Angela Merkel, Guido Westerwelle und Horst Seehofer trafen sich im verschneiten Berlin, um über einen „Neustart“ ihres Bündnisses nachzudenken.
Berlin. Die „drei Großen“ setzten auf Entspannung. Ohne jeden Presserummel trafen sich Angela Merkel, Guido Westerwelle und Horst Seehofer am Sonntag im verschneiten Berlin, um über einen „Neustart“ ihres Bündnisses nachzudenken, der nach offizieller Lesart der Koalitionäre eigentlich gar nicht nötig ist. An das Treffen würden keine „Heilserwartung“ geknüpft, schon gar nicht rechne man mit „spektakulären Beschlüssen“, wurde vor Beginn der Zusammenkunft im Kanzleramt aus den Parteizentralen von Union und FDP abgewiegelt.
Dennoch war die offene Aussprache dringend nötig. Wochenlang hatte sich die „Wunsch-Koalitionäre“ seit der Regierungsbildung vor rund 80 Tagen beharkt, zum Teil bis hin zur gegenseitigen Infragestellung der Regierungsfähigkeit. Umfang und Zeitpunkt weiterer Steuersenkungen, die Rolle der Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach (CDU) in dem neuen Berliner Vertriebenen-Zentrum und die Dauerdebatte über die Gesundheitsreform – kaum ein Tag vergeht ohne mehr oder weniger heftige Beschuldigungen.
Dabei hat die Debatte über den Jahreswechsel bereits einige Klarheiten gebracht. Es bleibt bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuerreform – ob sie nun schrittweise oder in einem Rutsch kommt, hat Merkel klargestellt. CDU-Vize Christian Wulff brachte zwar am Wochenende die Bildung einer Kommission zur Ausarbeitung eines Konzepts ins Spiel. Die Begeisterung der FDP für ein neues Gremium dieser Art hielt sich jedoch zunächst in Grenzen.
Was Kommissionen an zusätzlichem Streit produzieren können, hat sich bei der Gesundheitsreform gezeigt. Hier hat die FDP bislang alle Versuche der CSU abgewehrt, Ländervertreter in die Beratungen einzubinden. Einen neuen Vorstoß des CSU-Chefs Horst Seehofer in diese Richtung sollte es nach Angaben aus Parteikreisen nicht geben.
Auch im Streit über die Entsendung von Steinbach in den Rat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ liegt der Ball nicht mehr allein bei den Parteivorsitzenden Merkel (CDU), Westerwelle (FDP) und Seehofer (CSU). Die Bedingungen des Bundes der Vertriebenen sind nur noch mit einer Änderung des Stiftungsgesetzes möglich. Das ist jetzt eher Sache der Fraktionen.
So ging es bei dem ersten Krisentreffen der immer noch ziemlich neuen schwarz-gelben Koalition vor allem um einen „klimatischen Neustart“. Die Klausuren der Unionsparteien und das Dreikönigstreffen der Liberalen sollten die Streitlust eindämmen. Merkel ist aus den Beratungen ihrer Partei wieder gestärkt herausgekommen.
Seehofer hat nur bedingt aus dem Dauerstreit mit der FDP Honig für seine Partei saugen können. Außenminister Westerwelle ist zwar in der FDP absolut unangefochten. Seine Partei verliert aber auch ständig an Ansehen, signalisieren jüngste Umfragen. So trafen sich an diesem Wochenende zum Neustart der Koalitionsarbeit drei Parteichefs, die jetzt vor allem eines wollen: Ruhe im Karton.
„Wir haben allenfalls ein Kommunikationsproblem“, hatte Seehofer vor dem ersten Spitzengespräch seit Bildung der schwarz-gelben Koalition gesagt. FDP-Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki sieht das wohl etwas anders. Das Erscheinungsbild der Koalition sei „ziemlich erschreckend“, sagte er am Wochenende. Von einem langfristigen schwarz-gelben Regierungs-„Projekt“, wie es Westerwelle gerne mit den Duzfreunden Merkel und Seehofer begründen würde, erkennt er noch keine Spur.
Damit der „Stellungskrieg“ (Kubicki) unter den Koalitionären endlich beendet wird, wollen die Abgeordneten von Union und FDP - nach dem Treffen der Parteichefs – auch ihr neues Gemeinschaftsgefühl üben. Für den Dienstag haben sie sich für eine Kennenlern-Party in einem Berliner Hotel verabredet – ohne Presse, versteht sich. Ein Spitzenkoalitionär sagt allerdings angesichts der Bemühungen um ein besseres Koalitionsklima: „Mein Therapievorschlag gegen das schlechte Benehmen der Koalitionäre, ist Arbeit.“