Die CSU-Landesgruppe trifft sich heute in Wildbad Kreuth. Ihr Chef nennt im Abendblatt-Interview Bedingungen für weitere Steuersenkungen.
Berlin. Hamburger Abendblatt: Herr Friedrich, wer trägt die Verantwortung für den Fehlstart von Schwarz-Gelb? Westerwelle, Seehofer oder die Kanzlerin selbst?
Hans-Peter Friedrich: Es war kein Fehlstart, aber es lief vielleicht nicht alles ganz so glatt, wie wir uns das alle - die Vorsitzenden, aber auch alle Funktionsträger der drei Regierungsparteien - gewünscht hätten.
Abendblatt: Wie nehmen Sie das Erscheinungsbild der Koalition wahr?
Friedrich: Ich glaube, in der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden: Drei Parteien, die von sich behaupten, dass sie sich gut verstehen, benehmen sich so, als würden sie sich überhaupt nicht verstehen. Dieses Bild ist falsch. Zwischen CDU, CSU und FDP gibt es im Gegenteil große Übereinstimmung in den meisten grundlegenden Fragen.
Abendblatt: Seit dem Jahreswechsel rufen alle wild durcheinander. Wird es Zeit für ein Machtwort der Kanzlerin?
Friedrich: Angela Merkel hat eine andere Rolle als in der Großen Koalition. Sie führt den Geleitzug an. Sie muss nicht mehr moderieren, sondern gibt entschlossen die Richtung vor, wie beim Wachstums- beschleunigungsgesetz geschehen. Dabei hat sie die Unterstützung der CSU.
Abendblatt: Andere haben eher den Eindruck, dass Merkel die Dinge treiben lässt. Braucht Deutschland einen Vizekanzler aus der CSU, wie einige Ihrer Fraktionskollegen fordern?
Friedrich: Das ist eine Schnapsidee.
Abendblatt: Welches Signal soll von der Klausur ausgehen, die an diesem Dreikönigstag in Wildbad Kreuth beginnt?
Friedrich: Die CSU-Landesgruppe geht geschlossen und selbstbewusst in das neue Jahr. Wir wissen, was wir wollen. Was wir den Menschen im Wahlkampf zugesagt haben, halten wir ein. Wir werden das Land in allen Bereichen modernisieren: in der Finanzpolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Europapolitik.
Abendblatt: Hat Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag zu viel versprochen?
Friedrich: Überhaupt nicht. Wir haben zum Beispiel ein Sofortprogramm versprochen - vor wenigen Tagen ist es in Kraft getreten. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz entlastet die Bürger um mehr als acht Milliarden Euro. Zusammen mit dem, was die Große Koalition beschlossen hat, haben wir zum 1. Januar eine Entlastung von 22 Milliarden Euro. Das spüren die Menschen, die Kindergeld beziehen ...
Abendblatt: ... oder ein Hotel betreiben.
Friedrich: Lassen Sie uns auf die großen Linien schauen.
Abendblatt: Sie geben eine Milliarde für Hoteliers aus und tun so, als seien das Peanuts.
Friedrich: Der Koalition geht es mit der Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsleistungen darum, der mittelständischen Gastronomie und ihren Mitarbeitern zu helfen, die in einer internationalen Wettbewerbssituation stehen.
Abendblatt: Die FDP beharrt auf einer grundlegenden Steuerreform. Von 2011 an sollen die Bürger jährlich um 24 Milliarden Euro entlastet werden. Sehen Sie dafür Spielraum?
Friedrich: Wir wollen, dass diese Entlastung kommt. Allerdings müssen wir drei Rahmenbedingungen beachten.
Abendblatt: Die wären?
Friedrich: Erstens müssen wir die Schuldenbremse im Grundgesetz einhalten, ebenso den Euro-Stabilitätspakt. Die zweite Rahmenbedingung ist die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Und drittens müssen wir schauen, welche Einsparmöglichkeiten wir tatsächlich realisieren können. Hierzu wird der Bundesfinanzminister ein Paket auf den Tisch legen, das wir gründlich diskutieren werden. Jeder einzelne Vorschlag muss einer politischen Überprüfung standhalten.
Abendblatt: Sie selbst haben Einsparungen bei der Bundesagentur für Arbeit vorgeschlagen ...
Friedrich: Es gibt keine Tabus. Aber wir sollten jetzt nichts zerreden. Vieles hängt von der Steuerschätzung im Mai ab. Und was die Bundesagentur angeht: Ich halte nichts von Diskussionen über die Erhöhung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung. Wir müssen vielmehr auch schauen, in welchen Programmen der Agentur wir sparen können.
