Hamburg. Verkehrssenator gegen Ausschussvorsitzende in Altona. Ob U5, S-Bahn oder Elbtower – Heike Sudmann stichelt in den Schwachstellen des Senats.

Für den rot-grünen Senat ist sie Hamburgs größte Nervensäge: Heike Sudmann, eine der Spitzenfrauen der Linken in der Bürgerschaft. Es ist ein böses Wort, und es wird der zum Lachen neigenden 62-Jährigen persönlich überhaupt nicht gerecht. Aber so ist das mit Etiketten, die an einem haften. Sie trägt es mit Humor.

Denn: Da steht der Elbtower in der so schicken HafenCity, wo man Bauklötze staunt, besser gesagt: Er wankt, der stummelige Rohbau – und die Abgeordnete Sudmann fragt nach den Schuldigen in diesem absehbaren Benko-Desaster. Sie stichelt wegen der Auftraggeber und Grundstücksverkäufer im Senat Olaf Scholz und wegen der hochheiligen Versprechungen von dessen Nachfolger Peter Tschentscher (beide SPD), dass da in den Elbtower keine öffentlichen Gelder reinfließen und alles privat finanziert sei. Dass dem nicht so ist mit dem jetzt diskutierten Einzug eines Naturkundemuseums, das wird Sudmann im Aktenschrank unter „Versprochen – gebrochen“ ablegen.

Elbtower, S-Bahn und U5: Heike Sudmann legt Hamburger Schwachstellen offen

Heike Sudmann hat einen Röntgenblick für die Schwachstellen des Senats. Sie liegen oft auf den Feldern, die ihr liegen: Stadtentwicklung (sie ist Stadtplanerin), Verkehr (sie kämpft für die Straßenbahn) und vermeintliche politische Orchideen wie der Kampf um die Sternbrücke an der Kreuzung Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee. Die Brücke muss neu. Das ist selbst unter wohlmeinenden Nostalgikern unstrittig. Doch was die Deutsche Bahn da im Auftrag des Senats plant, wurde „Monsterbrücke“ (Sudmann) getauft.

Elbtower-Aktion der Linken mit Heike Sudmann
Heike Sudmann (Linke) protestierte vor einer Ausschusssitzung gegen den Elbtower in Hamburg. © picture alliance/dpa | Georg Wendt

Monster macht sich gut in der politischen Rhetorik. Und warum man die Straße kurz vor dem neuen Monster verbreitert, um sie kurz dahinter wieder schmaler zu machen, das soll ihr, bitte schön, mal jemand erklären. Nur weil dieser Senat das so unbeirrbar und unerklärbar will, wird die Brücke überhaupt so, wie sie wird: ein Monster. Dagegen kämpft Heike Sudmann beinahe wie Don Quichote.

Bürgerschaftswahl 2025: Sudmann versus Tjarks im Hamburger Wahlkreis 3

Und für bezahlbaren Wohnraum in Hamburg streitet sie auch. Das ist das unterschwellige Mega-Thema der kommenden Bürgerschaftswahl und für Zehntausende Hamburger ein existenzielles. Sudmann streitet dafür auch in Altona, ihrer Heimat, die auch Heimat des Senators ist, der eigentlich sehr nah an der politischen Kampflinie der umtriebigen Linken-Politikerin liegen sollte: Anjes Tjarks.

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Beide könnte so viel verbinden: die Liebe zum Radfahren, ein ökologisches Bewusstsein, das Streiten für die nachhaltig richtigen Themen. Sudmann war mal bei den Grünen, ehe sie zur Gruppierung „Regenbogen“ wechselte und schließlich bei den Linken landete. Und wie es die Einteilung für die Bürgerschaftswahl 2025 so will, tritt in Altona (Wahlkreis 3) Sudmann gegen Tjarks an. Freunde oder Feinde? Klar gibt es noch andere Kandidatinnen und Kandidaten dort. Aber das Duell dieser ziemlich besten „Freinde“ ist doch das brisanteste.

Wortgefechte im Verkehrsausschuss: „Herr Tjarks, wir würden jetzt gern beginnen!“

Hat das Dienstauto abgeschafft: Hamburgs Fahrradsenator Anjes Tjarks (Grüne) im Parkhaus an der Kellinghusenstraße.
Hat das Dienstauto abgeschafft: Hamburgs Fahrradsenator Anjes Tjarks (Grüne) im Parkhaus an der Kellinghusenstraße. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Wer je erlebt hat, wie sich die beiden – protokollarisch korrekt, aber mit geschärften Untertönen – im Verkehrsausschuss begegnen, der weiß um die unterbelichteten Perlen parlamentarischer Rhetorik in Hamburg. Da geht es oft um die von Sudmann verschmähte und von Tjarks hochgelobte U-Bahnlinie U5. Wo denn die Vorteile gegenüber einer Stadtbahn lägen, fragte die Frau Vorsitzende den Herrn Senator. Er hatte Verstärkung mitgebracht, den U5-Obertechniker Klaus Uphoff. „Herr Uphoff, bitte!“ Tjarks gab in Chefmanier weiter an den Experten, wie das Senatorinnen und Senatoren im Ausschuss so tun.

