In den Staaten der Krisenregion von Tunis bis Manama schlagen die alten Regime brutal zurück. Region am Anfang eines tiefgreifenden Wandels.
Hamburg. Am 17. Dezember 2010 übergoss sich der 26-jährige tunesische Gemüsehändler Mohammed Bouazizi in Sidi Bouzid südlich von Tunis mit Benzin und zündete sich an. Bouazizis Freitod aus Kummer über berufliche Perspektivlosigkeit und Behördenwillkür löste die Arabische Revolution aus. Völker erhoben sich, fegten zwei Despoten aus dem Amt und liefern anderen erbitterten Widerstand. Doch derzeit stagniert der Arabische Frühling, der oft mit den Umwälzungen im Ostblock 1989 verglichen wird. Die Regime schlagen zurück; die Region steht erst am Anfang eines tief greifenden Wandels.
Tunesien
Die Jasminrevolution in Tunesien trieb Präsident Zine al-Abidine Ben Ali und seine ebenfalls in dessen Machenschaften verwickelte Familie ins saudische Exil. Im Juni und Juli verurteilten tunesische Gerichte den Ex-Despoten in Abwesenheit zu 35 Jahren Haft und dann noch einmal zu weiteren 15 Jahren. Saudi-Arabien denkt aber nicht an eine Auslieferung. Tunesiens Übergangsregierung unter Präsident Fouad Mebazaa geht unter der Ausgangssperre hart gegen neue Proteste vor. Die für Juli geplanten Wahlen für eine verfassunggebende Versammlung wurden auf den 23. Oktober vertagt. Im Juli kam es in Tunis zu Protesten gegen den zunehmenden Einfluss radikalislamischer Strömungen. Die islamistische Ennahda-Partei ist zu den Wahlen zugelassen und führt in den Umfragen.
Ägypten
Der Auftakt des Prozesses gegen den am 11. Februar gestürzten Langzeit-Diktator Husni Mubarak in Kairo könnte vermuten lassen, dass Ägyptens Demokratiebewegung gesiegt hat. Doch so ist es keineswegs. Noch immer sitzen viele Vertreter des alten Regimes auf ihren Posten. Das enttäuschte Volk beginnt die Geduld zu verlieren, das unverändert mächtige Militär knüppelt neue Proteste auf dem Tahrir-Platz nieder und inhaftiert "Randalierer". Im März wurden Dutzende Demonstrantinnen verhaftet, vom Militär brutal misshandelt und unsäglichen "Jungfräulichkeitstests" unterzogen. Die Stimmung im wichtigsten arabischen Land mit 84 Millionen Einwohnern ist äußerst angespannt. Die Wahlen wurden von September auf die zweite Novemberhälfte verschoben.
Syrien
Der syrische Diktator Baschar al-Assad lässt seine Armee Proteste brutal zusammenschießen. Allein in der Stadt Hama, in der sein Vater, Präsident Hafis al-Assad, 1982 bis zu 30 000 Menschen töten ließ, gab es in den vergangenen Tagen mindestens 120 Todesopfer. Mehr als 2000 Menschen soll das Militär bislang insgesamt erschossen haben, 15 000 wurden verhaftet, Abertausende sind geflohen. Assads Macht stützt sich auf Armee und Geheimdienst.
Libyen
Der von der Nato aufgrund einer Uno-Resolution mit Bombern unterstützte Kampf der Rebellen gegen das Regime von Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hat noch zu keiner Entscheidung geführt. Im Osten mit seiner Rebellenhochburg Bengasi hat sich ein Nationaler Übergangsrat etabliert, der von einigen Staaten - darunter auch Deutschland - als legitime Regierung Libyens anerkannt wird. De facto ist Libyen in zwei Teile zerrissen.
Jemen
Seit Februar verlangen Hunderttausende Jemeniten den Rücktritt des bereits 33 Jahre amtierenden Staatschefs Ali Abdullah Salih. Immer wieder hatte er Proteste blutig niederschlagen lassen, bis er am 3. Juni bei einem Raketenanschlag schwer verletzt wurde und nach Saudi-Arabien ausreiste. Salih hat vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Die Familie, namentlich Sohn Ahmad Ali Salih, Kommandeur der Republikanischen Garden, stemmt sich jedoch gegen eine Aufgabe der Macht. Der Jemen ist zerrissen von einem langen Bürgerkrieg und ist Al-Qaida-Hochburg.
Bahrain
Auch im kleinen Königreich Bahrain gibt es seit Februar Proteste, die Herrscher Hamad Bin Isa al-Khalifa mithilfe saudischer Spezialeinheiten im März niederschlug. Es gab mehr als 30 Tote, eine Verhaftungswelle und die Verhängung des Ausnahmezustands. Doch die Hintergründe sind andere als bei den Nachbarn.
So besteht die Bevölkerung zu 70 Prozent aus Schiiten; das Königreich wird aber seit mehr als 200 Jahren von Sunniten regiert. Die Schiiten fühlen sich unterdrückt und fordern ein anderes Regierungssystem. Vor wenigen Tagen gingen in Manama wieder Zehntausende auf die Straßen.