In Kiel demonstrierten rund 300 Mediziner. Für bestreikte Kliniken in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden Notdienste eingerichtet.
Kiel/Hannover. Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in Deutschland wollen weiter unbefristet streiken. Das habe das Bundesstreikkomitee am Donnerstag beschlossen, sagte der Verhandlungsführer der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Lutz Hammerschlag, in Kiel vor rund 300 protestierenden Ärzten. „Wir werden ohne Pause diese Streiks weiterführen, bis die Arbeitgeber ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen.“
In Schleswig-Holstein wurde an 13 von 18 kommunalen Klinik-Standorten gestreikt. Es gab nach Angaben des Marburger Bundes Notdienste. Diese wurden auch in Niedersachsen eingerichtet, wo Mediziner vor allem in der Region Hannover, aber auch in Wolfsburg, Oldenburg, Stade und Lüneburg ihre Arbeit niederlegten.
Die bundesweiten Ausstände hatten am Montag begonnen, nachdem die Tarifverhandlungen im April gescheitert waren. Die Ärzte fordern neben fünf Prozent mehr Gehalt vor allem besser bezahlte Bereitschaftsdienste. Die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber lehnt das mit Blick auf die Finanzkrise und die klammen Haushalte der Kommunen ab.
Bereitschaftsdienste bestünden nicht darin, 50 Prozent der Zeit zu schlafen, sagte Hammerschlag. Der Zuschlag für Nachtdienste liege bei 1,28 Euro pro Stunde. „Kein Handwerker würde aus dem Bett steigen für 1,28 Euro – mitten in der Nacht.“
In Kiel demonstrierten rund 300 Mediziner aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen. Mit Trommeln und Trillerpfeifen zogen sie durch die Innenstadt bis zum Sitz des Kommunalen Arbeitgeberverbandes. „Stopp den Lohnbetrug für Bereitschaftsdienste“ und „Nachts schlafen wir nicht“ stand auf Plakaten. Auch in Stuttgart gingen etwa 1500 Ärzte auf die Straße.
Im Norden seien mehrere hundert Ärzte im Ausstand, sagte der Geschäftsführer des Marburger Bundes Schleswig-Holstein, Daniel Arp. „Große Heerscharen können gar nicht streiken, weil sie so stark durch die Notdienste gebunden sind.“ Streiks gab es unter anderem an Kliniken in Oldenburg, Kiel, Neumünster, Heide, Eutin, Pinneberg und Elmshorn.
In Niedersachsen weitete sich der Ärztestreik auf kommunale Kliniken in Wolfsburg, Oldenburg,Stade und Lüneburg aus, sagte der Geschäftsführer des Marburger Bunds Niedersachsen, Wolfgang Boss, am Donnerstag. „Die Streikbereitschaft hat deutlich zugenommen.“ In den betroffenen Krankenhäusern seien Notdienste eingerichtet, nicht eilige Operationen schon im Vorfeld verschoben worden. Landesweiter Schwerpunkt der Proteste ist nach wie vor die Region Hannover. Dort mussten in den kommunalen Kliniken insgesamt 350 Operationen verlegt werden.
Zu Engpässen sei es dadurch aber nicht gekommen, sagte der Sprecher des Klinikums Region Hannover. In der Landeshauptstadt trafen sich am Donnerstagmorgen nach Angaben der Ärztegewerkschaft rund 100 Mediziner zu einer Protestaktion, 30 Ärzte seien im Anschluss zu einer Kundgebung nach Kiel gereist. Beim Marburger Bund rechnet man derzeit nicht mit einem schnellen Ende des Streiks.
„Wir stellen uns auch für die nächste Woche darauf ein“, sagte Boss. Der Gewerkschaftschef zeigte sich zufrieden mit der bisherigen Resonanz der Beteiligten. „Wir hatten ja im Vorfeld gehofft, dass uns der Streik erspart bleibt“, sagte er. „Aber es läuft besser als erwartet.“ Mehrere hundert Ärzte hätten sich bislang an den Protesten beteiligt, vom kommenden Dienstag an könnten auch die Krankenhäuser in Peine, Braunschweig und Wolfenbüttel hinzukommen.
Für Mittwoch sei eine weitere Kundgebung in Bremen geplant. Die Tarifverhandlungen für die etwa 55000 Ärzte an den 700 kommunalen Krankenhäusern waren Anfang April gescheitert. Die Gewerkschaft fordert fünf Prozent mehr Gehalt. Die Arbeitgeber hatten 2,9 Prozent und höhere Vergütungen für Bereitschaftsdienste geboten.
Beide Parteien – Ärzte und kommunale Arbeitgeber – riefen am Donnerstag die andere Seite zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Dabei deutete sich bei den Arbeitgebern ein erstes Zugeständnis an. Die angebotene Laufzeit von 33 Monaten könnte verkürzt werden, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände Baden-Württemberg, Joachim Wollensak. Bislang haben die Arbeitgeber zusätzlich zu 2,9 Prozent mehr Gehalt eine Steigerung der Vergütungen für Bereitschaftsdienste angeboten hat.