Neu Wulmstorf/Stade. „Ich bin stinksauer!“: Politiker und Anwohner im Hamburger Süden reagieren entsetzt auf Horror-Nachricht. Was nun auf Pendler zukommt.
Es ist eine Horror-Nachricht für Pendler aus dem Hamburger Süden: Der Ausbau der A26 von Neu Wulmstorf bis Hamburg verzögert sich um zwei weitere Jahre. Das ist nicht nur eine Hiobsbotschaft für die vielen Menschen, die mit dem Auto zu ihrem Arbeitsplatz in Hamburg fahren, weil für sie das Angebot des HVV einfach nicht passt.
Doch auch für die Wirtschaft im Hamburger Süden und tausende Anwohner an den Alternativstrecken ist diese Nachricht ein Schlag ins Kontor.
Ausbau der A26 verzögert sich: Deges hatte stets betont, perfekt im Zeitplan zu liegen
Eigentlich hatte die Deges immer betont, hervorragend im Zeitplan zu liegen. Ursprünglich sollte das neun Kilometer lange Teilstück zwischen Neu Wulmstorf und dem neuen Autobahnkreuz Hamburg-Hafen Ende 2026 fertig sein – inklusive 17 Brücken, einem 200 Meter langen Tunnel unter der Hafenbahn, 13 Schöpfwerken und elf Kilometer langen Lärmschutzwänden. Doch vor 2028 wird das nichts, wie Deges-Projektleiter Sebastian Haß im Abendblatt-Gespräch einräumte.
„Ich bin stinksauer. Das ist alles ein Unding.“
Die Deges ist eine Projektmanagementgesellschaft von Bund und Ländern, die unter anderem die Planung und die Baudurchführung zur A26 verantwortet. Als Gründe für die „nicht unerheblichen Verzögerungen“ nannte Sebastian Haß im Abendblatt den weichen, instabilen Baugrund, „sehr lange Personalausfälle während der Pandemie“ und den Stahlmangel nach Beginn des Ukraine-Krieges. „Die Zeitverluste können wir nicht mehr aufholen“, so Haß.
Verkehr im Hamburger Süden: Wut und Empörung in den Anlieger-Gemeinden
Ein Sprecher der Deges bestätigte diese Aussagen auf Abendblatt-Nachfrage erneut und nannte zudem Verzögerungen im Bereich des Hafenbahntunnels als Grund für die Verschiebung der geplanten Fertigstellung auf 2028. „Leider lassen sich die daraus resultierenden Zeitverluste trotz intensiver Bemühungen nicht mehr aufholen“, teilte die Deges mit.
In den Anlieger-Gemeinden ist die Empörung groß. „Meine Verärgerung ist riesig“, sagt Neu Wulmstorf Bürgermeister Tobias Handtke. „Wir wurden nicht informiert und mussten von der Verzögerung aus den Medien erfahren.“
Die Deges rechtfertigt ihr Vorgehen: „Um möglichst viele Betroffene zu informieren, hat die DEGES diesmal den Weg des Pressegesprächs mit dem Hamburger Abendblatt gewählt“, so der Sprecher. „So ließ sich auch gewährleisten, dass die Information die Gemeinden gleichzeitig erreicht.“ Die Deges befinde sich mit den Gemeinden im kontinuierlichen Austausch und plane dies auch weiterhin.
A26 zwischen Hamburg und Neu Wulmstorf: Zeit bis zum Fertigstellungstermin verdoppelt sich
Unter so einem „kontinuierlichen Austausch“ verstehen die beteiligten Parteien aber offenbar Unterschiedliches. Noch im Februar hatte Deges-Projektleiter Daniel Scheer im Verkehrsausschuss der Gemeinde Neu Wulmstorf den Eröffnungstermin für den vierten Bauabschnitt der A26 in 2026 „als sehr belastbar“ bezeichnet.
Entsprechend groß ist die Enttäuschung nicht nur im Neu Wulmstorfer Rathaus. „Ich bin sehr verärgert und enttäuscht über die Nachricht und die Kommunikation. Es ist schon verwunderlich, wenn man knapp zwei Jahre vor Fertigstellung erfährt, dass sich die Zeit bis zum Fertigstellungstermin verdoppelt auf vier Jahre“, sagt Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke.
