie dafür umso besser: Pia Steinrücke (48) studierte Sozialarbeiterin, ist seit 2015 Sozialdezernentin der Hansestadt, Chefin eines 600-köpfigen Ressorts.

CDU tritt mit Monika Scherf an

Die CDU geht ebenfalls mit einem echten Verwaltungsprofi ins Rennen: Für die Christdemokraten tritt Monika Scherf an. Die Diplom-Ingenieurin (57) ist Leiterin des 180 Mitarbeiter starken Amtes für regionale Landesentwicklung in Lüneburg, war zuvor lange Jahre Kreisrätin im Landkreis Lüneburg und zuletzt Kreisrätin im Landkreis Harburg. Anfang 2018 trat sie in die CDU ein – 2013 hatte sie noch als parteilose Kandidatin für die CDU als Landrätin in Lüneburg kandidiert.

Für die Grünen tritt Claudia Kalisch an (49), seit 2016 Samtgemeindebürgermeisterin in Amelinghausen im Landkreis Lüneburg. Sie folgte dort dem Ulrich Mädge Amelinghausens: Ihr Vorgänger Helmut Völker war fast 30 Jahre Verwaltungschef, bevor er drei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit in den Ruhestand ging.

Natürlich treten auch Männer an bei der Wahl. Heiko Meyer, parteilos, geht mit seiner „Wählergemeinschaft Heiko Meyer“ ins Rennen. Meyer ist in Lüneburg bekannt als langjähriger Vorsitzender des Vereins Lüneburger Citymanagement e. V., war ab 2016 parteilos für die SPD im Rat der Stadt und trat 2020 aus der Fraktion aus.

Weitere Kandidaten für den Chefsessel im Rathaus

Ein kommunalpolitisches Urgestein ist Andreas Meihsies: Der ehemalige Grüne war etliche Jahre Mitglied im Rat der Stadt Lüneburg, eine Legislaturperiode lang auch Landtagsabgeordneter. Der Postbeamte trat 2016 aus der Partei aus und kandidiert als parteiloser Einzelbewerber.

Weitere Kandidaten sind das ehrenamtliche Ratsmitglied und Fraktionschef Michèl Pauly (Die Linke) sowie der parteilose Einzelbewerber Don William Kerber. Kommunalpolitisch ist Kerber bislang nicht auf die Bühne getreten – genauso wie die vierte Frau in der Runde, die Einzelbewerberin Ann Katrin Hoffmann.

Monika Scherf geht für die CDU ins Rennen um das Bürgermeisteramt.
Monika Scherf geht für die CDU ins Rennen um das Bürgermeisteramt. © Monika Scherf | Monika Scherf

Auch an einem zweiten sehr prominenten und wichtigen Schreibtisch der Stadt kündigt sich ein bereits Wechsel an: Mit Melanie-Gitte Lansmann wird zum ersten Mal eine Frau den Leitungsposten der Lüneburg Marketing GmbH übernehmen. Das Amt hatte sich in den vergangenen Jahren als eine Art Garant für schnelle Jobwechsel erwiesen: Die Vorgänger der jetzigen Chefin des Citymanagements Harburg e. V. sowie des Channel Hamburg e. V. in Harburg waren allesamt nur kurze Zeit im Amt. Lansmann (52) ist Diplom-Betriebswirtin und übernimmt die Position am 1. Januar.

Stadtverwaltung würde mit einer weiblichen Spitze ein Rathaus der Chefinnen werden

Die mögliche Oberbürgermeisterin und die Marketingchefin gesellen sich nicht nur zu anderen weiblichen Führungskräften des städtischen Lebens: Museumsdirektorin Prof. Dr. Heike Düselder, Superintendentin Christine Schmid und der zukünftigen Leiterin des Salzmuseums Dr. Toby Hentschel. Auch die Lüneburger Stadtverwaltung selbst würde mit einer weiblichen Spitze ein Rathaus der Chefinnen werden: Von der Ersten Stadträtin Gabriele Lukoschek über die Stadtbaurätin Heike Gundermann zur OB-Bürochefin Stefanie Kibscholl, Tiefbauamtsleiterin Uta Hesebeck und Kulturreferentin Katrin Schmäl.

Pia Steinrücke, Bewerberin für die SPD. 
Pia Steinrücke, Bewerberin für die SPD.  © Unbekannt | Andreas Tamme

Sie alle waren in ihren Posten auf Männer gefolgt. Gebäudewirtschaft, Stadtentwicklung, Projektmanagement, Sport, Bauverwaltung, Baurecht, Stadtsanierung, Bürgeramt: All diese Bereiche werden von Frauen geleitet. Und die Geschäfte des wichtigsten sozialen Wohnungsbauunternehmens Lüwobau, einer Tochter der Stadt, führt übrigens seit fast 20 Jahren eine Frau.