Uphoff als großer Fachmann erläuterte die Vorteile und brachte ohne Not ein Beispiel einer Straßenbahn in Budapest. Auch Sudmann hatte Verstärkung mitgebracht. Die als „Die drei Rentner“ bekannt gewordenen U5-Kritiker schüttelten den Kopf. Sie wiesen später nach, dass Uphoff in einem entscheidenden Punkt zur Leistungsfähigkeit der Budapester Bahn Unrichtiges erzählt hatte.

Das Wortprotokoll der Ausschusssitzung musste nachträglich korrigiert werden. Sudmann ist mit allen U5-Kritikern auf Du und Du.

Verkehrssenator Tjarks: „Frau Vorsitzende, als ich Abgeordneter war ...“

Anderes Beispiel, Verkehrsausschuss zum Verbindungsbahnentlastungstunnel: Die Vorsitzende Sudmann sagt: „Herr Senator Tjarks, wir würden jetzt gern mit der Sitzung beginnen.“ Klingt wie eine schnippische Extraeinladung. Und dann: „Ich beginne mit TOP eins, und ich fange an mit einer Rüge. Ich bin als Verkehrsausschussvorsitzende wirklich empört über den Umgang mit dem Ausschuss.“ Es folgt eine Sudmannsche Tirade über fehlerhafte Einladung, Folien, die nicht verschickt wurden und so was. Tjarks entgegnet: „Frau Vorsitzende, als ich Abgeordneter war, haben wir in fast hundert Prozent der Sitzungen die Informationen zu Beginn der Sitzungen als Tischvorlage bekommen.“ Der Senat bemühe sich ja.

Dann geht es um den geplanten S-Bahn-Tunnel vom Hauptbahnhof zum Diebsteich, ob er je kommt und ob die S-Bahn S32 jetzt plötzlich S6 neu heißt. Sudmann stellt dann als Abgeordnete Fragen zum Tunnel und Tjarks sagt: „Frau Vorsitzende, ich weiß nicht, ob das jetzt ziemlich ist, aber ehrlicherweise haben Sie jetzt unterstellt, es gibt Varianten, die sind schneller und sicherer zu realisieren. Vielleicht erklären Sie mal, welche das sein sollen.“

Die geplante neue Sternbrücke der Deutschen Bahn sorgt für erheblichen Zoff zwischen dem rot-grünen Senat, der Opposition und der Initiative Sternbrücke. Heike Sudmann sagt: „Eine Monsterbrücke!“
Die geplante neue Sternbrücke der Deutschen Bahn sorgt für erheblichen Zoff zwischen dem rot-grünen Senat, der Opposition und der Initiative Sternbrücke. Heike Sudmann sagt: „Eine Monsterbrücke!“ © DB/Ney & Partners/ rendertaxi/ architecture.visualisation | DB/Ney & Partners/ rendertaxi/ architecture.visualisation

Sudmann: „Ich erkläre Ihnen das gern, ob es ziemlich ist, darüber können wir uns gern ein andermal streiten. Nein. Ich habe gefragt, ob Sie andere Varianten untersucht haben …“

So könnte es stundenlang gehen, und Beobachter fragen sich, warum das nicht immer so unterhaltsam sein kann mit der Deutschen Bahn in Hamburg.

Heike Unerbittlich gegen einen entnervten Hamburger Senat

Tatsächlich ist Tjarks nicht zu beneiden. Dieser V-Tunnel war nicht seine Idee, sondern die von Enak Ferlemann (CDU), damals Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Das mit der Straßenbreite unter der Sternbrücke hat er ebenfalls „geerbt“. Tjarks muss als Grüner die Hafenautobahn A26-Ost schönsingen, weil sie im Koalitionsvertrag steht. Er erträgt es, als „Schönwetter-Fahrradsenator“ von der Opposition verunglimpft zu werden – und von den SPD-Senatskollegen sich bemitleiden lassen zu müssen. Denn Verkehr im weitesten Sinne ist das vielleicht wichtigste Bürgerschafts-Wahlkampfthema. Und in seinen schrecklichsten Auskleidungen mit Baustellen, Bahn-Verspätungen und Chaos wird es allein ihm angelastet. Plus Kollateralschaden für die Grünen, die Juniorpartnerin in der Koalition, die so gerne Seniorin würde.

Vor Heike Unerbittlich aber sind sie alle gleich. Kostprobe aus einer Elbtower-Sitzung im Haushaltsausschuss, wo Sudmann mit Parteikollegen vor dem Gebäude schon mal Kartons stapeln und purzeln ließ: Mit ihren bohrenden Fragen zu Details des Grundstückskaufvertrages grillte sie Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD).

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Die musste immer wieder den Geschäftsführer der HafenCity vorschicken: „Herr Dr. Kleinau, bitte!“ Karen Pein kann nicht alle Details wissen, die weit vor ihrer Amtszeit in ein gigantisches Vertragswerk gekippt wurden. Unter den strengen Augen von Sudmann hatte einer ganz sicher Mitleid mit der Senatorin – ihr Mann. In dieser Ausschusssitzung sagte der Abgeordnete Milan Pein kein Wort. Bei Peins zu Hause in Lokstedt war Heike Sudmann sicher Thema. Sie ist eben eine … siehe oben.