Seevetal. Tiere verbringen gesamtes Leben auf der Weide. Familie pflegt alte Nutztierrassen mit Hingabe – und verwertet sie von Kopf bis Fuß.
Wer sich diesen Sommer mal etwas Besonderes für den Grill gönnen möchte und dabei trotzdem auf das Tierwohl achtet, sollte unbedingt einen Ausflug in den Hamburger Süden machen. Denn hier leben die wahrscheinlich glücklichsten Rinder und Schweine, die man sich vorstellen kann.
Es sind die seltenen Nutztierrassen des Arche Hofs Peters in Lütten-Jehrden. Ihr Fleisch wird direkt im Hofladen verkauft – zwar nur wenige Male im Jahr, auf Vorbestellung und direkt nach Schlachtung. Auch die findet direkt auf dem Hof statt. Und weil die Rinder und Schweine von Kopf bis Fuß verwertet werden, sind das ganze Jahr über Köstlichkeiten zu haben.
Steaks vom Hochlandrind: Auf diesem Bauernhof hatten die Tiere ein glückliches Leben
Die alten Nutztierrassen zu bewahren ist ein Anliegen, dem sich auf diesem außergewöhlichen Bauernhof eine ganze Familie verschrieben hat: Allen voran Bauer Horst-Dieter, der gemeinsam mit seiner Frau Gina und Tochter Svenja von früh bis spät für den Artenschutz im Einsatz ist.
Familie Peters führt den eigenen Hof vorbildlich und hat das sogar schriftlich bestätigt bekommen: Im Jahr 2022 wurde den Peters eine Urkunde der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) überreicht, mit der ihr Hof zum offiziellen Arche-Hof erklärt wurden, dem ersten im Landkreis Harburg. Ein verdienter Lohn für all die Mühe, die für Familie Peters nichts anderes ist als Erfüllung.
Dass es einmal so kommen würde, hatte Gina Peters – seit fast 50 Jahren mit ihrem Horst-Dieter verheiratet – niemals geglaubt. Als junge Landwirtstochter aus Hoopte wollte sie vor allem eines nicht: einen Landwirt heiraten. „Zu viel Arbeit und nie Urlaub“, dachte sie damals.
Schottische Hochlandrinder waren die ersten Tiere auf dem Hof
Der patente Horst-Dieter, der damals nacheinander Maschinenbau und KfZ-Mechaniker gelernt hatte, in der Freizeit Motorräder fuhr und sich selbst als hyperaktiv beschreibt, stammte zwar ebenfalls von einem Hof. Aber nur von einem Nebenerwerbsbetrieb mit 3,6 Hektar. Was sollte da schon groß passieren?
Gina arbeitete in einem Hamburger Großunternehmen im Büro, als sie und Horst-Dieter das erste Rind auf ihren Hof ließen. Ein schottisches Hochlandrind, benau so eines, wie sie es auf einer Motorradtour durch die schottischen Highlands gesehen hatten. Das war um das Jahr 1980.
Bald folgten weitere Rinder. Und dann Bunte Bentheimer – selten gewordene Schweine mit Schlappohren, schwarzen Flecken auf der rosa Haut und überaus sanftem Wesen. Die heute marktbeherrschenden Hybridschweine, die nur noch auf Spaltboden stehen können und aus Gründen der besseren Verarbeitung als Kotelett zusätzliche Rippen angezüchtet bekommen haben, waren damals bereits angesagt. Doch für die Peters hatten diese rosa Riesen keinerlei Reiz.
Mit jedem neuen Tier kam eine neue Zufriedenheit
In dieser Zeit fing Horst-Dieter schon wieder eine neue Ausbildung an: In Berlin ließ er sich zum Zahntechniker schulen und arbeitete anschließend fünf Jahre in verschiedenen Praxen in der Nordheide. Doch irgendetwas fehlte, ahnte er.