Dörfer am Limit: Anwohner fordern schnelle Entlastung vom Durchgangsverkehr
Dieser verlängerte Zeitraum schaffe wenig Vertrauen in den Projektablauf und die weitere Zeitschiene. Seine Gemeinde sei als bisheriger Endpunkt der A26 besonders belastet und müsse viel zusätzlichen Durchgangsverkehr ertragen. „Und auch für die Pendler und die Wirtschaft hier vor Ort ist die Nachricht ein Nackenschlag“, so Handtke.
Als Resultat werden sich noch mindestens vier weitere Jahre die Blechlawinen über die B73 und die anderen Pendlerstrecken Richtung Hamburg quälen – und abends wieder zurück.
Auch Stader Landrat Kai Seefried entgeistert
„Das ist eine ganz schlechte Nachricht für die gesamte Region“, meint auch Stades Landrat Kai Seefried in einer ersten Stellungnahme. „Für alle Pendlerinnen und Pendler, aber auch für die Unternehmen, ist das eine große Enttäuschung.“ Die Anwohnerinnen und Anwohner in vielen Ortschaften des Landkreises würden seit Jahrzehnten zurecht eine Entlastung vom Durchgangsverkehr einfordern.
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Auch seien die wiederholten Verzögerungen beim A26-Ausbau eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort, so Seefried. „Leider rückt damit eine verlässliche Anbindung nach Hamburg wieder weiter in die Ferne, hinzu kommt – und gerade dieser Bereich bereitet mir große Sorge – die bereits jetzt von starken Einschränkungen geprägte Bahnverbindung“, meint Seefried.
Perspektivisch werde sich diese Situation in den nächsten Jahren aufgrund bereits jetzt bekannter Baustellen noch weiter verschlechtern. Die Menschen aus der Region seien aber zwingend auf eine verlässliche Anbindung über Straße und Schiene angewiesen.
Technische Erklärungen zu den Verzögerungen kann Handtke nicht mehr hören
Tobias Handtke fordert jetzt schnellstens Maßnahmen, um die innerörtlichen Belastungen in Neu Wulmstorf zu verbessern. „Wir haben eine klare Forderung und Erwartungshaltung an die Verantwortlichen und Zuständigkeiten. Wir benötigen mehr denn je Unterstützung und Gehör für unsere Forderungen nach einer wirksamen Verkehrslenkung, damit die Anwohnerinnen und Anwohner im Gemeindegebiet vor weiteren Belastungen geschützt werden“, sagt Handtke.
Die Gemeinde werde unmittelbar die zuständigen Stellen der Deges, des Landkreises als Verkehrsbehörde und die Straßenbauverwaltung einladen, um mehr Maßnahmen für eine wirksame Entlastung zu erfahren. „Wir können nicht mehr darauf vertrauen, dass eine Fertigstellung dann in 2028 erfolgt, also braucht es für entlastende Maßnahmen eine langfristige Perspektive“, sagt der Bürgermeister.
Technische Erklärungen zu den Verzögerungen kann Handtke nicht mehr hören. „Dass die Verantwortlichen es mit einem schwierigen Untergrund zu tun haben, wissen wir seit vielen Jahren“, sagt der Bürgermeister. Die Neu Wulmstorfer haben dafür täglich ein trauriges Mahnmal vor Augen: Die Brücke über die A26, über die künftig die L235 verlaufen soll, ist vor mehr als zwei Jahren abgesackt und wurde bis heute nicht fertig gebaut.
Verkehr Hamburg: Airbus-Pendler überfahren Autobahn auf Provisorium
Deshalb muss der Verkehr aus Rübke und Neuenfelde - und damit auch ein großer Teil des Airbus-Verkehrs – nach wie vor über ein Provisorium über die Autobahn geführt werden. Die Deges hatte versprochen, dass die Brücke spätestens mit der damals noch für 2026 geplanten Eröffnung des vierten Bauabschnitt der A26 nach Hamburg fertiggestellt werde. Jetzt gibt es Befürchtungen, dass sich auch diese Maßnahme weiter hinzieht.
„Ich erwarte, dass nun endlich das fehlende Brückenteilstück der L235 nach Rübke vorangebracht und fertiggestellt wird. Dieses Problem ist seit zwei Jahren bekannt und es hat sich bisher nichts getan“, sagt Tobias Handtke. „Ich bin stinksauer. Das ist alles ein Unding.“