Der Internationale Strafgerichtshof hat Interpol aufgefordert, mit nach dem Machthaber zu fahnden, gegen den Haftbefehl erlassen wurde.

Tripolis/Washington. Aus Waffenlagern in Libyen sind nach Medienberichten große Mengen an tragbaren Luftabwehrraketen verschwunden. Es wachse die Sorge, dass die vermissten Waffensysteme in die Hände von Terrorgruppen wie Al-Kaida gelangen könnten, berichtete die „New York Times“ am Donnerstag. Mit den Raketen, die von der Schulter abgefeuert werden, können Anschläge auf Flugzeuge verübt werden. Der gestürzte libysche Diktator Muammar al-Gaddafi bestritt unterdessen, das Land verlassen zu haben. Nach Angaben der neuen Machthaber sollen in dem seit Februar andauernden Konflikt 30.000 Menschen ums Leben gekommen seien.

Noch sei unklar, ob Al-Kaida oder andere Terrorgruppen an die verschwundenen Raketen-Waffen gekommen seien, zitierte die Zeitung einen namentlich nicht genannten US-Offizier. Geheimdienste gingen aber davon aus. Ein Reporter des Blattes fand in einem unbewachten Waffenlager der libyschen Hauptstadt leere Kisten, die als Verpackung für Flugabwehrraketen ausgezeichnet waren. Es habe sich um Raketen des russischen System SA-7 („Strela“) gehandelt, aber auch um solche des moderneren Nachfolge-Typus SA-24.

„Strela“-Raketen waren in letzter Zeit immer wieder auch bei den Aufständischen gesehen worden, die nunmehr die Macht fast im ganzen Land übernommen haben. Die US-Regierung habe die politische Führung der Rebellen aufgefordert, Waffenlager besser zu schützen, sagte John Brennan, Antiterror-Berater im Weißen Haus. Die Situation in Libyen bereite Sorge. Viele Teile des Landes seien derzeit ohne echte Kontrolle.

Der Aufstand gegen das Gaddafi-Regime kostete nach Angaben der Rebellen bisher mindestens 30.000 Menschen das Leben. Zudem seien in dem mehr als sechs Monate dauernden Konflikt 50 000 Menschen verletzt worden, sagte Nadschi Barakat, Gesundheitsminister der Aufständischen, dem Sender Libya TV. Es handele sich um vorläufige Zahlen, die sich auf Angaben von Krankenhäusern, Kommunalvertretern und Rebellenführern stützten. Mindestens 4000 Menschen würden noch vermisst. In früheren Einschätzungen hatten die Aufständischen von bis zu 50.000 Toten gesprochen.

Der untergetauchte Ex-Diktator Gaddafi trat Spekulationen entgegen, er habe sich in das westafrikanische Nachbarland Niger abgesetzt. In einer Audio-Botschaft, die vom syrischen Fernsehsender Al-Rai ausgesendet wurde, bezeichnete er diesbezügliche Meldungen als „Lügen der psychologischen Kriegsführung“. Er sei weiter in Libyen. Zugleich forderte er seine Landsleute ein weiteres Mal dazu auf, das Land „gegen alle Hunde und Verräter zu verteidigen, die in Libyen sind und das Land zu erobern trachten“.

Zu Wochenbeginn war bekanntgeworden, dass ein großer Konvoi mit Gaddafis Sicherheitschef Mansur Dau in Niger eingetroffen war. Die Behörden dort bestätigten dies, bestritten aber zugleich, dass Gaddafi oder einer seiner Söhne in dem Konvoi gewesen sei. Zuletzt hatte Burkina Faso, ein Nachbarstaat von Niger, den Gaddafis Asyl angeboten.

In Hinblick auf eine möglichen Flucht Gaddafis nach Westafrika riefen die USA die Länder in der Region zur Wachsamkeit auf. Die Grenzen sollten gesichert und Mitglieder des Gaddafi-Regimes festgenommen werden, sagte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Mittwoch (Ortszeit) in Washington. Der derzeitige Aufenthaltsort Gaddafis ist unbekannt.

Vor der Wüstenstadt Bani Walid, einer der letzten Hochburgen von Gaddafi-Loyalisten, verschärfte sich am Donnerstag die Lage. Zehn aus der Stadt abgefeuerte Raketen schlugen im Aufmarschgebiet der Rebellen ein, berichtete ein BBC-Reporter. Verletzt wurde niemand. In der Nacht zuvor hatten sich Aufständische und Loyalisten am Rande von Bani Walid ein Scharmützel geliefert. Dabei sei ein Gaddafi-Loyalist getötet worden, sagte ein Rebellen-Kommandeur dem Nachrichtensender Al-Dschasira.