Mit jedem neuen Tier, das auf den Hof zog, mit jedem neuen Stall, den der begabte Handwerker auf dem elterlichen Grundstück zimmerte, kam ein Stück mehr Zufriedenheit in das Leben der Familie Peters, eine Zufriedenheit, die inzwischen höchstens noch von überbordenenden EU-Richtlinien und aufgeregten Anrufen neu zugezogener Städter gestört wird: „Sie, Herr Peters, da liegt ein Kalb auf der Weide, ich glaub, das ist tot…“ Dabei schlief es in diesem Fall nur, erinnert sich der Hofeigner belustigt.
Die Dorfbewohner waren skeptisch: Was „Der mit dem Zopf“ da wieder treibt
Die Anfangsversuche der Peters, eine neue, nachhaltige und andere Art der Landwirtschaft auf die Beine zu stellen, wurden nicht von allen im Dorf begrüßt. Bald wurde der Hof spöttisch Utopia genannt, sein Inhaber „der mit dem Zopf“ oder „der Grüne vom Mühlenbach“.
Doch aus dem kleinen Nebenerwerb entwickelte sich nach und nach das, was der Hof Peters in Lütten Jehrden heute ist: Ein Vollerwerbshof, von dem aus die Familie 70 Hektar Fläche bewirtschaftet, mit 40 Rindern, darunter Schottische Hochlandrinder, White Park Rinder, die als Vorläufer des europäischen Hausrinds gelten, und Steppenrindern.
Sie alle sind in ihrer Reinform selten geworden beziehungsweise kurz vor dem Aussterben. Und sie alle leben bei den Peters wie im Paradies. Auf wildwüchsigen Wiesen, die die Familie von der Gemeinde Seevetal gepachtet hat und extensiv bewirtschaftet. Kunstdünger und chemische Insektizide bleiben draußen.
Wer Störche haben will, muss Wasserflächen erhalten
Dafür gedeihen seltene Pflanzen auf den Sumpf- und Moorflächen. Wo ein tiefer Graben ist, schaufelt Bauer Peters ihn zu. Wasserflächen, so weiß der durch Eigenstudium zum Landwirt gewordene Mann, sind die Kinderstube der Amphibien. Und Amphibien brauchen Störche und andere Großvögel, um ihre Brut großzuziehen. Wer Störche haben will, muss also Wasserflächen erhalten.
Nicht auf der Weide, sondern in kuschligem Stroh zu Hause: die drei Bentheimer Zuchtsauen, dazu zwei Zuchteber und jede Menge quicklebendiger Nachwuchs, der sich gerade über Brötchen hermacht, die die Peters von einem Supermarkt geschenkt bekommen haben.
Nebenan im Gatter: George und Lucy, ebenso stolze wie rare Exemplare der sizilianischen Girgentana-Ziege. Das Paar aus der bedrohten Art hat vor kurzem ein Kind bekommen, das Zicklein Lukas. Ein großer und wichtiger Erfolg für Familie Peters.
Die Küken der Rasse Ramelsloher Blaubein sind überraschend: schneeweiß
Wer die vier Koniks – das polnische Wort für Pferdchen – auf einer weitläufigen Weide besucht, fühlt sich in Zeiten versetzt, als die Urahnen dieser aus dem Tarpan nachgezüchteten Rasse wild und frei durch Wälder streiften. Auch jetzt sind die Pferdchen sich selbst genug und kommen nur angetrabt, wenn ein Leckerli lockt.
Etwas weiter und unter einem Stalldach geschützt: Hühner der Rasse Ramelsloher Blaubein. Natürlich selten. Und überraschender Weise schneeweiß. Umso bedauerlicher, dass Horst-Dieter Peters vor Kurzem einen Kolkraben mit einem Blaubein-Küken im Schabel vom Hof abheben sah. Bis eine neue Lösung gefunden ist, bleiben die Hühner jetzt drinnen. Raus dürfen dafür die Pfauen, einer davon weiß, die Diepholzer Gänse, bei denen ebenfalls auf Nachwuchs gehofft wird.
