Am 17. Januar wollen sich Guido Westerwelle (FDP), Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt treffen.
Berlin. Das Wort Routine ist aus dem Französischen entlehnt und bedeutet so viel wie "Wegerfahrung". Aber wenn es etwas gibt, was den schwarz-gelben Regierungspartnern im Umgang miteinander fehlt, dann ist es genau das.
Insofern war es schon ein bisschen dreist, dass der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle das bevorstehende Krisentreffen mit Angela Merkel (CDU) gestern etwas obenhin als "Routinetreffen" deklarierten. Am 17. Januar soll es stattfinden. Im Kanzleramt. Ein Sechsaugengespräch zwischen Seehofer, Westerwelle und Merkel. Unmittelbar vor Beginn der ersten Sitzungswoche im neuen Jahr wollen die drei Parteivorsitzenden versuchen, den nicht enden wollenden Streit über Zeitpunkt und Umfang der nächsten Steuersenkungen zu beenden. Außerdem wolle man über die Gesundheitsreform und über die Rolle der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach sprechen, hieß es in Berlin. In Unionskreisen hält man es allerdings nicht für ausgeschlossen, dass anschließend weitere Treffen erforderlich sein könnten. So viel zum Thema Routine.
Die Koalition streitet seit ihrem Start Ende Oktober über die von den Liberalen geforderte Steuerreform, die 2011 in Kraft treten soll. CDU und CSU wollen das 24 Milliarden schwere Vorhaben hingegen unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt sehen. Vor allem will die Union die Steuerschätzung im Mai abwarten. Vorher, heißt es, könne gar nichts entschieden werden.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), den die CSU zu ihrem Januartreffen in Wildbad Kreuth eingeladen hatte, forderte dort einen "Neustart" der Regierungskoalition, und Seehofer nannte einen solchen Neustart ebenfalls "wünschenswert". Seit dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen habe es einen vielstimmigen Chor in der Koalition gegeben, meinte der CSU-Chef. "Das könnte unterbleiben, aber das gilt für meine Partei auch." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verwies darauf, dass die Union in ihrem Wahlprogramm 15 Milliarden Euro Steuerentlastung zugesagt habe, die FDP dagegen 35 Milliarden. Dobrindt fügte hinzu, es sei "nicht alles machbar, was der ein oder andere Partner sich wünscht". Die Reaktion erfolgte prompt. Die CSU fordere anscheinend "immer nur dann Steuererleichterungen, wenn in Bayern Wahlen bevorstehen", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner in Berlin.
Laut "Leipziger Volkszeitung" hat die Union ihre Zahl mittlerweile noch einmal kräftig nach unten korrigiert. CDU und CSU planten inzwischen nur noch Steuersenkungen im einstelligen Milliardenbereich, sie seien sich einig darüber, dass sich "keinesfalls ein zweistelliger Milliardenbetrag" mobilisieren lasse, berichtete die Zeitung am Donnerstag. Westerwelle müsse seine Partei "jetzt von den Bäumen runterholen", zitierte das Blatt aus hochrangigen CSU-Kreisen.
Die Opposition reagierte spöttisch auf das angekündigte Spitzentreffen im Kanzleramt. Die Bundestagsfraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, sprach von Koalitions-Theater, und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast meinte: "Wo Streit zum Alltag gehört, werden Krisentreffen zur Routine."
Die aktuelle Konjunkturprognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sagt der deutschen Wirtschaft für 2010 und 2011 ein Wachstum von jeweils rund zwei Prozent voraus. Erst Ende 2011, sagen die Experten, werde man wieder da sein, wo man vor Beginn der Finanzkrise gewesen sei. Hart geht das Berliner Institut mit der Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung ins Gericht: Sie sei "ziel- und konzeptionslos" und "kaum realisierbar".
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag forderte unterdessen die Einhaltung der schwarz-gelben Steuersenkungsversprechen. Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte im Gespräch mit der "Schweriner Volkszeitung", Union und FDP sollten "in den kommenden Monaten die Eckpunkte und Schrittfolgen einer echten Steuerreform ab 2011 erarbeiten".