Harburg. Francop, Neuenfelde, Cranz: Wer hier wohnt, strandet trotz HVV oft auf dem Weg nach Hause. Welche Rolle Taxi-Unternehmen nun zukommt.

Am Stadtrand von Hamburg zu wohnen, ist eine Gratwanderung: Man hat seine Ruhe - aber eben auch sehr viel davon. Wem nach abendlicher Aktivität nördlich der Elbe oder in der Harburger City ist, der muss gut planen: Der Heimweg sollte mit Bedacht geplant sein, weil die letzten Busse früh fahren. Das eigene Auto scheint unverzichtbar. Die viel beschworene Verkehrswende scheitert in diesen Stadtteilen krachend.

„Wenn ich zu einer Party in Hamburg eingeladen bin, überlege ich dreimal“, sagt David G. aus Francop. „Fahre ich mit dem Auto, kann ich zwar lange bleiben, muss aber auf den Alkohol verzichten. Nehme ich Bus und Bahn, muss ich die Party verlassen, wenn sie am schönsten wird, denn um viertel vor zwölf fährt am Hauptbahnhof die S-Bahn zum letzten Bus von Neugraben ab – wenn sie denn fährt.“

Südlicher Stadtrand von Hamburg: Nachts kein Bus und auch kein Taxi

Die derzeitige Unzuverlässigkeit des S-Bahn-Fahrplans ist etwas, das die Bewohner der Randstadtteile noch ärger trifft als die anderen HVV-Nutzer: Verpassen sie den Anschluss an den letzten Bus, sind sie in Neugraben oder Neuwiedenthal gestrandet. Taxis gibt es hier nachts nicht: Der Süderelberaum ist den Funktaxi-Anbietern zu unwirtschaftlich. Dann müssen Freunde oder Verwandte angerufen werden und die Leute abholen. Die HVV-Fahrkarte wird nicht rückerstattet: Der Bus war ja pünktlich und die S-Bahn nur ein paar Minuten verspätet.

Viele nehmen deshalb schon eine frühere Bahn. Ist die mal pünktlich, bedeutet das fast eine halbe Stunde Wartezeit am Neugrabener Busbahnhof, dessen Attraktivität auch nach seinem langwierigen Umbau von den Nutzern als niedrig empfunden wird, vor allem wegen des fehlenden Wetterschutzes. Außerdem fährt die S-Bahn so früh, dass ein Drei-Stunden-Shakespeare im Thalia-Theater oder auch nur ein Kinofilm mit Überlänge bereits zum Problem wird.

Wenn das Carsharing-Experiment mit dem Verein Dorfstromer in Fischbek klappt, kann man ja über weitere Stationen nachdenken.
Michael Sander (Grüne) Vorsitzender des Mobilitätsausschusses

Im Hamburger Süden ist nicht nur Francop betroffen, sondern auch Neuenfelde (letzter Bus 0.18 Uhr ab Neugraben), Cranz (23.55 Uhr ab Altona), Moorburg (23.33 Sonnabend ab Harburg Rathaus), Neuland (22.50 Sonnabend ab Harburg) sowie Moorwerder (23.04 ab Wilhelmsburg) und ein wenig auch Finkenwerder. Hier schippert der letzte Dampfer 23.45 ab Landungsbrücken, danach fährt noch der 150er ab Altona. Wer am späteren Abend von Harburg nach Finkenwerder muss, staunt beim Blick auf den Verbindungsplan der HVV-App: Von südlich der Elbe geht es erstmal in den Norden der Elbe, um von dort wieder mit dem Bus durch den Elbtunnel in den Süden zu fahren.

Der Grund: Finkenwerder und Cranz sind abends nur in Richtung Altona und Landungsbücken angebunden. Nicht in die Gegenrichtung. Abendliche Aktivitäten in Harburg oder Süderelbe sind da schon ein Problem. Die Cranzer sind damit auch in der Teilnahme an der Harburger Bezirkspolitik eingeschränkt.

Die Bushaltestellen am Obstmarschenweg sind eng. Jetzt werden Fahrradbügel an den Stopps vorgeschalagen.
Die Bushaltestellen am Obstmarschenweg sind eng. Jetzt werden Fahrradbügel an den Stopps vorgeschalagen. © Andreas Schmidt | Andreas Schmidt

Bis zum „Hamburg-Takt“, den Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) für die mittelfristige Zukunft verspricht, hat die Stadt gerade in den Randbereichen mit wenig Einwohnern auf viel Fläche noch einiges zu tun. „In Harburg haben wir mit dem Sammel-Shuttle Hop in kurzer Zeit schon sehr viele gute Erfahrungen sammeln können“, sagt Michael Sander. Der Grünen-Bezirksabgeordnete ist Vorsitzender des Harburger Mobilitätsausschusses. „Diesen Service brauchen wir auch in Stadtteilen entlang der Süderelbe.“

Auch der Ausbau von Car-Sharing könne in den dünner besiedelten Regionen helfen. „Wenn das Experiment mit dem Dorfstromer-Verein in Fischbek klappt, kann man ja über weitere Stationen nachdenken“, sagt Sander, „außerdem sollte man die abendlichen Takte der Busse verdichten und verlängern, auch dann, wenn es zunächst unwirtschaftlich erscheint. Und man sollte an allen Haltestellen dort Fahrradbügel anbringen, damit die Fahrgäste, die es weit bis zum Bus haben, auch mit dem Fahrrad hierherkommen können.“

Taxis aus Neu Wulmstorf könnten Lücke in Neugraben schließen

Letzteres dürfte an vielen Haltestellen schwierig werden, denn schon jetzt sind die Gehwege im Haltestellenbereich beispielsweise am Obstmarschenweg zu schmal, um Wartenden und Passanten gleichzeitig Platz zu geben. An Neuenfeldes wichtigster Haltestelle fehlt deshalb auch ein Wartehäuschen. Immerhin: Die Tischlerei, die an die Haltestelle grenzt, hat den Wartenden eine robuste und bequeme Bank gefertigt und vor ihrer Werkstatt auf eigenem Grundstück aufgestellt.

Was die Taxis in Neugraben-Fischbek und Hausbruch angeht, ist Bewegung in der Angelegenheit: Die Bezirksversammlung will, dass eine Grauzonenlösung, die viele Betroffene hier nutzen, nämlich sich ein Taxi aus Neu Wulmstorf zu rufen, legalisiert wird.

Bislang dürfen die Neu Wulmstorfer in Hamburg nur sehr eingeschränkt tätig werden. Die Hamburger Funkzentralen, die dies eigentlich schützen soll, geben die Nummer der Neu Wulmstorfer Konkurrenz aber bereitwillig und unaufgefordert heraus, bevor sie lange einen Fahrer suchen müssen, der in die urbane Pampa herausfährt. Geht es nach den Bezirkspolitikern, sollen Landkreisdienste auch auf Taxiständen in und um Neugraben Station beziehen können.