Futterknappheit und Umweltbelastungen werden weiter zunehmen
Mit ihren tiefen, dumpfen Rufen die Stars auf der Weide: drei Nandus. Eigentlich sind diese den Straußen ähnelnden Laufvögel in Südamerika zu Hause. Doch kommen sie prima mit dem norddeutschen Klima zurecht. In Mecklenburg leben sie sogar schon wild in der Feldmark. Die Jehrdener Nandus waren ein Geburtstagsgeschenk, das Familie Peters weitergereicht wurde, als der Beschenkte die Tiere nicht in seinem Garten halten wollte.
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Die Arche der Familie Peters hat für viele und vieles Platz. Doch vor allem ist sie eine Schutzstation für alte Nutztierarten, ein historisches Erbe, das es zu pflegen gilt, so die Philosophie der rund 90 Arche-Höfe in Deutschland. Mit ihrer Arbeit wollen die Archen eine Absicherung für eine ungewisse Zukunft schaffen, in der Futterknappheit und Umweltbelastungen weiter zunehmen könnten.
Alte Arten sind widerstandsfähig und optimal an ihre Umwelt angepasst
Denn im Gegensatz zu hochgezüchteten Stalltieren sind alte Arten robust, genügsam und vielseitig. Mit der Aufnahme in die GEH, die hinter der Arche steht, sind die Peters als Züchter und Erhalter dieser alten Arten anerkannt. Und Teil einer Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt, mit Wissen, aber auch mit Zuchttieren.
Der Genpool der alten Arten ist so klein geworden, dass die Nachzucht manchmal schwierig wird. Derzeit stirbt alle zwei Wochen eine alte Haustierrasse aus. Und damit Tiere, die widerstandsfähig und optimal an ihre Umwelt angepasst waren, erklärt Bauer Peters.
Der Tierarzt ist ein seltener Gast auf Hof Peters
Die Rinder der Familie Peters beispielsweise kennen viele Naturfreunde inzwischen aus den Seevewiesen: und zwar als Landschaftspfleger mit ausgeprägtem Sozialverhalten. Nicht nur Mütter, sondern auch Väter und Tanten betreuen den Nachwuchs, düngen die ansonsten kaum zu bewirtschaftenden Flächen und schaffen so einen Lebensraum für Insekten und Bodenbrüter.
Der Tierarzt kommt selten auf den Hof Peters, und wenn, dann nur, um vorgeschriebene Untersuchungen durchzuführen oder Verletzungen zu versorgen. Denn ihren Nachwuchs bekommen die Rinder ohne fremde Hilfe, und auch die Bentheimer Schweine sind in Sachen Kinderkriegen autark.
Dort wo die Tiere ein gutes Leben hatten, werden sie geschlachtet
Inzwischen sitzt Familie Peters beim Nachmittagskaffee vor dem Schlachthaus. Schlachten? Wie bitte?! „Ja, natürlich“, sagt Horst-Dieter Peters. Er hat auch das gelernt. Arche-Höfe sind keine Streichelzoos. Sämtliche dort lebenden Tiere sind Nutztiere und sollen es auch bleiben.
Dort, wo sie aufgewachsen sind und ein gutes Leben hatten, werden sie geschlachtet. In vertrauter Umgebung und ohne Stress. Ihr Fleisch und die daraus gewonnene Wurst gibt es im Hofladen zu kaufen. Die Nachfrage ist groß. Die Erlöse helfen der Familie, den Hof zu finanzieren und für die Zukunft zu sichern.
Jeder Tag auf dem Arche Hof bei Hamburg ist anders
Denn schon steht Svenja Peters in den Startlöchern. Sie wird die Hofnachfolge in dritter Generation übernehmen. Lange Jahre hat die Hotelfachfrau in Hamburg gearbeitet. „Doch das hat mich nicht erfüllt“, bekennt die 42-Jährige, die inzwischen auch ausgebildete Landwirtin ist. Jeder Tag auf dem Hof ist für sie anders, jeder erlebnisreich und auf seine Weise schön und beglückend. Die Arche-Mission ist voll ihr Ding.
Der Hofladen von Familie Peters in Lütten-Jehrden, Am Mühlenbach 57, hat donnerstags von 14 bis 18 Uhr und sonnabends von 9 bis 12 Uhr geöffnet sowie nach telefonischer Vereinbarung unter 0157/98 22 51 37.