Helles Licht und Johanniskraut heben die Stimmung, Baldrian und Hopfen mildern innere Anspannung, Kneippsche Bäder regen an und stimulieren die Sinne. Zusammen helfen sie, das tiefe Tal der Depression zu überwinden.
Morgens fällt das Aufstehen schwer, der Tag liegt wie ein Berg vor Ihnen. Sie können sich auf nichts konzentrieren, Sie quälen sich mit Selbstzweifeln. Die Welt erscheint Grau in Grau, Ihnen macht nichts mehr Spaß. Ihre Seele zieht sich in ein Schneckenhaus zurück, sie wird unerreichbar für die Außenwelt. An solchen typischen Anzeichen einer Depression leidet jeder Fünfte in Deutschland einmal in seinem Leben - Frauen häufiger als Männer. Oft sind Lebenskrisen der Auslöser einer Depression. Das können der Verlust eines Partners oder Kindes, hohe Schulden oder Arbeitslosigkeit sein. Angenommen wird auch, dass ein Mangel des Botenstoffes Serotonin im Gehirn am Entstehen einer Depression beteiligt ist. Andauern kann sie Wochen bis Monate, in seltenen Fällen sogar Jahre. Depressionen werden oft fälschlich mit Traurigkeit gleichgesetzt. "Doch wenn jemand nur traurig ist, ist er nicht depressiv", erklärt Dr. Martin Bökmann, Oberarzt der Abteilung für Naturheilverfahren, Physikalische und Rehabilitative Medizin am Hamburger Klinikum Nord, Ochsenzoll. "Nur wenn weitere Symptome hinzukommen - Schuldgefühle, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen oder innere Unruhe - spricht man von Depression." Je nach Ausprägung der Krankheitszeichen unterscheiden Mediziner leichte, mittlere oder schwere Depressionen. "Schwere depressive Symptome sollte nur der Psychiater behandeln. Dabei sind Medikamente gegen Depressionen, so genannte Antidepressiva, oft unersetzbar. Zusätzlich kann eine Gesprächstherapie helfen", betont Bökmann. "Methoden der Naturheilkunde, wie zum Beispiel Licht- oder Aromatherapie, können die Behandlung höchstens unterstützen." Bei der Lichttherapie setzt sich der Patient täglich für 30 Minuten vor eine sehr helle Lampe, die speziell dafür entwickelt wurde. Die antidepressive Wirkung wird dadurch erklärt, dass das Licht den Stoffwechsel mehrerer Substanzen im Gehirn beeinflusst. Naturheilverfahren können aber bei mittelschweren Depressionen in Zusammenarbeit mit dem Psychiater und bei leichten Depressionen angewendet werden. Eine Möglichkeit ist die Verordnung eines Johanniskraut-Präparats als Alternative zu chemischen Antidepressiva. "Wenn dieses Mittel in einer hohen Dosierung von 500 bis 900 Milligramm pro Tag gegeben wird, hebt es die Stimmung des Patienten und stabilisiert ihn", erklärt der Mediziner. Die Wirkung ist eindeutig belegt, die Wirkungsweise derzeit noch nicht endgültig geklärt. Bökmann weist darauf hin, dass Johanniskrauttabletten, die in Drogerien angeboten werden, oft zu niedrig dosiert sind. Johanniskraut braucht zwei bis drei Wochen Zeit, um seine volle Wirkung zu entfalten. Außerdem kann es Nebenwirkungen haben: "In seltenen Fällen tritt bei Patienten eine erhöhte Lichtempfindlichkeit auf. Sie bekommen an Stellen, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, Rötungen und Juckreiz. Dann muss man das Medikament absetzen, und diese Symptome gehen zurück", so Bökmann. Andere Mittel, die innere Anspannung mildern können, sind Baldrian- und Hopfen-Präparate. Um sie von quälenden Sorgen und Zweifeln zu befreien, werden mit den Patienten Entspannungsübungen durchgeführt, oder ihnen wird empfohlen, autogenes Training zu erlernen. Um den depressiven Menschen aus seinem Schneckenhaus herauszulocken und seine Lebensgeister wieder zu wecken, nutzt die Naturheilkunde Methoden, die die Körperwahrnehmung beeinflussen. "Kneippsche Anwendungen mit wechselwarmen Bädern und Waschungen haben eine anregende Wirkung und können die Sinne stimulieren. Dem gleichen Zweck dienen auch Bürstenmassagen, Fangopackungen und klassische Massagen. Auch die körperliche Aktivität ist wichtig", so der Arzt. Im Hamburger Klinikum Nord werden den Patienten Bewegungsbäder und Gymnastik verordnet. "Mit all diesen Maßnahmen wollen wir erreichen, dass der Patient sich wieder spürt", erklärt Bökmann. "Außerdem wollen wir ihn dazu bringen, dass er wieder etwas Gutes für sich tut, und zwar in ganz kleinen Schritten. Für diese Patienten ist es wichtig, zunächst kleine Erfolge zu haben. Sie müssen wieder lernen, sich etwas zuzugestehen, ohne Schuldgefühle zu entwickeln. Wenn die Ziele zu groß sind, würde das Versagen wieder die Selbstzweifel bestätigen. Deswegen gilt das Motto: kleine Ziele - kleine Belohnungen." Doch um den Weg zurück ins Leben zu finden, brauchen die Patienten auch seelische Unterstützung. "Um eine Depression angemessen zu behandeln, ist außer naturheilkundlichen Methoden auch eine psychotherapeutische Behandlung durch ausgebildete Psychotherapeuten wichtig", so Martin Bökmann.