Hittfeld. Kiez-Gastronomen pachten Gasthaus „Zum 100-Jährigen“. Sanierung startet bald. Wann es wieder Bratkartoffeln und Hittfelder Korn gibt.

Im Hittfelder Traditionsgasthaus „Zum 100-Jährigen“ wurde über viele Jahrzehnte gefeiert, gegessen, gelacht und sicher auch gestritten. Am Tresen, wo Hittfelder Korn ausgeschenkt wurde, am Stammtisch unter dicken Holzbalken oder auf den Sitzbänken, wo die Gäste zusammenrücken konnten. Rund 200 Jahre ist es her, dass sich hier zum ersten Mal die Türen öffneten. Seit 2013 ist die Gaststätte geschlossen.

Jetzt gibt es einen neuen Termin für die lange geplante Wiedereröffnung. Von Ostern 2025 an soll der „100-Jährige“, dessen Bratkartoffeln auch Dieter Bohlen schätzte, wieder zu einem Treffpunkt der Menschen aus Hittfeld und Umgebung werden. Das haben der Eigentümer des denkmalgeschützten Gebäudes und die künftigen Pächter des Restaurants angekündigt.

Wiedereröffnung des „100-Jährigen“: Hittfelder Brüder wollen Gasthaus neu beleben

„Alle denkmalschutzrechtlichen Genehmigungen liegen jetzt vor, im Frühjahr wollen wir mit den Sanierungsarbeiten beginnen“, sagt Jörg Ruschmeyer, Projektleiter bei May & Co. Das Unternehmen hatte bereits 2017 den Zuschlag für die Neugestaltung des Areals rund um das Gasthaus erhalten. Es investiert knapp 20 Millionen Euro in das Großprojekt.

Das Gasthaus „Zum 100-Jährigen“ liegt in einem denkmalgeschützten Gebäude von 1707 im Zentrum von Hittfeld.
Das Gasthaus „Zum 100-Jährigen“ liegt in einem denkmalgeschützten Gebäude von 1707 im Zentrum von Hittfeld. © Lena Thiele | Lena Thiele

Der „100-Jährige“ ist Teil eines denkmalgeschützten Ensembles, das aus der Gaststätte, einer Destille und einer Scheune besteht. Neues Leben einhauchen wollen ihm drei Brüder aus Seevetal, die Erfahrung in der Gastronomie mitbringen. Tim, Max und Felix Becker betreiben verschiedene Clubs in Hamburg und den Pony Club auf Sylt. Als sie die Möglichkeit erhielten, das Traditionsgasthaus in ihrem Heimatort mitsamt der Destille neu zu beleben, zögerten sie nicht lange.

Vorbesitzer haben geschlossenes Gasthaus jahrelang gut gepflegt

Große Veränderungen planen die Pächter nicht, der „100-Jährige“ soll seinen alten Charme als uriges Gasthaus behalten. „Wir wollen alles Alte restaurieren und so erhalten, wie es ist“, sagt Tim Becker. Dort, wo Veränderungen notwendig sind, soll ebenfalls möglichst der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden. Neue Stühle und Polster bringen etwas mehr Komfort für die Gäste, Holztische aus dem Lager der Gastronomen ersetzen die resopalbeschichteten Tische. Etwa 300.000 bis 500.000 Euro werden die Brüder voraussichtlich in die Gebäude stecken.

Max Becker läutet die Glocke am Tresen im Gasthaus „Zum 100-Jährigen“. Vieles wird hier bleiben wie in früheren Jahrzehnten.
Max Becker läutet die Glocke am Tresen im Gasthaus „Zum 100-Jährigen“. Vieles wird hier bleiben wie in früheren Jahrzehnten. © Lena Thiele | Lena Thiele

Vieles wird auch bleiben, wie es ist: der Stammtisch, der Tresen, die Bilder an den Wänden, die Trinksprüche auf den Balken. Auch die Küche ist weitgehend einsatzbereit. Die Familie Steinwehe, die langjährigen Vorbesitzer, habe das Haus auch nach der Schließung in einem sehr gepflegten Zustand gehalten, sagt Tim Becker. „Es war alles geputzt und gewienert. Wir haben uns gefühlt wie in einem Museum, als wir das erste Mal hier hereinkamen.“

In Gasthaus und Destille lagern noch viele historische Fundstücke

In den Räumen befinden sich noch zahlreiche Dinge aus dem bisherigen Leben des „100-Jährigen“: Alte Postkarten, Bierkrüge, Schnapsgläser, Wandschilder mit flotten Sprüchen, Kronleuchter und ein Kachelofen. Eine Getränkekarte von 1932 gibt Einblick in die damaligen Trinkgewohnheiten: Ein kleiner Kümmel kostete zehn Pfennig, das Schankbier gab es im kleinsten Glas zum selben Preis. Das teuerste Getränk war ein halber Liter Bier mit Brause für 45 Pfennig.

