Als “Routinetreffen“ spielte die Koalition den geplanten Dreiergipfel herunter. Wolfgang Bosbach (CDU) spricht nun offen von einem „Krisengespräch“.
Berlin. Das Wort Krise mochte in der schwarz-gelben Koalition bislang niemand laut aussprechen, trotz der wochenlangen Querelen um Steuersenkungen und die Nominierung von Erika Steinbach für die Vertriebenenstiftung. Als erster Koalitionspolitiker hat sich jetzt der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach aus der Deckung gewagt. Er bezeichnete das geplante Treffen der Koalitionsspitzen am 17. Januar offen als „Krisen-Gespräch“. „Ich erhoffe mir von dem Krisengespräch eine Aufbruchstimmung, die für einen Neustart in der Koalition sorgt“, sagte er der „Bild“- Zeitung. „Es ist wichtig, dass wir einen klaren Kurs haben und die Bürger nicht den Eindruck gewinnen, wir beschäftigen uns mehr mit uns als mit den Sorgen der Menschen.“
Führende Politiker der schwarz-gelben Koalition hatten das Treffen der Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) bislang als Routineangelegenheit abgetan. Die Bezeichnung „Krisentreffen“ hatten sie ausdrücklich abgelehnt.
Bei dem Treffen wollen die drei Parteivorsitzenden versuchen, den nicht enden wollenden Streit über Zeitpunkt und Umfang der nächsten Steuersenkungen zu beenden. Die Koalition streitet seit ihrem Start Ende Oktober über eine Reform: Die Liberalen beharren auf weitere Senkungen, die 2011 in Kraft treten solle. CDU und CSU wollen das 24 Milliarden schwere Vorhaben hingegen unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt sehen. Vor allem will die Union die Steuerschätzung im Mai abwarten. Vorher, heißt es, könne gar nichts entschieden werden. Außerdem wolle man bei dem Treffen über die Gesundheitsreform und über die Rolle der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach sprechen, hieß es in Berlin.
Angesichts der vielen Streitpunkte brachte die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär das Offensichtliche auf den Punkt: Nach der „Liebeshochzeit“ von Union und FDP sei die Zeit des Flitterns vorbei, sagte sie „Focus Online“. Mit der Koalitionsbildung sei es wie beim Verliebtsein gewesen: „Die ersten drei Monate hat man die rosarote Brille auf, erst dann ist man reif für den Alltag.“ Dennoch lobte Bär die Zusammenarbeit mit den Liberalen. Sie habe schon bei den Koalitionsverhandlungen festgestellt, „dass die Zusammenarbeit mit der FDP ein viel höheres Niveau hat als die mit der SPD“. Es sei ein sehr angenehmer Stil.
Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl glaubt hingegen, dass die Koalition einen „wirklichen Neustart“ braucht. „Frau Merkel hat dabei eine integrierende Aufgabe, die Streitereien müssen aufhören“, forderte Strobl.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe betonte, dass der Neustart der Koalition ausschließlich auf das Erscheinungsbild beschränkt werden müsse. Von unüberbrückbaren inhaltlichen Differenzen könne nicht die Rede sein, weder in der Steuer- noch in der Gesundheitspolitik, sagt er im Südwestfunk. Gröhe hält es für unglücklich, dass erste Erfolge von Schwarz-Gelb nicht stärker gemeinsam herausgestellt worden seien. „Stattdessen wurde zur Unzeit eine Debatte über die nächsten Schritte angestoßen“, sagte er dem „Handelsblatt“. Die Koalition wolle weitere Entlastungen für die Bürger. „Darin sind wir uns vollkommen einig. Aber wir wollen und wir müssen auch die Regeln der Schuldenbremse einhalten“, so Gröhe.
Die Opposition ging derweil mit der Regierung hart ins Gericht: Es gebe zwischen CDU, CSU und FDP mehr Konflikte als in der schwarz- roten Koalition, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im Deutschlandfunk. Das geplante Spitzentreffen der drei Parteichefs sei bereits der dritte Neustart, der angekündigt wurde.
Nahles übte vor allem Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Ich hatte den Eindruck, über Weihnachten hat sie einen Tiefseetaucher-Kurs gemacht. Und als sie dann wieder nach oben kam, hat sie einen gackernden Hühnerhaufen vorgefunden und ein Krisentreffen einberufen. Das ist ein glatter Fehlstart.“
Ähnlich äußerte sich auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast. „So eine Chaos-Combo war Rot-Grün nie“, sagte sie der „Bild“- Zeitung. „Kein Plan für neue Jobs durch erneuerbare Energie, keine bessere Bildung – stattdessen abstruse Steuerversprechen und Geschenke für Hoteliers und Großerben. Gleichzeitig würden die Abgaben erhöht, Schulen geschlossen, an der öffentlichen Sicherheit gespart.“