Die libyschen Rebellen sprechen von der Kapitulation eines Sohnes von Diktator Muammar al-Gaddafi, bestätigen lässt sich das nicht.

Hamburg/Tripolis. Eine Woche nach dem Fall von Tripolis suchen nach Rebellenangaben immer mehr engste Gaddafi-Vertraute ihr Heil in der Flucht oder in Verhandlungen. Nachdem die Ehefrau des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi, Safija, mit drei Kindern nach Algerien geflüchtet war, sprach der 38-jährige Sohn al-Saadi nach Angaben der Rebellen gestern über Sicherheitsgarantien, gar über eine Kapitulation. Der Sender CNN berichtete dagegen, al-Saadi habe per Mail mitgeteilt, dass er nicht aufgeben wolle.

Der für Tripolis zuständige Rebellenkommandeur Abdelhakim Belhadsch sagte allerdings dem Sender al-Dschasira: "Er (al-Saadi) hat darum gebeten, Teil der Revolution zu werden. Er bat um Garantien, damit er zu seinen Leuten in die Hauptstadt Tripolis zurückkehren kann. Er deutete an, wo er sich versteckt hält."

Die Rebellen haben nach den Worten von Belhadsch auch "unbestätigte Berichte, wo sich Gaddafi aufhält". Arabische Medien spekulierten, dass der 69-Jährige in Bani Walid südlich von Tripolis untergetaucht sei. Die Stadt stehe unter dem Schutz der Warfalla, des größten libyschen Stammes, berichtete der arabische Nachrichtensender al-Arabija. Dagegen behauptete ein ehemaliger Leibwächter von Gaddafis Sohn Chamis, dass sich der Ex-Diktator in die 770 Kilometer südlich von Tripolis gelegene Garnisonsstadt Sebha abgesetzt habe.

In Gaddafis Heimatstadt Sirte an der Mittelmeerküste gab es keine Anzeichen dafür, dass sich die letzten Gaddafi-Getreuen einem Ultimatum der Rebellen beugen. Zugleich rückt in Sirte eine Entscheidungsschlacht näher. Die Bevölkerung in der rund 75 000 Einwohner zählenden Küstenstadt sei gespalten, berichtete der Nachrichtensender al-Dschasira. Eine Hälfte plädiere für Kampf, die andere Hälfte für Kapitulation. Stammesälteste versuchten, die Gaddafi-Truppen wenigstens davon zu überzeugen, dass im Fall eines Kampfes Frauen und Kinder zuvor die Stadt verlassen könnten. Nach Rebellenangaben kamen seit Beginn des Aufstands gegen Gaddafis Regime vor sechs Monaten mindestens 50 000 Menschen ums Leben. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben ist nicht möglich.

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Die Nato will auch nach einem Ende des Militäreinsatzes in Libyen weiter Flagge zeigen. Nato-Soldaten könnten für eine begrenzte Zeit den Luftraum überwachen und Schiffe vor der Küste Libyens kontrollieren. Dies vereinbarten die Vertreter der 28 Nato-Staaten gestern im Nato-Rat in Brüssel. Eine Entsendung von Bodentruppen kommt dagegen für das Bündnis nicht infrage.

Der Übergangsrat in Libyen stemmt sich weiter gegen die Stationierung von ausländischen Truppen auf eigenem Boden. Der Vorschlag Frankreichs, eine Beobachtermission mit deutscher Beteiligung nach Libyen zu schicken, hat derzeit wohl wenig Chancen auf Verwirklichung. "In unseren Gesprächen mit dem NTC (Übergangsrat) wird ganz deutlich, dass die Libyer jede Art eines militärischen Einsatzes durch die Uno oder andere verhindern möchten", sagte der Libyen-Sondergesandte Ian Martin in New York.

Frankreichs Außenminister Alain Juppé hatte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für eine Beobachtermission geworben. "Man wird Beobachter nach Libyen entsenden müssen. Es braucht eine Wiederaufbautruppe, aber keine Interventionstruppe." Frankreich "wäre froh darüber", wenn Deutschland sich an einer Beobachtermission beteiligte, sagte Juppé.

Weil die humanitäre Lage in der Hauptstadt Tripolis weiter kritisch ist, hat Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon die internationale Gemeinschaft um schnelle Hilfe gebeten. Nach letzten Schätzungen seien 60 Prozent der Einwohner allein in der Hauptstadt ohne Wasser- und Abwasserversorgung. Es sei unklar, wie lange die Reparatur von Pumpen noch dauern werde, sagte Ban.

Derweil läuft die Hilfe für Libyen weiter an. So gab Großbritannien libysche Banknoten im Wert von 1,1 Milliarden Euro an die Übergangsregierung in Tripolis frei. Die in einer britischen Druckerei gedruckten libyschen Dinars waren wegen der Uno-Sanktionen eingefroren worden. Wie die britische BBC gestern berichtete, soll das Geld so schnell wie möglich mit einem Flugzeug der Royal Airforce nach Libyen gebracht werden. Dies sei wichtig, damit es bald in Geldautomaten und Banken im ganzen Land zur Verfügung stehe. Das Geld werde dabei helfen, "dringende humanitäre Notwendigkeiten" zu erfüllen, sagte der britische Außenminister William Hague. Ferner könnten damit Löhne für Staatsbedienstete bezahlt und die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht werden. Die Uno-Entscheidung zur Freigabe des Geldes sei wegen der "bemerkenswerten Erfolge der vergangenen Tage" in Libyen möglich geworden, sagte Hague.

Die Vereinten Nationen hatten bereits in der vergangenen Woche umgerechnet knapp eine Milliarde Euro freigegeben, die in den USA eingefroren worden waren. Auch Deutschland und Frankreich haben die Uno um eine Genehmigung zur Freigabe von libyschen Auslandsguthaben gebeten.

Zugleich kündigte der Erdölkonzern Gunvor Group an, Diesel für den Betrieb von Generatoren in die Rebellenhochburg Bengasi zu liefern. Die Handelssparte mit Sitz in Genf sende eine Schiffsladung mit Diesel an das von den Aufständischen kontrollierte Unternehmen Arabian Gulf Oil Co. (Agoco), teilte Gunvor gestern mit. Mit dem Diesel könnten weitere Stromausfälle verhindert werden, zitierte der Erdölkonzern einen Agoco-Mitarbeiter. Wegen der Kämpfe zwischen Rebellen und Anhängern Muammar al-Gaddafis ist die Ölproduktion in Libyen weitgehend zum Erliegen gekommen.

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