Hamburg. Wurden falsche Angaben beim Vergleich von U-Bahn und Straßenbahn gemacht? Die Verkehrsbehörde muss ein Protokoll korrigieren.
Die Zahl kam ohne großes Nachdenken: 90 Meter. So lang seien die Straßenbahnen in Budapest, die jeden Tag rund 240.000 Fahrgäste befördern. Das sagte Klaus Uphoff, der Geschäftsführer der Hochbahn U5 Projekt-Gesellschaft und damit Chef der neuen, geplanten und zum Teil im Bau befindlichen Hamburger U-Bahn U5 im Verkehrsausschuss der Bürgerschaft. Neben ihm saßen am 2. Februar der Staatsrat der Verkehrsbehörde, Martin Bill, und Mobilitätswendesenator Anjes Tjarks (Grüne).
Straßenbahn? Budapest? Was geht das Hamburg an? Recht viel, denn die von Uphoff genannte Zahl war falsch. Die Züge, die auf der Ringstraßenbahnlinie in Ungarns Hauptstadt fahren und tagtäglich annähernd so viele Fahrgäste befördern wie die U5 es einmal auf der gesamten Strecke soll (270.000), sind höchstens 56 Meter lang. Und in Doppeltraktion (zwei aneinander gekoppelt) fahren die Züge auch nicht. Damit ist das Argument entkräftet, 90 Meter lange Straßenbahnzüge à la Budapest könnten in Hamburg gar nicht fahren. Deshalb könne man die Kapazität wie Budapest nicht erreichen.
U5 in Hamburg: Falscher Vergleich mit Straßenbahn
Mit anderen Worten: Budapests moderne Straßenbahn schafft bereits im Zwei-Minuten-Takt das, was Hamburg mit der milliardenteuren und mutmaßlich durch den Bau klima-problematischen U5 auch anstrebt.
Der Hochbahn-Topmann wurde noch am Abend korrigiert. Nahverkehrskundige Besucher des Verkehrsausschusses stellten Uphoff am Rande der Sitzung. Bereits unmittelbar nach der Sitzung schwoll der E-Mailverkehr an. Die Experten unter den Ausschussbesuchern machten ihm klar, dass er – gewollt oder nicht – da Falsches von sich gegeben habe. Für die Kritiker der U5 und Befürworter einer Straßenbahnlösung in Hamburg war das Wasser auf die Mühlen: Hochbahn und Senat tricksen beim Vergleich der Leistungsfähigkeit von U-Bahn und Tram. So lauteten die Vorwürfe. Und es wurde daran erinnert, dass ja schon der Klimabeirat festgestellt habe: Der Senat habe es versäumt, eine Stadtbahn-Alternative zur U5 zu prüfen.
Verkehrssenator kritisiert eigenen Klimabeirat
Und kleinlaut formuliert zeigt sich nun im Protokoll des Verkehrsausschusses: Auf Seite 37 wurde eine Fußnote eingefügt. „Mit Schreiben vom 14. Februar 2023 korrigierten die Vertreterinnen und Vertreter des Senats ihre Aussage wie folgt: ,In Budapest verkehren u.a. Straßenbahn-Fahrzeuge der Hersteller Siemens (Combino mit Länge von 54 m) und CAF in Längen von 34 und 56 m. Doppeltraktionen dieser Fahrzeuge sind – anders als geäußert – nicht im Fahrgastbetrieb im Einsatz.‘“
Peinlicher kann die politische Folge dieser U5-Ausschusssitzung im Nachhinein kaum sein. Denn auch Tjarks hatte sich zu der Aussage hinreißen lassen, dass der vom Senat eigens berufene Klimabeirat ja Kompetenzen habe, aber eben auch nicht eingebunden sei in die Verkehrsplanung. „Und jetzt, wenn der Klimabeirat sagt, mit Verlaub, man sollte eine Alternativprüfung zum jetzigen Zeitpunkt für die U5-Ost machen, ja, was soll denn da rauskommen?“, gab Tjarks genervt zu Protokoll.
U5 gar kein Beitrag zum Klimaschutz?
