Buxtehude. Dr. Ines Wecker heilt Tiere mit einer besonderen Chiropraktik-Methode. Dafür kommen Veterinäre aus der ganzen Welt an ihre Akademie.
Früher war Dr. Ines Wecker eine klassische Tierärztin. Jahrelang betrieb sie eine eigene Kleintierpraxis auf dem Dorf – mit Kortison und Antibiotika in den Schubladen. Und doch keimte in ihr die Frage, ob es nicht jenseits der klassischen schulmedizinischen Tierarzt-Ausbildung mehr geben müsste.
Eine Frage, die sie vor über 20 Jahren zur Pionierin machte. Ines Wecker nahm ein Studium der Veterinär-Chiropraktik in den USA auf und studierte Veterinär-Akupunktur in Belgien. Nach ihrer Weiterbildung setzte sie die erlernten Heilmethoden bei Tieren und insbesondere bei Pferden ein – längst bevor Tamme Hanken als „Knochenbrecher“ im deutschen Fernsehen bekannt wurde.
Pferde-Therapeutin aus Buxtehude: 2005 gründete Ines Wecker die BackBone-Academy
Dr. Wecker pflegt allerdings eine sanftere Herangehensweise als der 2016 verstorbene ostfriesische Riese. „Eine Behandlung im Sinne des Tierwohls geht nur, wenn man selbst entspannt ist und sich dieser Zustand auf das Tier überträgt“, sagt die zierliche Frau, die über eine jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Manualtherapie für Tiere verfügt.
Um ihr Wissen weiterzugeben, gründete sie 2005 die BackBone-Academy in Buxtehude, mit der Dr. Wecker Tierärzten und Tierärztinnen eine umfassende und gründliche Ausbildung in diesem Bereich anbieten wollte. Ein Grund: Es drängten zunehmend Laien mit unbestimmter Qualifikation auf den Markt.
Inzwischen haben zahlreiche Jahrgänge an der Buxtehuder Akademie für Veterinäre eine Ausbildung und Abschlussprüfung absolviert.
Alternative Tiertherapeuten gibt es inzwischen wie Sand am Meer
Dabei geht es der 59-Jährigen vor allem um die Sicherstellung von Qualitätsstandards zum Wohl der Tiere. Denn inzwischen kursieren in fast jedem Pferdestall meist dutzende von Adressen alternativer Tiertherapeuten. Und dabei droht viel Pfusch am Pferd. „Das ist ein Riesenmarkt. Aber nicht jeder Laienbehandler ist auch wirklich gut“, warnt Dr. Ines Wecker. „Und viele Pferdebesitzer, die für ihr Tier nur das Beste wollen, können deren fachliche Kompetenzen gar nicht beurteilen.“
Tierbesitzer verlangten aber immer häufiger nach alternativen Therapiemöglichkeiten für ihre Vierbeiner, so Wecker. „Und diese sollten sie bei ihrem Tierarzt finden können“, sagt sie. „Zurzeit existieren in den meisten europäischen Ländern aber keine staatlichen Kontrollorgane, die die Ausführung von Chiropraktik an Tieren überwachen.“
In ihrer Akademie bildet Wecker ausschließlich fertige Veterinärmediziner weiter
Sie ist der Meinung, dass Chiropraktik als Behandlungsmethode in die Hände von gut geschulten Tierärzten gehört und nur von ihnen angeboten werden sollte. Deshalb bildet sie in ihrer Akademie ausschließlich fertige Veterinärmediziner weiter. Ihnen will sie in Buxtehude ein umfassendes und vor allem im praktischen Bereich möglichst qualitätsvolles Studium zukommen lassen, das sie befähigt, die erlernten Methoden für ihre Patienten anzubieten.
Für die Ausbildung in der BackBone-Academy reisen Veterinäre aus aller Welt nach Buxtehude an. Zuvor haben sie über E-Learning bereits viel Theoretisches erlernt. In Buxtehude kommt in den Ausbildungsräumen der Akademie im Gewerbegebiet am Fruchthof und in einem Partner-Pferdestall noch mehr Theorie und vor allem auch die Praxisarbeit an Modellen und mit Hunden und Pferden hinzu.
Inzwischen bildet Dr. Wecker auch Tierärzte in Australien nach ihrer Methode aus
„Unsere Kursteilnehmer erlernen die chiropraktischen Techniken in Theorie und Praxis“, sagt Wecker. Außerdem bietet die Veterinärin weiterführende Seminare an, die bereits ausgebildeten und erfahrenen Veterinär-Chiropraktikern einen kritischen und offenen Austausch ermöglichen sollen.
„Wenn die Kursteilnehmer hier rausgehen, möchte ich, dass sie mindestens genau so gut sind wie ich oder noch besser“, sagt Wecker, die 1990 promovierte. „Wir möchten mit der Akademie den professionellen Standard weiter fördern und Lösungen auch für kompliziertere Fälle weitergeben“, sagt sie. Inzwischen bildet die Veterinärin auch Tierärzte und -ärztinnen in Australien nach der BackBone-Methode aus.
„Es gibt gute Tierheilpraktiker und schlechte Tierärzte“
Wecker ist wichtig, dass sie nicht grundsätzlich alle Tierheilpraktiker verteufelt. „Es gibt gute Tierheilpraktiker und schlechte Tierärzte“, sagt sie und kritisiert die Polarisierung in diesem Bereich: „Nur das eine oder das andere gelten zu lassen, bringt uns nicht weiter. Wir sollten nicht ausschließlich auf die Schulmedizin bauen und alles andere als Schwurbelei abtun“, sagt sie.
Beides hätte seine Berechtigung – die Schulmedizin und die alternativen Therapien: „Bei Verletzungen ist der Tierarzt auf jeden Fall der richtige Ansprechpartner. Aber wenn es um Imbalancen geht, die noch nicht richtig greifbar sind, können alternative Heilmethoen sehr gut helfen“, nennt sie ein Beispiel.
Wecker arbeitet mit „handfesten Methoden“: „Ich fühle mit den Händen über den Körper und merke, wo etwas nicht in Ordnung ist.“ Auf diese Weise erkenne sie funktionelle neurologische Störungen. „Mit einer manuellen Therapie kann verhindert werden, dass etwas schlimmer wird“, sagt die Veterinärin.
Für das Praktizieren am Tier benötige es aber dringend staatlicher Regelungen und Standards, fordert Dr. Wecker: „Es ist schon erstaunlich, dass sich in unserem überregulierten Land jeder Tierheilpraktiker nennen darf.“
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Geregelte Ausbildungsgänge und Abschlüsse gebe es nicht. Tierhaltern falle es daher schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wecker rät zu einer gewissen Skepsis: „Jeder Pferdehalter und jeder Tierhalter überhaupt sollte gezielt nachfragen und genau prüfen, wem er sein Tier anvertraut.“ Neben viel Geld spare dies vor allem wertvolle Zeit, die sonst eventuell mit einer ungeeigneten Behandlung vertan werde. Ein gesundes Misstrauen dürften wirklich qualifizierte Behandler ihren Kunden kaum übel nehmen, weil es dabei ja lediglich um eines geht: möglichst viel Tierleid verhindern.