Neu Wulmstorf/Rübke. Anwohner bekommen keine Ortsumgehung und müssen weiter Pendelverkehr zum Airbuswerk Finkenwerder in Kauf nehmen. Gibt es Alternativen?
Jahrelang pilgerten Minister, Landräte, Landtagsabgeordnete und andere Amts- und Würdenträger aller Parteien an die A26-Baustelle in Rübke, um sich fotografieren zu lassen und dabei zu betonen, wie wichtig eine verkehrliche Entlastung des Ortes sei – vor allem nach der Eröffnung der A26 bis zur Anschlussstelle Neu Wulmstorf, und am besten mit Hilfe einer neuer Entlastungsstraße.
Die Autobahn wurde vor einem Jahr mit viel Tamtam und Polit-Prominenz eröffnet. Aber für Rübke wurde nach wie vor so gut wie nichts getan. Das Dorf am vorläufigen Ende der A26 erhielt lediglich ein paar Tempo-30-Schilder. Und nun steht fest: Auch eine Ortsumgehungsstraße zur Entlastung des verkehrsgeplagten Ortes wird es nicht geben.
Gefährliche Verkehrssituation in Rübke: Menschen kommen nicht über die Straße
Dabei stellt sich die Situation für die Anwohner ein Jahr nach der Öffnung des A26-Teilstückes von Jork nach Neu Wulmstorf noch schlimmer dar als vorab befürchtet: Da Buxtehude keine eigene Autobahnzufahrt hat und in absehbarer Zeit auch nicht bekommen wird, laufen große Teile des Pendlerverkehrs von dort weiterhin über die B73 oder eben die Kreisstraße 40 und den Nincoper Deich mitten durch Rübke hindurch.
Mit dem Anschluss an die A7 dürften sich dieVerkehrsströme durch Rübke weiter massiv erhöhen. Eine Machbarkeitsstudie zur Ortsumgehung geht bis zum Jahr 2030 von täglich 12.000 Fahrzeugen aus. „Zu den Stoßzeiten ist es so schlimm, das kein Mensch von der einen Straßenseite zur anderen kommt“, berichten Anwohner im Mobilitätsausschuss der Gemeinde Neu Wulmstorf am vergangenen Donnerstagabend im Rübker Feuerwehrhaus. „Es ist so gefährlich, dass wir unsere Enkelkinder morgens zur Bushaltestelle bringen müssen“, sagte eine Großmutter.
Brücke wird erst viel später fertig, Ortsumfahrung kommt gar nicht
Außerdem muss der Verkehr zwischen Rübke und Neu Wulmstorf nach wie vor mit Hilfe einer Ampelanlage über die Auf- und Abfahrt der Autobahn geführt werden, weil eine Brücke über die A26, über die die L235 als Verbindungsstraße künftig verlaufen soll, abgesackt ist und immer noch nicht repariert wurde.
Diese Lücke, die in diesem Jahr endlich geschlossen werden sollte, wird dort noch länger klaffen und letzlich erst geschlossen werden, wenn die A26 an die A7 angeschlossen und der Verkehr auf der A26 bis nach Hamburg freigegeben ist.
Das bestätigte Christian Merl, Sprecher der zuständigen Autobahn GmbH, dem Abendblatt auf Nachfrage. Die Freigabe ist für 2026 geplant. „Das Brückenbauwerk muss schließlich sicher sein und ordentlich gemacht werden“, so Merl. Außerdem gehe es um Gewährleistungsansprüche - also um die Frage, wer die Schuld an dem Brücken-Debakel trägt und für die zusätzlichen Kosten aufkommen muss.
Die Rübker fühlen sich im Stich gelassen – und das von allen Seiten
Seit rund zehn Jahren beschäftigen sich die zuständigen Behörden und die Ortspolitik mit dem Thema der zunehmenden Verkehrsbelastung in Rübke wegen der A26 und einer Umgehungsstraße. Doch diese ist nun endgültig vom Tisch. Über Jahre hatten die zuständigen Behördenvertreter versicherten, dass ihnen die Probleme in Rübke bekannt sind und sie reagieren werden.