„Dass ich irgendein anderes Verkehrsmittel außer eines Busses, der da schon fährt, schneller bauen kann bis zu dem Jahr 2027 und dann bis 2029 nach der Validierung des automatischen Betriebes? Das ist doch eine, mit Verlaub, nicht reale Vorstellung.“ Es gebe „natürlich noch andere Ziele, die man mit der U5 verfolgt, die jenseits des Klimaschutzes liegen“.
Das war eine Breitseite gegen den Klimabeirat, der Hochbahn und Senat gerügt hatte. Mit Blick auf die Klimaziele Hamburgs sei die U5 wohl kein Beitrag dazu. So schrieb das Gremium um die Professorinnen Daniela Jacob, Anita Engels und Claudia Kemfert: „In den Planungsunterlagen zur U5-Ost sind keine Aussagen zum Energieeinsatz und zu den CO2-Emissionen während der Bauphase enthalten.“
Weiter hieß es: „Der Beitrag der U5-Ost zu der notwendigen Reduzierung der CO2-Emissionen im Sektor Verkehr fällt somit vergleichsweise gering aus.“ Für die geplante 25-Kilometer-Gesamtstrecke müssten Hochbahn und Senat noch nacharbeiten, um den Klimanutzen zu belegen.
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U5: "Die 3 Rentner" machen eigene Klimaberechnungen
Tjarks‘ Klimabeirats-Schelte kam in dem prominent besetzten Berater-Kreis nach Abendblatt-Informationen überhaupt nicht gut an. Wofür, hieß es, habe man denn ein solches Gremium, wenn seine Kompetenz angezweifelt werde?
Die Verkehrsausschussvorsitzende Heike Sudmann (Linke) streitet seit Langem mit dem Senat um die U5. Ihre Fraktion hat zur U5 alternative Pläne für eine Stadtbahn vorgelegt. Die als „Die 3 Rentner“ bekannt gewordenen U5-Kritiker um Günter Betz, Thomas Philipp und Stefan Knittel werfen zudem immer neue Fragen zu einem „der größten kommunalen Infrastrukturvorhaben Europas“ (Klimabeirat) auf. Sie bemängelten zunächst die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung zum Bau der U5, deckten die versteckten Klimakosten aufund legen den Finger in die Wunde, wenn es um die erwarteten Fahrgastzahlen und den Kosten-Nutzen-Faktor des Gesamtprojektes geht.
Hochbahn einigt sich mit Klägern gegen U5 außergerichtlich
Die U5, deren Gesamtstrecke von Bramfeld über die City Nord bis zum Hauptbahnhof und weiter über Hoheluft, UKE und Lokstedt zu den Arenen im Volkspark vermutlich 2040 in Betrieb ist, wird im Abschnitt Ost zwar bereits gebaut. Doch nach wie vor liegen fünf Klagen von Anwohnern beim Oberverwaltungsgericht. Sie fürchten jahrelange Beeinträchtigungen durch den Bau. Die Hochbahn erklärte, die Klagen gefährdeten den Bau der U5 nicht.
Zwar wird die Strecke unterirdisch vorangebuddelt. Allerdings müssen die unterirdischen Haltestellen und Notausstiege in „offener Bauweise“ errichtet werden. Gigantische Gruben werden sich durchs Stadtgebiet ziehen. Der Hochbahn ist es bereits gelungen, vier von neun Klagen (ursprünglich 25 natürliche und juristische Personen) zu befrieden – außergerichtlich. Im Januar dieses Jahres waren es erst drei. Offenbar haben die Verhandler eine weitere Partei zur Rücknahme des Schriftsatzes bewegen können. Auch bei den verbleibenden Klägern ist die Hochbahn optimistisch.
Die Stadtbahn-Befürworter jedoch sind hartnäckig – und kompetent. Der Mann, der Hochbahn-Manager Uphoff auf seinen Fehler im Ausschuss hinwies, hat die Straßenbahn in Budapest im Auftrag von Siemens selbst mitgeplant. Pointe dieser Geschichte: Bei Siemens war ein Mann dafür mitverantwortlich, der später in den Hamburger Senat aufrückte: Michael Westhagemann.