Echem. Im Lernlabor für ökologische Schweinehaltung bei Lüneburg lernen Schüler, wie Tiere gehalten werden – und warum Preise variieren.
„Ich wusste gar nicht, dass Schweine so groß sind“, sagt ein Schüler der fünften Klasse der Hugo-Friedrich-Hartmann-Oberschule in Bardowick staunend. „Total cool“ findet die elfjährige Summer den Ausflug zur Lehrwerkstatt Schwein in Scharnebeck bei Lüneburg mit Blick in die Ställe. „Es ist etwas Neues, was man live sehen kann“, sagt sie. Ihre Schulfreundin Nirmeen kommt aus einer syrischen Familie und kennt kein Schweinefleisch auf dem Teller: „Das ist interessant. Ich hätte nicht gedacht, dass viele so eng leben müssen.“
Die Nasen an die großen Fensterscheiben gedrückt, inspiziert die Schulklasse das Lernlabor für ökologische Schweinehaltung bei Lüneburg. In den Hallen des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums (LBZ) Echem, in die wegen der Infektionsgefahr nur durch große Glasfenster geblickt werden darf, suhlen sich die Säue und ihr Nachwuchs. Das Fachpersonal muss strenge Hygieneregeln beachten – jedes Mal beim Betreten und Verlassen des Stalls müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter duschen.
Tierhaltung: Marktanteil von Ökoschweinefleisch liegt unter einem Prozent
In den verschiedenen Häusern des Labors wird der Unterschied zwischen konventioneller und ökologischer Haltung auch für Kinder schnell sichtbar: Die klassische Art der Schweinehaltung ist beengter. Und: Es fehlt das viele Stroh auf dem Boden. Auf Schautafeln ist zu lesen, dass sich die Säugezeit auf ökologischen Höfen auf 40 Tage beläuft, fast doppelt so lang wie normal. Es fällt den Ferkeln dann leichter, sich auf feste Kost umzustellen, zudem sind sie robuster.
„Die Ausstellung ist eine Bereicherung, klasse gemacht. Ich glaube, die Kinder kriegen ein anderes Bewusstsein“, sagt Biologie-Lehrer Ulrich Clausen. Obwohl die Schüler vom Land kämen, seien sie oft über viele landwirtschaftliche Prozesse total verblüfft. „Es ist wichtig, einen Bezug zu den Lebensmitteln zu bekommen, die sie zu sich nehmen“, findet er. Die Außenerfahrung und Interesse daran fehle meist ab der fünften, sechsten Klasse: „Das Rumtoben ist nicht mehr so verbreitet. Das Smartphone nimmt immer mehr Platz ein.“
Natürliche Belüftung, mehr Platz, besseres Futter
Im Lernlabor ökologische Schweinehaltung, einem dreijährigen Projekt bis Dezember 2023, das vom Bundesagrarministerium gefördert wird, können Besucher die vier bekannten Haltungsformen, die es im Handel zu kaufen gibt, selbst zusammenstecken. Sie können mehr Pflege und Fürsorge für die Tiere wählen, eine natürliche Belüftung, mehr Platz und besseres Futter. Das hat seinen Preis: Die Futterkosten bei einem Bio-Mastschwein belaufen sich auf insgesamt 150 Euro, mehr als doppelt so viel wie in konventionellen Ställen.
In einem mobilen Lernlabor ist eine Mitmach-Ausstellung in einem Pkw-Anhänger zu verschiedenen Aspekten der Haltung untergebracht. Die Besucher können die Bucht eines Mastschweins – je nach Haltungsform – nachbauen, einen Stall digital modernisieren und verstehen, wie der Aufpreis für eine Biowurst entsteht. „Das ist toll gemacht, sehr hilfreich“, meint Klassenlehrerin Christine Volkmann. Auch sie hätte sich die Verhältnisse in der Massentierhaltung nicht so beengt vorgestellt.
Deswegen ist die zehnjährige Julia besonders kritisch – auch wenn ihr Vater Landwirt ist. „Ich esse nicht so gern Fleisch wie meine Familie“, erzählt sie. „Manchmal fühle ich mich nicht gut, dass ich überhaupt Fleisch esse.“ An diesen Tagen setzt sie auf Gemüse.
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Tierhaltung: Marktanteil von Ökoschweinefleisch noch unter einem Prozent
„Unser Lernlabor ermöglicht eine Auseinandersetzung mit dem natürlichen Verhalten von Schweinen, mit unterschiedlichen Haltungsbedingungen, mit der Perspektive der Tierhalter und mit dem eigenen Konsumverhalten“, erläutert Projektleiterin Bettina Labesius vom LBZ.
Eine für viele Besucher überraschende Zahl: Der Marktanteil von Ökoschweinefleisch liegt immer noch unter einem Prozent – Tendenz steigend. In Deutschland werden 26,9 Millionen Schweine zur Fleischerzeugung gehalten, heißt es beim Bundesinformationszentrum Schweinehaltung. Der Schwerpunkt liegt in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit fast 60 Prozent.