Der Übergangsrat in Bengasi hat den noch verbliebenen Enklaven, die von Gaddafi-Getreuen kontrolliert werden, ein Ultimatum gesetzt, das an diesem Samstag endet. Bis dahin müssen sie die Waffen strecken oder mit Angriffen der Rebellen-Milizen rechnen.

Die Ereignisse des Tages im Live-Ticker zum Nachlesen

19.17 Uhr: Der Chef der libyschen Übergangsregierung hat die Gegner des untergetauchten langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi zur Geschlossenheit aufgerufen. Der Kampf sei noch nicht vorüber, sagte Mahmud Dschibril am Donnerstag in Tripolis. Es dürfe nicht zu politischen Machtkämpfen untereinander kommen. Erst wenn Gaddafis Anhänger vollständig besiegt seien, „kann das politische Spiel beginnen“.

17.03 Uhr: Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) bittet Interpol um Mithilfe bei der Suche nach dem untergetauchten früheren libyschen Machthaber Muammar Gaddafi. Der ICC forderte die Polizeiorganisation am Donnerstag auf, Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi zur Fahndung auszuschreiben. Gaddafi werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter Mord und Verfolgung. Der Gerichtshof hatte im Juni einen Haftbefehl gegen die drei ausgestellt.

16.07 Uhr: Aus Waffenlagern in Libyen sind nach Medienberichten große Mengen an tragbaren Luftabwehrraketen verschwunden. Es wachse die Sorge, dass die vermissten Waffensysteme in die Hände von Terrorgruppen wie Al-Kaida gelangen könnten, berichtete die „New York Times“ am Donnerstag. Mit den Raketen, die von der Schulter abgefeuert werden, können Anschläge auf Flugzeuge verübt werden.

15.46 Uhr: Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat den untergetauchten Gaddafi und seine verbliebenen Anhänger zur Aufgabe aufgefordert. Rasmussen sagte, Gaddafi und die Überreste seines Regimes müssten einsehen, dass durch weitere Kämpfe nichts zu gewinnen sei. Die Nato werde nicht abtreten, solange eine Bedrohung für libysche Zivilisten bestehe.

15.03 Uhr: Die Öl- und Gasgesellschaft Wintershall sieht sich in Libyen innerhalb kurzer Zeit wieder produktionsfähig. „Wenn man mit libyschen Partnerfirmen wieder zusammenarbeiten kann und alle Sanktionen aufgehoben sind, könnte man innerhalb von wenigen Wochen bereits wieder 20.000 Barrel pro Tag produzieren“, sagte Wintershall-Vorstand Ties Tiessen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Kasseler Tochter des Chemiekonzerns Basf hofft, dass dies noch in diesem Jahr passiert. Wintershall hatte Ende Februar wegen der Kämpfe seine Ölförderung in der libyschen Wüste heruntergefahren.

14.49 Uhr: Der katholische Bischof in Tripolis, Giovanni Martinelli, betet für Gaddafi. „Ich bitte Gott, dass Libyen den Weg des Friedens wieder findet. Ich bete auch für Gaddafi, dass er Frieden finden kann und sich mit seinem Volk versöhnt“, sagte Martinelli dem vatikanischen Pressedienst Fides. Zugleich äußerte sich der in Libyen geborene italienische Geistliche besorgt über Gerüchte in der Presse, wonach Gaddafi gegenwärtig ein Heer von Söldnern rekrutiere, um die Macht zurückzuerobern.

14.36 Uhr: Libyens Übergangsregierung will die Beteiligung des nordafrikanischen Landes an der italienischen Großbank UniCredit zunächst unberührt lassen. „Alle Beteiligungen sind im Moment wie sie sind. Dies ist eine Interimsregierung“, sagte Wafik Shater, der in der Übergangsführung für Finanzen verantwortlich ist, vor Journalisten in Tripolis. Libyen hält über die Notenbank und eine Investmentgesellschaft zusammen rund 7,5 Prozent der UniCredit-Anteile ist damit der größte Aktionär. Die Mailänder sind neben Italien stark in Deutschland, Österreich und Osteuropa präsent und eine der größten Banken Europas.

12.50 Uhr: Während des Aufstands gegen seine Herrschaft hat Gaddafi nach Angaben des neuen Zentralbankchefs rund 20 Prozent der Goldreserven des Landes verkauft. Mit dem Erlös habe Gaddafi Gehälter bezahlt, sagte Kassim Assus. Gaddafi habe örtlichen Händlern im April etwa 29 Tonnen Gold verkauft und so 1,7 Milliarden Dinar (997 Millionen Euro) eingenommen.