Weniger aufgeräumt als Stube und Saal, aber ebenso historisch mutet die Destille hinter dem Gebäude an. Hier wurde einst der Hittfelder Korn gebrannt, auch diese Tradition wollen die neuen Pächter wieder aufgreifen.

Eine historische Getränkekarte von 1932 ist im Gasthaus noch erhalten.
Eine historische Getränkekarte von 1932 ist im Gasthaus noch erhalten. © Lena Thiele | Lena Thiele

Große Holzfässer lagern noch an der Wand, eine knallrote Bodenwaage wiegt alles bis 500 Kilogramm und in einer Ecke stapeln sich alte Spaten und Schaufeln. Die hätten vor Jahrzehnten Soldaten in Zahlung gegeben, um ihr Bier trinken zu können, erzählt Max Becker. Es ist nur eine von vielen Geschichten, die sich um den „100-Jährigen“ ranken.

Brüder wollen einen Treffpunkt für Menschen in Hittfeld schaffen

Viele Hittfelder haben gute Erinnerungen an ihre Besuche hier in vergangenen Jahrzehnten. Nicht nur für sie wollen die drei Brüder das Haus wieder zu einem Treffpunkt machen. Das sei bei all ihren Vorhaben immer das Ziel, sagt Max Becker. „Es ist ein schönes Gefühl, Orte zu schaffen, wo Leute sich begegnen.“ Dabei haben sie in Hittfeld besonders auch Familien im Blick.

So wird ein Spielzimmer für die jüngeren Gäste eingerichtet, das „Zum Zehnjährigen“ heißen und einem Mini-Restaurant gleichen soll. Durch eine Klappe zur Küche werden altersgerechte Speisen gereicht und abends soll für größere Kinder auch mal ein Film gezeigt werden. Auch für die erwachsenen Gäste wird es Veranstaltungen, wie zum Beispiel Lesungen, geben.

In der Destille soll wieder Hittfelder Korn gebrannt werden

Dafür ist die Destille gedacht, in der zudem aus den Resten der Originalanlage eine neue Anlage zum Kornbrennen entstehen soll. Für den neuen Hittfelder Korn suchen die Gastronomen derzeit einen Kooperationspartner. Auch die Speisekarte wird viele altbewährte Gerichte enthalten. Für die berühmten Bratkartoffeln sollen die Kartoffeln vom selben Bauern kommen, der bereits früher das Gasthaus beliefert hat. Aber auch vegetarische und vegane Speisen werden künftig angeboten.

In der Destille wurde einst Hittfelder Korn gebrannt, alte Kisten lagern noch in den leerstehenden Räumen. Auch in Zukunft soll es hier wieder besonderen Schnaps geben.
In der Destille wurde einst Hittfelder Korn gebrannt, alte Kisten lagern noch in den leerstehenden Räumen. Auch in Zukunft soll es hier wieder besonderen Schnaps geben. © Lena Thiele | Lena Thiele

Doch bevor hier wieder Leben einkehren kann, müssen die Gebäude saniert werden. Der jahrelange Leerstand hat Projektleiter Ruschmeyer zufolge keine gravierenden Schäden hinterlassen. Das Dach der Scheune jedoch ist seit zwei Jahren provisorisch mit einer Plane geschützt, die dem Wind nicht immer trotzen kann.

Abriss der neueren Gebäude beginnt noch in diesem Jahr

Ein Anbau, eine Lagerhalle sowie das frühere Wohnhaus der Inhaber werden abgerissen, der Abbruch soll noch in diesem Jahr beginnen. Das Entfernen dieser neueren Gebäudeteile ist der erste Schritt, um dem Ensemble seinen ursprünglichen Charakter zurückzugeben.

