Hamburg. Eigentlich wollte sie nach Long Covid aufhören. Nun soll die Stadtbahn-Verfechterin sogar ganz vorn für Die Linke antreten. Mit diesem Plan.
Nein, mit dem Coronavirus ist nicht zu spaßen. Das merkte auch die Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann. Noch Monate nach einer Infektion schlug sich die passionierte Verkehrspolitikerin und Wohnungsbauexpertin mit Spätfolgen herum: Kraftlosigkeit, schnelle Erschöpfung und Kurzatmigkeit. Also verkündete sie sehr zum Verdruss ihrer Parteifreunde an ihrem 60. Geburtstag vor gut zwei Jahren, dass sie bei der Bürgerschaftswahl 2025 nicht mehr antreten würde. Dann aber kehrten die Kraft und die Leidenschaft zurück, berichtet sie, und schließlich erlag sie den Bitten ihrer Genossinnen und Genossen: Nun soll sie die Hamburger Linke als eines ihrer bekanntesten Gesichter sogar auf einer der Spitzenpositionen in den Wahlkampf führen.
„Meine Energie ist wieder voll da“, sagt Sudmann. „Deswegen möchte ich jetzt mit meiner Erfahrung und Bekanntheit helfen, Die Linke in Hamburg auch bei der Bürgerschaftswahl im nächsten Jahr stark zu machen. Dafür würde ich gerne ins Spitzenteam einscheren.“
Linke mit weiblicher Doppelspitze Özdemir und Sudmann?
Die 62-Jährige könnte nach bisheriger Planung der Linken zusammen mit der Fraktionsvorsitzenden Cansu Özdemir das Spitzenduo für die kommende Bürgerschaftswahl bilden. Dafür müsste der Parteitag am 12. und 13. Oktober den Weg für zwei Frauen an der Spitze frei machen. Sudmann würde dann wohl auf Platz 2 der Landesliste antreten, so sie dafür gewählt wird.
Dass sie eine so zentrale Rolle im Wahlkampf der Linken spielen soll, hat mit Sudmanns großer Erfahrung und Bekanntheit zu tun. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf in Niedersachsen, politisierte sie sich in Hamburg durch den Kontakt mit den Gewerkschaften, studierte als Erste in ihrer Familie (mit einem Gewerkschaftsstipendium) und saß schließlich ab 1993 für die Grünen in der Bürgerschaft. 1999 verließ die diplomierte Stadtplanerin wegen der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg die Partei – auch weil diese aus ihrer Sicht eine „grün lackierte FDP“ geworden sei.
Bürgerschaft Hamburg: Kaum eine nervt den Senat so sehr wie Sudmann
Nach einem Intermezzo beim gescheiterten politisches Alternativangebot „Regenbogen“ landete Sudmann bei der Linken, für die sie seit 2011 in der Bürgerschaft sitzt. Heute ist sie deren parlamentarische Geschäftsführerin und daher von ihrem bisherigen Arbeitgeber, der Schulbehörde, beurlaubt. Kaum eine Abgeordnete geht den jeweiligen Senaten wohl in den vergangenen Jahrzehnten so sehr auf die Nerven („immer konstruktiv“, wie sie betont) wie die leidenschaftliche Stadtbahn-Anhängerin. Kaum eine Linke ist auch öffentlich so präsent.
Sie stellt unzählige Anfragen und Anträge, beteiligte sich an öffentlichen Protestaktionen und hält in der Bürgerschaft flammende Reden zu Verkehrsthemen und zum Wohnungsbau, wobei sie nicht nur immer wieder ihre Kompetenz unter Beweis stellt, sondern auch stets sehr klare Positionen vertritt. „Die Straßenbahn muss kommen und wird kommen“, sagt Sudmann zum Beispiel immer wieder. Sie sei günstiger und viel schneller fertig als eine U-Bahn.
Klare Haltung beim Wohnungsbau und große Beständigkeit im Sport
Auch beim Wohnungsbau ist ihre Haltung eindeutig: „Wir müssen 5000 öffentlich geförderte Sozialwohnungen bauen, um bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen“, sagt Sudmann. „Und wir brauchen einen Mietendeckel.“ Seit dem Debakel um den Elbtower versucht sie zudem mit immer neuen Anfragen an den Senat etwas Licht in das Dunkel der Fehlplanungen und der Zukunft des Projekts zu bringen.
Eine gewisse Beständigkeit kann man der Frau, die ihre Anliegen meist ebenso energisch wie schnell vorträgt, wohl auch im Privaten attestieren. Seit mehr als 30 Jahren lebt sie mit demselben Mann zusammen, seit zehn Jahren in einer Genossenschaftswohnung in Altona-Altstadt. Und seit sie 1982 nach Hamburg kam, pflegt sie ihre große Passion Basketball, wo sie derzeit für die BG Hamburg West in Lurup aktiv ist.
Sahra Wagenknecht: So kontert die Hamburger Linke das BSW
Eine große Herausforderung im kommenden Wahlkampf könnte für die Linke das BSW von Sahra Wagenknecht sein, wenn es denn überhaupt in Hamburg antritt. „Natürlich würden die uns und der SPD und anderen auch Stimmen abjagen“, sagt Sudmann. „Aber wir müssen den Menschen klarmachen, dass dies gar keine echte Partei ist, und schon gar keine linke.“
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Das BSW werde aus dem Saarland gesteuert, nehme kaum Mitglieder auf, schließe die Presse von Parteitagen aus und vertrete in vielen Bereichen gar keine linken Positionen, so Sudmann. Und man wisse auch nicht wirklich, woher das Geld dieser „Retortenpartei“ stamme. In Sachen Sozialleistungen und Migration sorge das BSW eher dafür, dass das politische Spektrum noch weiter nach rechts rücke, fürchtet Sudmann. „Wir als Linke machen den Menschen in Hamburg ein sehr konkretes Angebot, das BSW liefert irgendwas, das am grünen Tisch im Saarland ausbaldowert wird.“
Olympia Hamburg: Das war der Tag der größten politischen Freude
Fragt man Sudmann nach dem schönsten Augenblick ihrer politischen Laufbahn, so nennt sie übrigens den November 2015, als die Hamburger per Referendum die Olympiabewerbung ablehnten. Einen besonders guten Moment glaubt sie derweil aber auch noch vor sich zu haben. „In der nächsten Wahlperiode wird der Senat die Einführung der Stadtbahn beschließen“, ist Sudmann überzeugt. „Dafür spricht eigentlich gerade alles.“