Die Rebellen revanchieren sich für die Nato-Hilfe: Wer sich am Kampf gegen Gaddafi beteiligte, darf auf gute Geschäfte mit libyschem Öl hoffen.
Paris/Tripolis. 15.35 Uhr: Der Anführer der Rebellen in Tripolis hat versucht Befürchtungen zu zerstreuen, Libyen könnte zu einer Brutstätte für Terrorismus werden. Das Land werde islamischem Terrorismus aus dem Weg gehen, sagte Abdel Hakim Belhadsch – und spielte seine eigene extremistische Vergangenheit herunter. Belhadsch war Anführer der inzwischen aufgelösten Libyschen Islamischen Kampfgruppe, die an der Seite von al-Qaida im Irak und in Afghanistan kämpfte.
15.14 Uhr: Die Rebellen wollen die wegen der Kämpfe geschlossenen Schulen Mitte September wieder öffnen. „Wir haben alle Gaddafi-Themen aus dem Lehrplan gestrichen“, sagte der im Übergangsrat für das Schulwesen zuständige Soliman al-Sahli dem Rebellensender Freies Libyen. Gaddafis politische Theorien, die er in seinem Grünen Buch formuliert hatte, würden nicht mehr gelehrt. Es sollten aber mehr westliche Fremdsprachen wie Englisch und Französisch unterrichtet werden. Ziel sei, am 17. November mit dem Unterricht zu beginnen.
13.49 Uhr: Der arabische Sender al-Dschasira berichtet, Gaddafi habe Doppelagenten bei den Rebellen unterhalten. Sie hätten die Truppen des Diktators mit Material über die Pläne der Aufständischen versorgt. Außerdem habe Gaddafi E-Mails von und an den Übergangsrat und Mahmud Dschibril abgefangen.
13.02 Uhr: In Libyens Hauptstadt Tripolis häufen sich nach Angaben von Hilfsorganisationen gewaltsame Übergriffe auf afrikanische Migranten. Die Wanderarbeiter aus Ländern südlich der Sahara seien zudem von Lebensmitteln und Hilfsgütern abgeschnitten, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf mit. Aus Angst vor Übergriffen verließen viele der Betroffenen ihre Unterkünfte nicht. Die Libyer verdächtigen die Migranten nach IOM-Angaben, für den gestürzten Machthaber Muammar al-Gaddafi gearbeitet zu haben. Der Diktator hatte zur Niederschlagung des Volksaufstandes auch Söldner aus anderen afrikanischen Staaten angeheuert.
11.24 Uhr: Unter dem Druck der Nato-Luftangriffe wollte sich Gaddafi offenbar noch mit Hilfe Israels aus der Affäre ziehen. Gaddafi habe Frieden und die Befreiung des von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Soldaten Gilad Schalit versprochen, wenn Israel die Nato zu einem Ende der Luftangriffe bewege. So zitierte die arabische Tageszeitung „Shark al-Awsat“ den israelischen Regierungspolitiker Ajub Kara, Vizeminister für die Entwicklung der Wüste Negev. Gaddafis Sohn Saif al-Islam habe einem Unterhändler erklärt, das libysche Regime habe gute Beziehungen zur Hamas-Führung und könne diese überzeugen, Schalit freizulassen, sagte Kara der Zeitung. Der Gaddafi-Sohn habe sich bereit erklärt, zusammen mit Schalit die Knesset zu besuchen. Israel habe ein schriftliches Dokument über diesen Vorschlag verlangt, dann aber die Kontakte abgebrochen, weil sich die Lage in Libyen weiter verschlechtert habe.
10.31 Uhr: US-Außenministerin Hillary Clinton hat die Vertreter des libyschen Übergangsrats aufgefordert, sich um den Fall des wegen des Bombenattentats von Lockerbie verurteilten Abdel Baset al-Megrahi zu kümmern. „Er gehört hinter Gitter“, sagte sie zu Journalisten. Im Gespräch mit den Vorsitzenden des Übergangsrats Mustafa Abdul Dschlil und Mahmud Dschibril am Rande der internationalen Libyen-Konferenz in Paris habe Clinton deutlich gemacht, dass Megrahi ihrer Auffassung nach niemals hätte freigelassen werden dürfen, hieß es aus Kreisen der US-Delegation. Unklar blieb, ob sie konkrete Aktionen forderte.
9.31 Uhr: Die Nichtbeteiligung Deutschlands am Nato-Einsatz beeinträchtigt nach Ansicht des neuen diplomatischen Vertreters Libyens in Berlin, Aly Masednah El-Kothany, nicht die künftige deutsch-libysche Zusammenarbeit. „Wissen Sie, wir reden von heute und von morgen“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Von der Bundesrepublik erwarte man jetzt Hilfe beim Wiederaufbau, bei der Demokratisierung und Bewahrung der Menschenrechte. „Die Libyer schätzen die deutsche Qualität und Zuverlässigkeit“, sagte El-Kothany. Dabei sei Libyen mehr auf technische Hilfen aus Deutschland angewiesen als auf finanzielle, bekräftigte er.