Abendblatt: Was ergibt sich aus alledem?
Friedrich: Ein klares Ja zu Steuerentlastungen. In welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt sie möglich werden, haben wir nicht alleine in der Hand. Die Rahmenbedingungen können uns nicht kaltlassen.
Abendblatt: Wie könnten die Bundesländer weitere Entlastungen schultern? Bundesverfassungsgerichtspräsident Papier hat im Abendblatt-Interview vorgeschlagen, den Ländern zusätzliche Einnahmequellen zu verschaffen - etwa eigene Steuern ...
Friedrich: Für mich steht fest: Die Bundesländer brauchen mehr Autonomie auf der Einnahmeseite. Ich halte nichts von der Idee, neue Landessteuern zu erfinden. Aber die Länder sollten die Möglichkeit bekommen, ihren Anteil an den Gemeinschaftssteuern - also der Einkommen- oder der Körperschaftsteuer - durch eigene Aufschläge oder Abschläge zu variieren.
Abendblatt: Die zweite Föderalismuskommission konnte sich dazu nicht durchringen.
Friedrich: Ich bin dafür, eine dritte Föderalismuskommission ins Leben zu rufen. Wir brauchen eine ständige Modernisierung unseres Bundesstaates, insbesondere seiner Finanzverfassung. In dieser Frage hat Professor Papier völlig recht.
Abendblatt: Herr Friedrich, die CSU hat im Herbst ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erzielt. Kann sie mit Seehofer an der Spitze zu alter Größe zurückfinden?
Friedrich: Selbstverständlich. Wir haben ein gutes Team und einen starken Spielführer.
Abendblatt: In der CSU wird hinter vorgehaltener Hand diskutiert, ob sie mit einem Vorsitzenden zu Guttenberg besser fahren würde.
Friedrich: Diese Diskussion kenne ich nicht.
Abendblatt: Was erwartet die CSU von ihrer Nummer eins ... das ist Seehofer doch noch, oder?
Friedrich: Horst Seehofer ist Parteichef und Ministerpräsident. Als solcher gibt er die Leitlinien vor. Das hat er zum Beispiel bei den Koalitionsverhandlungen hervorragend gemacht - sowohl inhaltlich als auch personell kann die CSU mit deren Ergebnis sehr zufrieden sein.
Abendblatt: Seehofer hat in Kreuth also nichts zu befürchten?
Friedrich: Das ist eine Klausurtagung nach einer gewonnenen Bundestagswahl. Jetzt geht es darum, den Fahrplan für das neue Jahrzehnt abzustecken. Wir bekennen uns klar zur sozialen Marktwirtschaft und zur europäischen Einbindung Deutschlands.
Abendblatt: Sie haben den neuen EU-Ratspräsidenten Van Rompuy zu Gast. Kennen Sie den Mann persönlich?
Friedrich: Nein, noch nicht. Es ist uns eine Ehre, dass Herman Van Rompuy bei seinem ersten Besuch in Deutschland im neuen Amt zu unserer Klausurtagung nach Kreuth kommt. Wir freuen uns darauf, mit ihm unsere europapolitischen Ideen zu diskutieren. Unser großes Thema ist die Erdung der europäischen Politik, ihre Anbindung an die Bürger. Europa wird keine Zukunft haben, wenn es von den Menschen als bürokratisches Gebilde wahrgenommen wird.
Abendblatt: Von welcher Haltung vollen Sie Van Rompuy in Sachen EU-Beitritt der Türkei überzeugen?
Friedrich: Für die CSU bleibt es dabei: Wir halten nichts von einer Vollmitgliedschaft der Türkei. Dies werden wir auch in Kreuth klarmachen.
Abendblatt: Wäre es ehrlicher, die Beitrittsverhandlungen mit Ankara zu beenden?
Friedrich: Gegenüber der Türkei muss die EU mehr Ehrlichkeit walten lassen. Die Türkei ist meilenweit von den notwendigen politischen und wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen für einen Beitritt entfernt. Um den quälenden Beitrittsverhandlungen endlich ein Ende zu bereiten, sollte der Türkei das Angebot einer engen Anbindung an die europäischen Strukturen in Form einer privilegierten Partnerschaft unterbreitet werden.
Der neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, ist evangelischer Franke. Trotzdem hat er eine Madonna in seinem Berliner Büro - aus Tradition. Das wertvolle Stück hatten viele seiner Vorgänger gehütet.