Wenigen Stunden vor dem Krisengespräch der Koalitionsspitzen fordert die Wirtschaft eine Entlastung der niedrigeren und mittleren Einkommen.

Berlin. Vor dem Krisengespräch der Koalitionsspitzen heute Nachmittag haben Wirtschaftsverbände die Regierung aufgerufen, ihre Versprechen über Steuersenkung einzuhalten sowie Erhöhungen der Sozialbeiträge zu vermeiden. „Angesichts der gewaltigen Dimension der Krise ist es ausnahmsweise richtig, in die Verschuldung zu gehen“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, Anton Börner, der „Bild am Sonntag“. „Die Konjunktur kann man nicht nur durch immer neue Sozialleistungen anregen, sondern auch durch das Senken der Steuern.“ Handwerks-Präsident Otto Kentzler forderte, niedrige und mittlere Einkommen dürften nicht länger überproportional belastet werden. „Die Entlastung dieser Leistungsträger in der Gesellschaft wird Konsum und Investitionen ankurbeln“, sagte er dem Blatt.

ABENDBLATTDBLATT-INTERVIEW MIT WOLFGANG BOSBACH ZUM KOALITIONSSTREIT

Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte in einem Gastbeitrag für die gleiche Zeitung, um die Arbeitskosten in Schach zu halten, müssten die Beiträge zur Sozialversicherung nach Möglichkeit gesenkt, mindestens aber stabil gehalten werden. „Niedrige Sozialabgaben entlasten Unternehmen, schaffen finanziellen Spielraum für neue Investitionen und sorgen dafür, dass den Arbeitnehmern mehr Netto vom Brutto bleibt“, argumentierte Hundt. Auch DGB-Chef Michael Sommer warnte, der Staatshaushalt dürfe nicht durch höhere Sozialbeiträge entlastet werden. Das koste Arbeitsplätze und belaste die unteren Einkommensgruppen, sagte er im Deutschlandfunk.

Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel will am späten Nachmittag mit den Vorsitzenden von FDP und CSU, Guido Westerwelle und Horst Seehofer, über die zahlreichen Streitthemen der Koalition beraten. Besonders umstritten sind Höhe und Zeitpunkt weiterer Steuerentlastungen, auf die vor allem die FDP pocht. Finanzminister Wolfgang Schäuble stellte solche Pläne im Vorfeld erneut unter Finanzierungsvorbehalt. „Ob, wann und wie viel – das entscheiden wir Mitte 2010“, sagte der CDU-Politiker dem Magazin „Focus“.

Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses und Wortführer des neuen Katholischen Arbeitskreises der CDU, hatte am Sonnabend im Hamburger Abendblatt erklärt, dass er die Kursdebatte in der Union auch nach der Verabschiedung „Berliner Erklärung“ nicht für beendet hält. „Ich fürchte, dass der Streit um das Profil der Partei weitergeht, solange ein entschiedenes Sowohl-als-auch als geschickte Strategie gilt“, sagte der Politiker. „In den letzten Jahren hat es schon eine Reihe von Papieren gegeben mit dem Tenor: "Die Union darf die Konservativen nicht vernachlässigen“, erinnerte Bosbach. „Aber eine nachhaltige Wirkung konnte ich noch nicht feststellen.“