Durchschnittlich fallen täglich zehn Operationen aus. Die Protestaktionen erreichen am Donnerstag zur Demonstration in Kiel ihren Höhepunkt.
Hannover/Kiel. Rund 15 000 Ärzte an kommunalen Kliniken in ganz Deutschland sind gestern nach Angaben des Marburger Bundes in den Streik getreten. In Norddeutschland aber lief der Ausstand nur schleppend an. Rund 300 Mediziner an niedersächsischen Kliniken in der Region Hannover legten die Arbeit nieder, in Schleswig-Holstein waren acht von 18 Kliniken betroffen, dort wie in Niedersachsen sollen die Aktionen erst am Donnerstag ihren Höhepunkt erreichen.
Nicht betroffen von diesem Streik ist Hamburg, aber hier gab es gestern einen Warnstreik am Diakonie-Klinikum. Die Gewerkschaft Ver.di streitet mit der Geschäftsführung darüber, ob an dieser kirchlichen Klinik überhaupt gestreikt werden darf. Das Arbeitsgericht soll die Frage nun klären.
Die wichtigste Interessenvertretung der bundesweit rund 55 000 Ärzte an den kommunalen Kliniken, der Marburger Bund, kämpft um eine Lohnerhöhung von fünf Prozent sowie bessere Arbeitsbedingungen. Laut Marburger Bund sind bereits jetzt rund 5000 Stellen von Medizinern nicht besetzt. Ohne attraktivere Arbeitsbedingungen, so warnte gestern der Chef des Marburger Bundes, Rudolf Henke, drohten den kommunalen Kliniken "schwere Versorgungsengpässe".
In Niedersachsen, so versichert Wolfgang Boss vom Marburger Bund, gebe es vor jedem Streik den Abschluss einer Notdienstvereinbarung. Dies gelte auch für die Region Lüneburg, die ab Donnerstag bestreikt werden soll. Die Ärzte im Ausstand sollen dann an einer Kundgebung in Kiel teilnehmen.
Das Klinikum Hannover als Dacheinrichtung der 13 kommunalen Kliniken der Region geht davon aus, dass täglich etwa zehn Operationen in jedem der sieben derzeit betroffenen Häuser ausfallen. "Der Krankenhausbetrieb läuft weitgehend normal", beschreibt Pressesprecher Bernhard Koch die Lage. Man habe Zeit gehabt, Patienten die Absage ihrer Operationen mitzuteilen: "Niemand wird abgewiesen, es gibt keine Warteschlangen."
Auch in Schleswig-Holstein begann der Ausstand eher langsam. Nach Angaben des Marburger Bundes gab es an acht von 18 betroffenen Kliniken Streiks, an einigen anderen Aktionen wie eine "verlängerte" Mittagspause. "In Schleswig-Holstein werden die Aktionen erst am Donnerstag ihren Höhepunkt erreichen", sagte der Landesgeschäftsführer des Marburger Bundes, Daniel Arp, dann werden zur Ärzte-Demonstration in Kiel mindestens 200 Teilnehmer erwartet. Mit dem ersten Streiktag zeigte sich Arp "zufrieden". In den privaten Sana-Kliniken in Eutin und Oldenburg legten mehr als 100 Ärzte die Arbeit nieder, in den privaten Regio-Kliniken in Pinneberg und Elmshorn wurden einzelne Stationen wie etwa die Innere Medizin bestreikt. Protestaktionen gab es nach Darstellung des Marburger Bundes auch in den Kreiskliniken Rendsburg und Eckernförde sowie am Westküstenklinikum in Brunsbüttel sowie in Niebüll. Am Städtischen Krankenhaus in Kiel und am Westküstenklinikum in Heide verlängerten Ärzte ihre Mittagspause.
Arp wies darauf hin, dass in allen Kliniken auch in den nächsten Tagen eine Notfallbesetzung eingerichtet wird. "Wer eine Operation dringend benötigt, bekommt sie auch." Bestreikt würden nur aufschiebbare Operationen. "Betroffene Patienten sollten sich rechtzeitig bei ihrer Klinik erkundigen." In einigen Kliniken wie dem Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster war vom Streik gestern nichts zu bemerken. "Alle OP-Säle sind voll", sagte Sprecherin Maren Scheer. Mit Einschränkungen rechnet sie am Donnerstag wegen der Ärzte-Demonstration in Kiel.
Versorgungsengpässe sind in Schleswig-Holstein vorerst nicht zu befürchten. Von den landesweit 84 Kliniken sind nur 18 vom Tarifstreit betroffen. Sie stellen ähnlich wie in Niedersachsen zusammen etwa ein Drittel der Betten im Land.
Den Krankenhäusern in Schleswig-Holstein geht es im Schnitt schlechter als den Einrichtungen in anderen Bundesländern. Grund: Die Kliniken haben den bundesweit niedrigsten Basisfallwert, der vor Jahren festgelegt wurde, bekommen also für eine Behandlung weniger Geld als andere Einrichtungen.