Das Gasthaus „Zum 100-Jährigen“, hier auf einer historischen Postkarte, soll wieder zu einem Treffpunkt für viele Menschen werden.
Das Gasthaus „Zum 100-Jährigen“, hier auf einer historischen Postkarte, soll wieder zu einem Treffpunkt für viele Menschen werden. © privat | Privat

Die Sanierung der Gebäude soll laut Ruschmeyer im März oder April starten, für das Gasthaus rechnet er mit einem Jahr Bauzeit. Um das Gebäude zunächst statisch zu sichern, wird eine Betonmischung mit Hochdruck in den Boden gespritzt. Der Dachstuhl und das Reetdach werden erneuert, Fenster, Elektrik, Heizung und Teile des Fachwerks erneuert. „Wir wollen wieder ein Schmuckstück daraus machen“, sagt der Projektleiter.

In der früheren Scheune eröffnet ein Bäcker aus der Region eine Filiale

Die Scheune erhält ebenfalls ein neues Reetdach, dort werden die Arbeiten laut Ruschmeyer mindestens ein Jahr dauern. Die Bäckerei Schrader, ein Familienbetrieb aus Apensen mit diversen Standorten in der Region, will dort eine Filiale eröffnen. Auch diese Gespräche liefen gut, sagt Ruschmeyer. Er rechnet damit, dass die Neugestaltung des gesamten Areals im Hittfelder Zentrum nach etwa zwei Jahren Bauzeit abgeschlossen sein wird. Dazu gehört auch, dass der Aldi-Markt in einen Neubau umzieht und der Edeka-Markt erweitert wird.

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Im Frühjahr 2026 könnten dann Menschen zwischen Gasthaus, Destille und Scheune flanieren und zusammenkommen, auch der Durchgang zum Edeka-Gelände soll geöffnet werden. Noch muss jedoch die Harburger Straße, die mitten zwischen den Gebäuden verläuft, verlegt werden. Sie verläuft künftig außen an der Scheune vorbei.

Denkmalschutz erforderte viele Abstimmungen mit dem Landkreis Harburg

Trotz der vielen Jahre, die sich das Projekt nun schon hinzieht, rechnet der Projektleiter mit keinen weiteren Verzögerungen. Die letzte große Hürde waren demnach die aufwendigen Abstimmungen zum Denkmalschutz. „Ein Problem war, dass es so gut wie keine Unterlagen oder Pläne zu dem Ensemble gab“, sagt Ruschmeyer. So musste anhand von Fotos, Postkarten, eines alten Grundrisses und Unterlagen zu ähnlichen Gebäuden in der Gegend der ursprüngliche Zustand rekonstruiert werden.

Für ihren Weihnachtsmarkt im vergangenen Winter hatten die Beckers die Destille mit einem Schriftzug verziert. Er wird aus denkmalschutzrechtlichen Gründen wieder entfernt.
Für ihren Weihnachtsmarkt im vergangenen Winter hatten die Beckers die Destille mit einem Schriftzug verziert. Er wird aus denkmalschutzrechtlichen Gründen wieder entfernt. © Lena Thiele | Lena Thiele

Da lange nicht klar war, wann die Arbeiten beginnen können, haben die Brüder für dieses Jahr keinen Weihnachtsmarkt geplant. „Das ging einfach nicht, wir hätten dann vielleicht keinen Strom gehabt“, sagt Tim Becker. Vor einem Jahr hatten die künftigen Pächter mit einem kleinen Weihnachtsmarkt an den Adventswochenenden bereits einen Vorgeschmack gegeben, wie es in Zukunft im „100-Jährigen“ zugehen könnte. Zahlreiche Besucher nutzten die Gelegenheit, um einen Blick in die urigen Räume zu werfen.

„Zum 100-Jährigen“: Sanierung des Hittfelder Gasthauses startet mit Verzögerung

Mit vorsichtigem Optimismus reagieren Kommunalpolitiker auf die jüngsten Entwicklungen. „Sollte es nicht möglich sein, mit den Bauarbeiten im kommenden Frühjahr zu beginnen, besteht die Gefahr, dass sich die Aussichten zur Sanierung drastisch verschlechtern“, meint Wolfgang Ivens, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Gemeinderat. Auch sein Fraktionskollege Fritz Becker befürchtet, dass die Bausubstanz leiden könnte. „Ich hoffe sehr, dass die Ankündigungen stimmen und es nun wirklich weitergeht am Hundertjährigen.“