11.43 Uhr: Mindestens 30.000 Menschen sind nach Angaben des Gesundheitsministers der neuen libyschen Führung während des sechsmonatigen Bürgerkriegs ums Leben gekommen. 50.000 Menschen seien bei den Kämpfen verletzt worden, sagte Nadschi Barakat. Im Gegensatz zu bisherigen groben Schätzungen basierten diese Zahlen zum Teil auf Berichten von Krankenhäusern, Beamten vor Ort und ehemaligen Kommandeuren der Rebellentruppen.

10.52 Uhr: Nach der Plünderung von Waffenlagern in Libyen warnen Experten vor einer unkontrollierten Verbreitung tragbarer Luftabwehrraketen. Es wachse die Sorge, dass verschwundene Waffensysteme in die Hände von Terrorgruppen wie al-Kaida gelangen könnten, berichtete die „New York Times“. Mit den Raketen, die von der Schulter abgefeuert werden, können Anschläge auf Flugzeuge verübt werden. Ein Reporter des Blattes fand in einem unbewachten Waffenlager der libyschen Hauptstadt leere Kisten, die als Verpackung für Flugabwehrraketen ausgezeichnet waren.

Die Uno hat ein Reiseverbot über den untergetauchten libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi verhängt. Mehr als ein Symbol ist das nicht. Der Internationale Strafgerichtshof sucht ihn per Haftbefehl. Die Rebellen in Libyen haben etwa eine Million Euro Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Und die Amerikaner „appellieren“, wie es diplomatisch heißt, an die Nachbarn Libyens und an die letzten Freunde Gaddafis, ihn nicht aufzunehmen, sondern auszuliefern. Doch die Welt fragt sich: Wo ist Gaddafi bei seiner Flucht untergetaucht?

Die US-Regierung bat die Nachbarstaaten Libyens, Gaddafi und seine Angehörigen festzunehmen, falls sie im Ausland Zuflucht suchen sollten. Eine entsprechende Aufforderung sei insbesondere an Niger gegangen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. In den vergangenen Tagen waren Konvois mit Unterstützern von Gaddafis Regime nach Niger geflohen. Im ebenfalls benachbarten Algerien halten sich nach Regierungsangaben mehrere Familienmitglieder des bisherigen Machthabers auf.

Gaddafi selbst hat Berichte über seine Flucht ins Nachbarland Niger als falsch zurückgewiesen. In einer am Donnerstag vom Fernsehsender al-Rai TV ausgestrahlten Audiobotschaft sagte ein Mann, bei dem es sich um Gaddafi handeln sollte, „ich werde das Land meiner Vorfahren niemals verlassen“. Er nannte die Aufständischen in Libyen „einen Haufen Söldner, Verbrecher und Verräter“ und erklärte, „wir sind bereit, den Kampf um Tripolis und jeden anderen Ort aufzunehmen und uns gegen sie zu erheben“.

Die Regierung des Niger sieht sich derweil außerstande, die Grenze zum nördlichen Nachbarn Libyen dichtzumachen. „Wir haben keine Mittel, die Grenze zu schließen“, sagte Außenminister Mohamed Bazoum der britischen BBC. Auch nach Angaben Bazoums hat Gaddafi die Grenze zum Niger weder überquert noch um eine Einreisegenehmigung gebeten. Er hoffe, dass Gaddafi gar nicht in sein Land komme. Noch sei aber keine Entscheidung getroffen worden, ob er andernfalls im Land bleiben dürfe oder an den auch vom Niger anerkannten Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag überstellt werde, sagte der Außenminister.

Die Mitglieder des Gaddafi-Regimes, die mit dem Militärkonvoi in der nigrischen Hauptstadt Niamey eingetroffen seien, könnten hingegen frei entscheiden, ob sie bleiben oder weiterreisen wollten, sagte Bazoum. Nach Angaben von Nuland wurden die Gaddafi-Getreuen hingegen in Niamey festgesetzt. Sie seien in Häusern der Regierung untergebracht und ständen unter Beobachtung, sagte sie unter Berufung auf den US-Botschafter in Niger.

Am Mittwoch hatte ein Rebellensprecher dem Sender Libya TV gesagt, Kämpfer hätten Gaddafi eingekreist. Er könne nicht mehr fliehen. Einzelheiten wurden aber nicht mitgeteilt. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtete unter Berufung auf den Militärrat in Tripolis, es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Despot gefangen genommen oder getötet werde. Dagegen sagte ein Sprecher des Übergangsrates in Bengasi der Nachrichtenagentur dpa, alle Berichte über ein mögliches Versteck Gaddafis seien Spekulation. „Wir wissen es nicht. Es sind alles nur Theorien“, sagte er. (dpa/dapd/rtr/abendblatt.de)