Bergedorf. Tierwohl und regionale Erzeugung stehen bei Norddeutschlands erstem teilmobilen Schlachtbetrieb im Mittelpunkt.

Betriebe wie der von Martin Lüdeke (58) am Curslacker Deich oder Frederik Schmoldt (45) am Horster Damm sind in der Region tief verwurzelt, produzieren mit ihrer Mutterkuhhaltung hochwertiges Fleisch. Während die beiden Landwirte die Tiere zu Handwerks-Schlachtern in Trittau und Aumühle bringen, müssen viele ihrer Berufskollegen große, weiter entfernte Schlachthöfe ansteuern, etwa in Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein. Doch das schadet den Tieren und kommt auch beim Verbraucher nicht gut an. Dem liegt tierwohlgerechte Haltung am Herzen. Deshalb sei es an der Zeit, andere Wege zu gehen: Die Landwirte wollen sich für die Zukunft sicher aufstellen und Norddeutschlands ersten teilmobilen Schlachtbetrieb ins Leben rufen.

Ein Schlachter soll die Kühe auf dem Hof töten. Danach werden die toten Tiere sofort (möglichst innerhalb einer Stunde, maximal zwei Stunden) zu einem nahe gelegenen Schlachthaus befördert, dort zerlegt und weiterverarbeitet. Mit Holger Behrens ist bereits ein Metzgermeister mit im Boot, zwei Grundstücke für den Betrieb haben die Landwirte im Blick. Sie liegen in den Vier- und Marschlanden.

Teilmobiles Schlachten in den Vier- und Marschlanden

Geplant sei ein „handwerkliches Schlachthaus“ in erweiterbarer Modulbauweise auf einem „nackten Grundstück“, das mindestens 3000 Quadratmeter groß ist und vorzugsweise an einer Hauptstraße in einem sogenannten Außenbereich liegt. Ein Gewerbe- oder Wohngebiet sei weniger geeignet. „Landwirtschaft und Gartenbau sind ja unter gewissen Voraussetzungen zum Bauen im Außenbereich berechtigt“, sagt Lüdeke.

Als Bauernpräsident ist Martin Lüdeke (2. v. r.) gut vernetzt und viel unterwegs: Das Bild von 2016 zeigt ihn zu Besuch auf dem Milchhof Steffens am Neuengammer Hausdeich mit Matthias Steffens (von links) sowie den CDU-Politikern Bernd Capeletti, Dennis Gladiator und Dennis Thering.
Als Bauernpräsident ist Martin Lüdeke (2. v. r.) gut vernetzt und viel unterwegs: Das Bild von 2016 zeigt ihn zu Besuch auf dem Milchhof Steffens am Neuengammer Hausdeich mit Matthias Steffens (von links) sowie den CDU-Politikern Bernd Capeletti, Dennis Gladiator und Dennis Thering. © Diekmann

An der groben Planung für den teilmobilen Schlachtbetrieb arbeiten die Initiatoren bereits zwei Jahren. Mit der Idee richten sie sich vor allem an Mutterkuhhaltungsbetriebe. Bei der Mutterkuhhaltung bleiben die Kälber sechs bis neun Monate bei ihrer Mutter, bis sie keine Milch mehr brauchen. Dadurch seien sie robuster und gesünder als Kälber, die schon nach wenigen Tagen von der Mutter, die wegen ihrer Milch gehalten wird, getrennt werden, berichten Lüdeke und Schmoldt. Nach zwei Jahren werden die Jungtiere geschlachtet.

Berater suchen mit Landwirten nach Wegen für mehr Tierwohl

Wegbereiter für das Schlachtbetrieb-Vorhaben ist das bundesweite „Netzwerk Fokus Tierwohl“, um das sich in Hamburg die Landwirtschaftskammer kümmert. Sie hat Hanna Kothenschulte (29) als „Tierwohlmultiplikatorin“ engagiert. Finanziert wird das von Juni 2020 bis Ende 2023 angelegte Netzwerk-Projekt vom Bund mit 15 Millionen Euro.

Berater wie Hanna Kothenschulte sind in allen Bundesländern unterwegs, um gemeinsam mit Landwirten und anderen Nutztierhierhaltern nach Möglichkeiten zu suchen, wie mehr Tierwohl umgesetzt werden kann. Es gebe Signale aus Berlin, das Netzwerk-Projekt zu verlängern, weiß Lüdeke, „zumal auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir mehr Tierwohl fordert und die regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte voranbringen will“.

Kleine, handwerkliche Schlachtereien gibt es nur noch wenige

Martin Lüdeke hat auf seinem Hof 100 Mutterkühe sowie 250 Kälber und Jungrinder, Frederik Schmoldt versorgt derzeit 70 Mutterkühe und 100 Kälber/Jungrinder. Kleine, handwerkliche Schlachtereien gebe es leider nur noch wenige. Ihre Schlachter seien „am Limit“, berichten die Landwirte. Die Schlachter und die Betreiber der großen Schlachthöfe müssten strenge Auflagen erfüllen.

Kühe auf einer Weide im Landgebiet. Sie sollen künftig auf der Weide oder auf dem Hof betäubt und getötet werden, um ihnen qualvolle Transporte zum Schlachthof zu ersparen.
Kühe auf einer Weide im Landgebiet. Sie sollen künftig auf der Weide oder auf dem Hof betäubt und getötet werden, um ihnen qualvolle Transporte zum Schlachthof zu ersparen. © Bätke

„Anderswo geht’s robuster zu“, sagt Schmoldt. Von dort komme das Rindfleisch zu Dumpingpreisen. Ihm und auch Lüdeke sei es wichtig, dass ihre Tiere komplett verwertet würden. Dies sei zum einen nachhaltig, beschere dem Halter zum anderen höhere Einkünfte. Sogenannte Schlachtabfälle sollten in dem geplanten Betrieb etwa zu Hundefutter verarbeitet werden, aus den Tierfellen könnten Handtaschen und Schuhe produziert werden.

