Hittfeld. Den Kult-Gasthof „Zum 100-Jährigen“ kennt Tim Becker noch aus seiner Kindheit. Wie er das Traditionshaus in die Neuzeit führen will.

Was wird aus dem Hittfelder Kult-Restaurant „Zum 100-Jährigen“? Das fragen sich nicht nur Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde Seevetal seit einigen Jahren. Im gesamten Hamburger Süden war der Gasthof im denkmalgeschützten Fachwerkhaus ein Begriff, nicht zuletzt wegen der berühmten Bratkartoffeln, die in allerlei schmackhaften Varianten angeboten wurden – mit Spiegelei, Grützwurst oder Sülze.

Nun ist sicher: Nach Jahren der Planung und etwa zwölf Jahre nach der Schließung im Frühjahr 2013 durch die damaligen Inhaber Georg und Petra Steinwehe wird der „Hundertjährige“ in alter Tradition neu eröffnen.

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Die künftigen Pächter, die Hittfelder Brüder Tim, Felix und Maximilian Becker, hoffen darauf, schon zu Ostern 2025 den Betrieb des Restaurants starten zu können. Das erscheint ambitioniert, aber im Rahmen des Möglichen.

Gasthaus 100-Jähriger Hittfeld
 Das Haupthaus des „100-Jährigen“ stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert. Nun hat die Sanierung endlich begonnen. © HA | martina berliner

„Wir werden mindestens zehn Monate für die Sanierung des Gasthofs brauchen, allerdings gehe ich davon aus, dass die Pächter ihre Gestaltungsarbeiten parallel durchführen können“, erklärt Jörg Ruschmeyer, Projektleiter bei May & Co. Das Unternehmen mit Sitz in Itzehoe und Hamburg hatte bereits 2017 den Zuschlag für die Neugestaltung des Areals rund um das Gasthaus erhalten. Es investiert knapp 20 Millionen Euro in das Großprojekt.

Ursprünglicher Zustand musste über Fotos und Postkarten rekonstruiert werden

Dass sich der Beginn der Sanierung so lange hinzog, hatte mehrere Gründe. Zum einen ist das historische Gebäudeensemble, das aus Gaststätte, Scheune und Destille besteht, Teil des übergeordneten Projekts „Neue Mitte Hittfeld“. Und das sieht auch den Neubau für einen Aldi-Markt samt aufgesetzten Wohnungen, die Vergrößerung des nahe gelegenen Supermarkts von Edeka Meyer sowie die Änderung des Verlaufs der Harburger Straße vor.

Zum anderen sind der Gasthof und seine historischen Nebengebäude denkmalgeschützt. Das Haupthaus stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert. Weil es so gut wie keine Unterlagen oder Pläne zu dem Ensemble gab, musste anhand von Fotos, Postkarten, eines alten Grundrisses und Unterlagen zu ähnlichen Gebäuden in der Gegend der ursprüngliche Zustand rekonstruiert werden.

Alles ist bis ins Detail festgelegt, sogar jede Leiste

Gasthaus 100-Jähriger Hittfeld
Ein Schutthaufen dokumentiert den Start der Sanierung in Hittfeld. © HA | martina berliner

„Wir haben ein Jahr lang in enger Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde gearbeitet. Jetzt liegen alle Genehmigungen final vor. Alles ist bis ins Detail festgelegt: Das Material, die Farbe, sogar jede Leiste“, berichtet Jörg Ruschmeyer.

So müssen beispielsweise einige vor Jahrzehnten neu ausgemauerte Gefache ersetzt werden, weil die Arbeiten seinerzeit nicht denkmalschutzgerecht ausgeführt wurden. Verwendet werden dürfen nun nur historische Ziegel und Mörtel, der in Farbe und Zusammensetzung exakt dem ursprünglichen Material entspricht.

Aufwändige Sanierung: Böse Überraschungen blieben bislang aus

Bereits abgeschlossen ist die „Ertüchtigung“ der auf Feldsteinen basierenden Fundamente von Scheune und Destille. Um die Häuser langfristig vor Schäden durch Absacken zu bewahren, wurde in einem Spezialverfahren Beton untergespritzt. „Das ist schon alles sehr aufwendig und in dieser Intensität mit gleich drei Gebäuden eine echte Herausforderung“, bekennt Ruschmeyer.

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Dabei ist May & Co. ein Unternehmen, das bereits viel Erfahrung mit dem Erhalt alter Bausubstanz hat. Entsprechend wurde vor Baubeginn eine sorgfältige Bestandsaufnahme gemacht. „Bisher jedenfalls haben wir keine bösen Überraschungen erlebt“, erklärt Ruschmeyer erleichtert.

Die Strohdächer von Gasthaus und Scheune sind inzwischen abgedeckt. Erwartungsgemäß hat das Gebälk der Scheune durch Feuchtigkeit gelitten, denn die zum Schutz über das Dach gespannte Plane hat der Wind im Laufe der Jahre zerfetzt. Hier müssen marode Balken ersetzt werden. Der Dachstuhl des Haupthauses dagegen ist wie erhofft unversehrt. Die Reetdächer werden erneuert, Fenster, Elektrik und Heizung ebenso.

