Rosengarten. Christian Harms baut Kartoffeln an, die es im Supermarkt nicht gibt. Wo man sie bekommt – und welche Rezepte die ganze Familie liebt.
- Die Kartoffelernte 2023 ist in vollem Gang: Auch für Landwirt Christian Harms bedeutet das anstrengende Wochen.
- Sein Hof liegt in der Gemeinde Rosengarten bei Hamburg.
- Neben Raps, Weizen, Ackerbohne und Gerste werden auf dem Familienbetrieb Kartoffeln angebaut.
Dieser Mann bekommt sie alle: Linda, Annabell, Gunda, Laura, Belana, Venezia, Afra und Glorietta. Sie gehören ihm und liegen ihm zu Füßen. Müsste er einer einzigen treu bleiben – das würde Christian Harms nicht ausreichen. Er liebt die Vielfalt und kriegt sie alle herum. Raus aus der aufgewühlten Erde, hoch ans Tageslicht. Der Kartoffelbauer steckt mitten in der Ernte.
Es gibt ja diese alte Sprichwort, nach dem die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln ernten. Es suggeriert, dass jemand ohne Anstrengung und ohne dass er es verdient hätte, erfolgreich sein kann. Mitnichten, wie ein Besuch bei Christian Harms auf seinem traditionsreichen Hof in dem zur Gemeinde Rosengarten gehörenden Dorf Iddensen zeigt.
Seltene Kartoffelsorten: Für Christian Harms eine Herzensangelegenheit
„Den Kartoffelanbau muss man klug managen, damit der Boden gesund bleibt“, sagt der 39-Jährige. Auf dem gleichen Acker können nur alle vier Jahre Kartoffeln angebaut werden, damit der Boden fruchtbar und sein Mineralstoffhaushalt ausgeglichen bleibt. „Die Einhaltung der Fruchtfolge spielt eine wichtige Rolle, weil die Pflanzen nur dadurch optimal mit Nährstoffen versorgt werden und widerstandsfähig gegenüber Schädlingen und Krankheiten sind“, erklärt Harms.
Die Familie Harms lebt und wirtschaftet mittlerweile in der siebten Generation auf dem Hof in Iddensen, dessen Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Neben Raps, Weizen, Ackerbohne und Gerste werden auf dem Familienbetrieb Kartoffeln angebaut. „Der Kartoffelanbau ist für uns eine Herzensangelegenheit, bei dem der Fokus auf dem Geschmack liegt. Für den Geschmack verzichten wir auch auf Ertrag. Damit stechen wir aus der Masse heraus“, sagt Harms.
Köstlich, aber vom Handel verschmäht: Die Kartoffel-Sorte „Venezia“
Dabei spielen die Bodenverhältnisse und das Klima eine Rolle, es kommt auf die angepasste Düngung an, die kontinuierliche Wasserversorgung und die Sortenwahl, erläutert Harms. Seine Maxime: Klasse statt Masse: „Wir stellen immer die Qualität vor die Menge.“ Deshalb gibt es auf dem Harms-Hof auch Sorten wie „Venezia“, die vom Anbau her eher schwierig sind und auch vom Handel wegen ihrer länglichen Form nicht so gern genommen werden. „Aber ihr Geschmack ist so vorzüglich, dass sich die Mühe lohnt“, sagt Harms.
Mit der Kartoffelernte geht der Landwirt nun in die letzte Etappe der Erntesaison, die rückblickend wegen des vielen Regens eine nervenaufreibende war. Doch jetzt scheint sich ein Happyend für den dreifachen Familienvater anzubahnen, der zurzeit an sieben Tagen in der Woche zehn bis 12 Stunden arbeitet.
Das ist eines der Lieblingsgerichte von Harms und seiner Familie
„Du musst dabei sein im Staub“, sagt er. „Kartoffeln erfordern viel Fingerspitzengefühl.“ Abends gibt es die Belohnung aus Topf, Pfanne oder Ofen: Da liegt die mehlig kochende Sorte „Gunda“ geschmeidig als Püree auf dem Teller, „Belana“ lockt als Ofenkartoffel mit Kräuterquark oder „Laura“ möchte vernascht werden – roh in kleine Würfel geschnitten, wird sie in Rapsöl gebraten.
Das ist eines der Lieblingsgerichte von Harms und seiner Familie. „Und die Zubereitung ist einfach und geht genauso schnell wie eine Pasta“, sagt der Landwirt, der gern am Herd steht, um mit der Vielfalt seiner Erdäpfel zu experimentieren. „Ich mag auch mal Nudeln, aber Kartoffeln stehen bei uns natürlich an erster Stelle.“
Er selbst ist der lebende Beweis dafür, dass des Deutschen liebste Knolle, von denen jeder Deutsche pro Jahr im Durchschnitt knapp 60 Kilogramm verspeist, nicht dick macht. Außer sie wandert in Form von Chips oder Pommes in den Mund.