Deshalb ist die Enttäuschung bei den Anwohnern jetzt besonders groß. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Von ihrn eigenen Leuten – und von der Hansestadt Hamburg. Denn an deren Landesgrenze hätte die Entlastungsstraße zum Teil verlaufen müssen. „Eher wird der HSV Meister, als dass die Hansestadt Hamburg hier eine Straße baut“, sagte Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke.
Machbarkeitsstudie für 100.000 Euro ist nunmehr sinnlos
Das Unverständnis für die Hamburger Haltung ist vor Ort groß: „Neuenfelde und das auf Hamburger Gebiet gelegenen Airbus-Werk in Finkenwerder sind Teil des Rübker Problems“, sagte Andreas Bartels, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dorferhaltung Rübke (ADR).
Die Gemeinde Neu Wulmstorf und der Landkreis Harburg hatten 2020 eine Machbarkeitsstudie für 100.000 Euro in Auftrag gegeben. „Das hätten wir nicht gemacht, wenn die Hamburger Seite uns nicht ein gewisses Wohlwollen zum Bau der Ortsumfahrung signalisiert hätte“, so Neu Wulmstorfs Bauamtsleiter Thomas Saunus. Jetzt sehen aber sowohl Saunus als auch Handtke und der Erste Kreisrat Josef Nießen keine Möglichkeit mehr, die Hansestadt ins Boot zu holen. „Ich sehe keine Realisierungschancen mit Zustimmung Hamburgs“, sagte Nießen.
Eine Verlegung der Straße in Richtung Westen auf niedersächsisches Gebiet würde bedeuten, dass eine solche Ortsumgehung viel zu nah an die Wohnbebauung in Rübke heranrücken würde, führte Nießen aus. „Dann wären die Anwohner zwischen zwei Straßen eingequetscht. Das ist so ja auch nicht gewollt.“ Außerdem rissen sich weder das Land noch der Landkreis bei der aktuellen Finanzlage um teure Großprojekte. „Alle Positionen werden derzeit auf den Prüfstand gestellt,“, sagte Nießen. Die Kosten für die Ortsumfahrung waren vor Jahren mit knapp 11 Millionen Euro geschätzt worden, inzwischen dürfte ein solches Projekt viel teurer werden.
Insofern kommt das Argument einer Hamburger Ablehnung den finanziell gebeutelten Kommunen auf niedersächsischer Seite wahrscheinlich ganz gelegen. Der Neu Wulmstorfer Mobiltätsausschuss empfahl die Einstellung der Planungen für eine Entlastungsstraße in Rübke jedenfalls einstimmig. Der Ball liegt jetzt wieder bei den Rübker Bürgern und der Ortspolitik, die neu überlegen müssen, was sie für ihren Ort wollen. „Es kann nur besser werden, viel schlechter als jetzt geht es nicht“, sagte Saunus.
Jetzt kommt die Null-Plus-Variante – der Name sagt alles
Der Neu Wulmstorfer Bürgermeister soll nun beauftragt werden, sich bei den zuständigen Stellen im Kreis und im Land für die Umsetzung der sogenannten Null-Plus-Variante einzusetzen, für die eine Kooperation mit Hamburg nicht benötigt wird. Sie wurde bis dato allerdings nicht als gleichwertige Alternative zur Ortsumfahrung betrachtet.
Die Variante beschreibt lediglich einen Umbau des Nincoper Deichs als Verbindungsstraße von der A26 in Rübke nach Neuenfelde und weiter zur Flugzeugbau-Industrie. So sollen dort die Geh- und Radwege verbreitert und Querungshilfen geschaffen werden. Doch auch die Umsetzung dieser Maßnahme dürfte auch sich warten lassen: Für den Ausbau des Nincoper Deichs liegt noch keine Planung vor, und es wird Grunderwerb nötig sein.