Das Innere des Landgasthofs wird so wenig wie möglich verändert

Die Familie Steinwehe, die langjährigen Vorbesitzer, hätten das Haus auch nach der Schließung in einem sehr gepflegten Zustand gehalten, berichtet Tim Becker. Das Innere des Landgasthofs wollen die neuen Pächter auch deshalb so wenig wie möglich verändern.

Der „100-Jährige“ soll seinen urigen Charme behalten. Der Stammtisch, der Tresen, die Bilder an den Wänden, die Trinksprüche auf den Balken sollen bleiben, wie sie sind. Stühle und Bänke werden neu aufgepolstert, Holztische vom Tischler überarbeitet. Nur Resopal-Platten aus den 1950er-Jahren müssen weichen. „Wir suchen derzeit auf Antikmärkten nach Ersatz“, erzählt Tim Becker.

Der „100-Jährige“ liegt den drei Hittfeldern, die bis heute alle in Seevetal leben

Zudem haben die Gebrüder Becker einen gewissen Fundus an Gaststätten-Mobiliar, betreiben die erfahrenen Gastronomen doch auf Sylt die Pony Bar in Kampen und die „Strandhalle“ in List, in Hamburg den „Noho Club“ auf dem Kiez, das Astra Brauerei-Restaurant und „Frieda B.“, ein Tanzlokal auf dem Hans-Albers-Platz. Bis zur Sanierung des Museums für Hamburgische Geschichte betrieb das Trio auch die „Bastion“ im Museum.

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Auch das Sylter Lokal „Pony“ betreibt Gastronom Tim Becker. Hier war es Ende Mai zu rassistischem Gegröle gekommen, ein Video des Vorfalls verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit. © DPA Images | Georg Wendt

Der „100-Jährige“ indes liegt den drei gebürtigen Hittfeldern, die bis heute alle in Seevetal leben, besonders am Herzen. Sind sie dort doch schon als Kinder mit ihren Eltern hier eingekehrt, um Bratkartoffeln zu essen.

Derart deftig ländlich soll die Küche denn auch nach der Wiedereröffnung bleiben und die Portionen sollen laut Tim Becker groß genug sein, um satt zu machen. Die Speisekarte wird aber auch dem Zeitgeist gemäße Gerichte wie Burger sowie Vegetarisches und Veganes beinhalten.

Ein lauschiges Refugium für Snacks, Kaffee und Kuchen oder ein Gläschen Wein

Neben dem großen Gastraum mit 120 Plätzen wird auch die Destille, einst Brennerei für den „Hittfelder Korn“, mit 30 bis 40 Plätzen zur Verfügung stehen. Ein lauschiges Refugium, geeignet zum Verzehr von kleinen Snacks zum Mittag, Kaffee und Kuchen am Nachmittag oder zum Gläschen Wein am Abend. Auch Lesungen sowie andere öffentliche wie private Veranstaltungen sollen hier stattfinden.

Das Gasthaus „Zum 100-Jährigen“ in Hittfeld blickt auf eine jahrhundertealte Tradition zurück.
Das Gasthaus „Zum 100-Jährigen“ in Hittfeld blickt auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. © HA

Ob in den alten Mauern künftig auch Hochprozentiges gebrannt werden wird, steht noch nicht fest. Eine entsprechende Lizenz müsste erst neu von den Beckers beantragt werden.

Im Sommer wird der Platz zwischen Gasthaus und Scheune ein Herzstück des Hofes sein. Wo bis vor Kurzem Autos auf der Harburger Straße fuhren, wird eine große Terrasse entstehen. Hier werden die Gäste des Restaurants und die Kunden der Bäckerei Schrader, die in die Scheune einziehen wird, unter Sonnenschirmen sitzen.

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Eine Gartenanlage rund ums historische Ensemble vervollständigt das Idyll. Die Flächen, auf denen früher eine Lagerhalle und das frühere Wohnhaus der Inhaber standen, werden ebenfalls begrünt werden. Stellplätze sind hinter den Gebäuden vorgesehen, kein Pkw soll das Panorama verschandeln.

Wiederbelebung des „100-Jährigen“ in Hittfeld: Tim Becker bleibt enthusiastisch

Nur eine niedrige Hecke wird das historische Kleinod einfassen, damit Passanten den Anblick genießen können. „Das wird richtig gut aussehen. Fast wie im Freilichtmuseum. Ich wüsste keinen exponierteren Standort und keine besseren Voraussetzungen für so ein Projekt“, schwärmt Jörg Ruschmeyer.

Tim Becker ist ebenfalls enthusiastisch und versichert: „Es ist ein schönes Gefühl, Orte zu schaffen, wo Leute sich begegnen. Wir sind auch nach fünf Jahren Wartezeit voll motiviert, den ,100-Jährigen‘ wieder zu beleben.“