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9.17 Uhr: Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat nach der Pariser Libyen-Konferenz bekräftigt, dass Libyen keine zusätzlichen Hilfsgelder aus Deutschland erhalten soll. „Libyen ist kein klassisches Entwicklungsland“, sagte er der „Rheinischen Post“. Er habe für die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung bereits im Juni sieben Millionen Euro Nothilfe zugesagt. „Darüber hinaus wird es keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit geben“, betonte der Minister. Libyen sei ein reiches Land, das sich technische Unterstützung einkaufen könne, und zwar „sehr gerne bei uns“.
Libyen kann auf seinem Weg in eine neue Zukunft auf breite Unterstützung der Weltgemeinschaft setzen. Vertreter von rund 60 Staaten und internationalen Organisationen versprachen den neuen Machthabern in Paris Hilfe beim Wiederaufbau des Landes. Eingefrorene Gelder des alten Gaddafi- Regimes sollen rasch bereitgestellt werden.
Doch während sich der Übergangsrat in Libyen um eine Stabilisierung der Lage bemüht, zeigt sich der untergetauchte Diktator Muammar al-Gaddafi weiter kämpferisch. In zwei kurz aufeinanderfolgenden Audiobotschaften rief er seine Anhänger aus seinem Versteck zum Kampf auf. Ob die Botschaften authentisch waren und wann sie aufgenommen wurden, konnte nicht verifiziert werden.
„Bereitet euch auf eine lange Schlacht vor“, rief Gaddafi seinen Anhängern zu. Seine Botschaft wurde, berichte der arabische Sender al-Dschsira, vom syrischen al Rai TV ausgestrahlt. Es war das zweite Mal innerhalb weniger Stunden, dass er sich zu Wort meldete. „Wir werden in jedem Tal, in jeder Straße, in jeder Oase und jeder Stadt kämpfen“, habe Gaddafi mit Blick auf die Stämme in seiner Geburtsstadt Sirte und der Wüstenstadt Bani Walid gesagt. Letztere gilt als mögliches Versteck des 69-Jährigen und seines Sohnes Saif al-Islam Gaddafi.
Deutschland wird der neuen libyschen Führung eine Milliarde Euro aus bislang eingefrorenen Geldern des alten Regimes zur Verfügung stellen. Die Vereinten Nationen hätten die Gelder freigegeben, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Libyen-Konferenz in Paris. Nach Angaben des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der zusammen mit dem britischen Premier David Cameron zu der Konferenz im Élysée-Palast eingeladen hatte, sind mittlerweile insgesamt rund 15 Milliarden Dollar (etwa 10 Milliarden Euro) libyscher Gelder freigegeben.
Der Gaddafi-Clan verfügte bis zum Bürgerkrieg über ein riesiges Vermögen im Ausland. Allein in Deutschland wurden nach der Verhängung der Uno-Sanktionen rund 7,3 Milliarden Euro eingefroren. Weltweit sind es schätzungsweise mehrere Dutzend Milliarden Euro. Etliche Staaten wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA bemühen sich derzeit darum, der Übergangsregierung zumindest Teilbeträge zur Verfügung zu stellen. Eine komplette Freigabe der Gelder verhindern derzeit noch die Uno-Sanktionen. Teilzahlungen können aber durch Eilanträge bewilligt werden.
Merkel sprach sich dafür aus, die Sanktionen gegen Libyen schnell aufzuheben. „Ich habe das unterstützt“, sagte die Kanzlerin. Man müsse wieder eng und ganz normal zusammenarbeiten können. Die Kanzlerin sagte den Libyern zu, bei der Ausarbeitung einer Verfassung zu helfen. „Ich habe angeboten, dass wir mit unserer Erfahrung einer deutschen Diktatur auch helfen können, Vergangenheit friedlich aufzuarbeiten“, erklärte Merkel.
Darüber hinaus will sich Deutschland vor allem beim Wiederaufbau engagieren. „Unsere konkrete Hilfe kann darin bestehen, dass wir sehr akute Hilfe leisten was Krankenhäuser anbelangt, was die Wasserversorgung anbelangt, was Transporte anbelangt“, sagte Merkel. Längerfristige Hilfe sei beim Aufbau der Infrastruktur möglich.
Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach sich in Paris für eine Uno-Präsenz in Libyen aus. „Ich werde eng mit dem Sicherheitsrat zusammenarbeiten, um ein Mandat für eine Uno-Mission zu entwerfen. Der Einsatz sollte so bald wie möglich beginnen“, sagte Ban laut Redemanuskript. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen unterstrich, dass das Militärbündnis entschlossen sei, den Libyen-Einsatz fortzuführen, solange es dort Angriffe und Bedrohungen gebe, „jedoch keinen Tag länger als nötig". (dpa/rtr/dapd/abendblatt.de)