Kartoffeln sind reich an Kohlenhydraten und machen lange satt
Trotz des aktuell hohen Preisniveaus gilt die Kartoffel immer noch als günstiges Lebensmittel mit vielseitigen Einsatzmöglichkeiten, wie etwa im Kartoffelsalat oder als Kartoffelpuffer. Sie hat einen hohen Gehalt an Kohlenhydraten und macht lange satt. Außerdem liefert die Kartoffel wichtige Vitamine sowie Mineralstoffe, und sie enthält kaum Fett.
Bei der Vermarktung seiner Erdäpfel setzt Christian Harms auf den direkten Kontakt zum Kunden. „Bei uns gibt es Kartoffeln mit Familienanschluss“, sagt er. „Umso näher man am Kunden ist, umso weniger muss man sich als Erzeuger mit den Preissprüngen im Großhandel auseinandersetzen.“
Seine Frau, eine Architektin, hat eine schicke Kartoffeltankstelle entworfen, ein kleines, kühles Holzhäuschen, in dem die verschiedenen Kartoffeln vor dem Tageslicht geschützt sind und in Selbstbedienung erstanden werden können. Außerdem holen viele Marktbeschicker, die in Hamburg und auf den Märkten der Region ihre Gemüsestände haben, die Kartoffeln auf dem Harms-Hof in Iddensen ab.
Rosengarten bei Hamburg: Böden wie gemacht für den Anbau von Kartoffeln
Mit der diesjährigen Ernte ist Christian Harms bisher sehr zufrieden. Die Kartoffeln haben eine helle und ebenmäßige Schale. „Diese hellschalige Ware haben wir aufgrund unserer hervorragenden Böden in Rosengarten, bei denen wir ohne Beregnung auskommen, weil er so gut Wasser speichern und verteilen kann“, sagt Harms. „Durch den feinen Boden ist die gebürstete Kartoffel fast so sauber wie gewaschene Ware, ohne die bekannten Nachteile.“
Eine Besonderheit der diesjährigen Ernte ist der hohe Anteil an größeren Kartoffeln, die derzeit aus der Erde geholt werden. „Das liegt daran, dass die Kartoffelansätze zum Beginn des Kartoffeljahrs geringer gewesen sind“, sagt Harms. Er sieht diese Entwicklung in Zusammenhang mit dem Klimawandel: „Die Mutterknolle hat von vornherein weniger Knollen ausgebildet, um auch bei schlechteren Bedingungen – etwa bei Dürre – mehr Kraft zu haben, die einzelnen Knollen zu versorgen.“ Aus einer Mutterknolle werden in einem halben Jahr etwa zehn bis 15 Tochterknollen.
Mit der richtigen Kühlung bleiben Kartoffeln monatelang frisch
Im Moment werden die Kartoffeln mit dem Roder aus dem Boden geholt bis es dunkel wird. Dann den kurzen Weg zum Hof an der Iddensener Dorfstraße gefahren, in große Holzkisten verpackt und nach dem ersten Abtrocken in einer großen Lagerhalle lichtgeschützt eingelagert. Mit der richtigen Kühlung bleiben sie dort monatelang frisch und können es geschmacklich noch zur Spargelzeit im kommenden Jahr mit den Frühkartoffeln aus Nordafrika aufnehmen.
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„Die Kartoffeln sollten auch zu Hause im Dunkeln bei einer Temperatur von mindestens fünf und höchstens zehn Grad gelagert werden. Das kann gegebenenfalls auch im Kühlschrank sein“, sagt Harms. Die Erdäpfel könnten aber auch zwei Wochen bei Zimmertemperatur überstehen. „Die Dunkelheit ist wichtiger“, so Harms.
Noch bis Mitte, Ende Oktober werden sowohl Bauern als auch Hobbygärtner ihre Erdäpfel aus der Erde holen – effektiv mit modernsten Maschinen oder für den Hausgebrauch mit der Kartoffelgrabegabel. Niedersachsen ist nach Zahlen des Landvolk-Pressedienstes mit Abstand das größte Anbaugebiet für Kartoffeln im Bundesvergleich. In ganz Deutschland wurden im vergangenen Jahr demnach auf knapp 260.000 Hektar Erdäpfel angebaut, in Niedersachsen waren es rund 115.000 Hektar.