Smaragd - Ihm wird eine heilende Wirkung nachgesagt. Der Edelstein soll den Appetit anregen - eine reine Glaubensfrage? Denn für die Wirksamkeit fehlt der Beweis.
Können Naturheilverfahren auch gefährlich sein, und haben die Anwendungen ihre Grenzen? Der Leitende Arzt der Abteilung für Naturheilverfahren im Klinikum Nord, Dr. Helmut Brinkmann, hat eine eindeutige Antwort: "Die Grenze ist erreicht, wenn es ein Ungleichgewicht zwischen der Wirksamkeit und dem Risiko eines Naturheilverfahrens gibt. Und am schlimmsten ist es, wenn die Wirkung nicht bewiesen, das Risiko aber hoch ist." So harmlos, so mild und so wohltuend, wie man gerne zu glauben bereit ist, sind die Mittel der Natur denn auch nicht, jedenfalls nicht immer. Die klassischen Naturheilverfahren gehen, wie Dr. Brinkmann formuliert, von einem "weicheren Therapieansatz" aus, der allerdings viele Tücken enthält, die für den Patienten mehr Schaden als Nutzen zur Folge haben können. Es gibt Grundvoraussetzungen, die bedacht oder erfüllt sein müssen, wenn Naturheilverfahren dem Patienten helfen sollen. So sollte zum Beispiel bei ernster, lebensbedrohender Krankheit ein Naturheilverfahren nicht an die Stelle einer schnell und sicher wirkenden, zum Beispiel chemisch-medikamentösen Therapie gesetzt werden. Beim Herzinfarkt helfen keine Teemischungen und Wadenwickel nicht immer bei akuter Lungentzündung. Außerdem muss eine klare Indikation vorliegen, das heißt, der Therapeut muss wissen, bei welcher Krankheit welches Verfahren eine positive Wirkung erwarten lässt. Neben den klassischen Naturheilverfahren wie Wärme-, Kälte- und Wasseranwendungen, Ernährungstherapie, Bewegungstherapie sowie Phytotherapie, Akupunktur und Neuraltherapie gibt es eine sehr große Gruppe von Verfahren, die sich alle in einer Grauzone bewegen. Es fehlt da der wissenschaftlich belegte und überprüfte Wirkungsnachweis. Gleichwohl aber wird von Patienten über positive Erfahrungen berichtet. Zu nennen sind die Behandlungen mit Eigenblut und Eigenurin, die zwar als ungefährlich, aber auch als unzweckmäßig und völlig unzeitgemäß gelten. Der Aderlass kann richtig sein, wenn die Indikation dafür stimmt, die nicht zu weit ausgelegt werden sollte. Von der Aromatherapie weiß man, dass die Duftstoffe die Seelenlage eines Menschen beeinflussen und also das Wohlbefinden erhöhen können. Gleichwohl fehlt jeder Nachweis einer Wirkung. Als eindeutig unsinnig bewertet man die Einflüsse, die Edelsteinen nachgesagt werden, zum Beispiel, dass - wenn einem der Appetit vergangen ist - der Smaragd die Lust aufs Essen zurückbringen soll. Gefährlich und seit längerem ja auch verboten ist die (Frisch)-Zelltherapie. Chelat- und Ozontherapie haben ein hohes Anwendungsrisiko, und für Bioresonanztherapie, Irisdiagnostik, für Wünschelrute und Pendel fehlen ebenfalls Wirkungsbelege. Das Ja oder Nein zur Bachblütentherapie ist, trotz behaupteter, aber nicht belegter Wirksamkeit, noch nicht eindeutig entschieden. Sie gilt als Außenseitermethode, die bei belasteten Seelenzuständen ein wenig Linderung bringen soll. Magnetfeldtherapie? Dazu sagt Dr. Brinkmann: "Eher nicht anwenden, weil keine belegte Wirksamkeit", und das gilt auch für die Fußzonenreflexmassage, die aber ungefährlich ist und von Patienten als angenehm empfunden wird.
Wie seit Urzeiten und überall in der gesamten Heilkunde gibt es auch bei den Naturheilverfahren, mit oder ohne belegte Wirksamkeit, den Placeboeffekt, also die Möglichkeit einer suggestiven Scheinwirkung. Die ist bei allen hier aufgeführten Verfahren vorstellbar und auch beobachtet worden, wobei selbst unerwünschte Nebenwirkungen registriert wurden. Auch das Bemühen, lästige Warzen durch "Besprechen" verschwinden zu lassen, basiert eher auf Glauben oder Nichtglauben als auf dem Boden gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Der Begriff Placebo kommt aus dem Lateinischen und lässt sich übersetzen mit "Ich werde gefallen". Der behandelnde Arzt, wenn er denn dem Patienten zusagt, gilt als das Placebo mit der potentesten Wirkung. Im Übrigen ist bei der Prüfung von neuen Medikamenten der vergleichende Einsatz von Placebos sogar vorgeschrieben, und manchmal erhalten Patienten, wenn sie auf der Verordnung von Medikamenten bestehen, die der Arzt für unnötig hält, ein Placebo - quasi ein Lutschbonbon zur Beruhigung. Sollen Naturheilverfahren einen Nutzen haben, können schon ziemlich banal anmutende Dinge sehr wichtig sein. Wer etwa einen Heilpflanzentee zubereitet, sollte wissen, wie lange man den Tee ziehen lassen muss, um dessen optimale Wirkung genießen zu können oder - umgekehrt - um ihn unschädlich zu halten. Pflanzen sind oft giftig, weil sie sich in der Natur dadurch schützen - davon muss man, wenn sie genutzt werden sollen, Kenntnis haben. Die Dosierung ist bei jeder Therapie, sogar bei einem Bewegungsprogramm, ausschlaggebend. Zu viel kann schädlich sein, zu wenig bleibt dagegen wirkungslos. Jede der "sanften" Anwendungen kann man, weil das große Buch der Naturheilkunde eben eines mit sieben Siegeln ist, auch falsch anwenden. Um so wichtiger ist, dass die "sanfte Medizin" nicht in die Hände dafür nicht ausgebildeter Therapeuten oder selbst ernannter Heiler gerät. An ihre Grenzen stoßen die Naturheilmethoden immer auch dann, wenn sie nur verordnet werden, der Patient aber nicht, wie Dr. Brinkmann es ausdrücklich betont, "aufrichtig von seinem Arzt begleitet und ernst genommen wird, denn zur viel gepriesenen Ordnungstherapie gehört auch jede Form von Gesprächstherapie". Der Arzt sollte dem Patienten außer einem Naturheilmittel auch Hilfe zur Selbsthilfe geben und sein einfühlsamer Begleiter und weniger sein penetranter Ratgeber sein, der immer alles besser weiß.