Neue Generation isst weniger Fleisch, legt Wert auf Wohl der Tiere

Die Mutterkuhhalter unterscheiden sich von anderen Rindfleischbetrieben deutlich, betont Lüdeke: Sie arbeiteten art- und tierwohlgerecht, und die Bauern würden Grünland vor ihrer Haustür nutzen, um die Kühe mit Futter zu versorgen. „Dieses Grasland macht die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland aus. Dort wächst in der Regel kein Gemüse und Getreide, weil die Böden für Ackerbau ungeeignet sind“, sagt Lüdeke. „Meist handelt es sich außerdem um geschützte Flächen, auf denen nur Grünfutter gewonnen werden kann.“

Andere Rinderhalter würden ihre Tiere mit Energiefutter versorgen, damit diese schnell viel Gewicht zulegen. Lüdeke: „Wir bewegen uns da auf einem anderen Niveau, nutzen das sowieso vorhandene Grünland. Wir fügen uns in die Natur ein und nehmen das, was sie uns vorgibt.“ Bei anderen Rinderhaltern seien die Tiere nie draußen, bei der Mutterkuhhaltung seien die Kühe im Sommer auf der Weide und nur im Winter im Stall.

„Die Menschen kochen wieder mehr selbst und sind dazu bereit, für gute Qualität mehr Geld auszugeben“: Frederik „Freddy“ Schmoldt, Landwirt aus Altengamme, setzt nach dreijähriger Auszeit wieder auf den Verkauf seines Rindfleisches ab Hof.
„Die Menschen kochen wieder mehr selbst und sind dazu bereit, für gute Qualität mehr Geld auszugeben“: Frederik „Freddy“ Schmoldt, Landwirt aus Altengamme, setzt nach dreijähriger Auszeit wieder auf den Verkauf seines Rindfleisches ab Hof.

Dies komme der neuen Generation, die weniger Fleisch isst und großen Wert auf das Wohl der Tiere legt, entgegen. „Sie ist auch bereit, mehr Geld für hochwertiges Fleisch auszugeben, kocht häufiger selbst“, sagt Schmoldt. Er habe deshalb vor drei Jahren seinen Hofladen wieder eröffnet. Der Plan sei nun, im Verbund die Regionalität „von der Geburt bis zur Fleischtheke“ abzubilden und sich an jene zu wenden, die Ansprüche stellen und für Fleisch mehr Geld ausgeben.

Am 24. März wird eine Vermarktungsgesellschaft gegründet

In Hamburg gebe es rund 40 Mutterkuhhaltungsbetriebe, „davon befindet sich die Hälfte in den Vier- und Marschlanden“, sagt Lüdeke. Deshalb soll der Schlachtbetrieb auch dort entstehen. 20 der 40 Betriebsinhaber seien bereits „sehr interessiert“ an dem Vorhaben. Bis zum 1. März sollen sie jeweils 500 Euro für die Anschubfinanzierung aufbringen. Dann werde ein Businessplan erstellt.

Im Verbund soll nicht nur die Verarbeitung des Rindfleischs, sondern auch dessen Vermarktung gemeistert werden. Deshalb soll am 24. März eine Vermarktungsgesellschaft als GmbH gegründet werden. Gesellschafter können auch Externe werden, die mit Rinderhaltung nichts zu tun haben. Die Initiatoren gehen von einer Investitionssumme von 830.000 Euro für das Grundstück, drei Schlachthaus-Module, Einrichtung, Verkaufswagen und Pkw aus. Ein Teil des Kapitalbedarfs soll über ein Bankdarlehen gedeckt werden.

Wichtige Kooperationspartner hätten bereits Interesse beziehungsweise ihre Unterstützung signalisiert, berichten die beiden Landwirte, etwa die Hamburger Umweltbehörde, von der man sich, ebenso wie vom Bund, eine finanzielle Förderung erhoffe. Auch das Verbraucherschutzamt im Bezirksamt und das zuständige Veterinäramt seien in die Planungen einbezogen. „Mittlerweile hat die Hamburger Gesundheitsbehörde grünes Licht gegeben“, sagt Hanna Kothenschulte.

Teilmobiler Schlachtbetrieb soll behutsam aufgebaut werden

In ganz Hamburg gebe es etwa 6000 Rinder – Mutterkühe (etwa 3500), Milchkühe, Masttiere. „1000 von ihnen könnte man jährlich schlachten – und das würde nicht einmal 0,5 Prozent des Hamburger Rindfleisch-Konsums abdecken“, weiß Martin Lüdeke, der auch das Amt des Präsidenten des Hamburger Bauernverbandes bekleidet. Frederik Schmoldt engagiert sich ebenfalls im Vorstand des Verbandes, der bei dem Voranbringen des Projekts mit der Landwirtschaftskammer zusammenarbeitet.

Der teilmobile Schlachtbetrieb solle aber behutsam aufgebaut werden: Beginnen wolle man mit 100 Rindern im ersten Jahr. „Langfristig ist eine Erweiterung des Sortimentes auf Schweine, Schafe und Geflügel sowie Wildfleisch fest eingeplant“, sagt Hanna Kothenschulte und fügt hinzu: „Der Aufbau einer eigenen Regionalmarke ist angedacht.“

Für weitere Informationen steht Hanna Kothenschulte gern zur Verfügung, Telefon: 040/78 12 91 23.