Hamburg. Senat kann für Stresemannstraße keine Verkehrsplanung und Kostenprognose vorlegen. Selbst Ingenieure spenden für Brücken-Gegner.
Die marode Sternbrücke in Altona und der geplante Neubau haben sich zu einem der umstrittensten Bauprojekte in Hamburg entwickelt. Das liegt an der Hartnäckigkeit der Bürgerinitiative und ihrer Unterstützer, die sich nicht nur aus Nachbarn und Club-Betreibern rekrutieren, sondern aus Ingenieuren, Stadtentwicklungsexperten und Denkmalschützern. Und es ist begründet in der Verkehrspolitik des Senats. Ausgerechnet an dieser Stelle – buchstäblich – wirkt sie wie ein Widerspruch zur sonst so beworbenen Mobilitätswende.
Denn unter dem geplanten Neubau von 108 Metern Länge und bis zu 26 Metern Höhe wird die enge Stresemannstraße erheblich verbreitert und wächst sich die Kreuzung mit der Max-Brauer-Allee zu einer neuen Riesenschnittstelle im Hamburger Straßenverkehr aus. Für eine politisch „grüne“ Verkehrsplanung rund um die Sternbrücke gibt es trotz des zuständigen Senators Anjes Tjarks bislang keine Hinweise.
Verkehr Hamburg: Senat vermeidet Kostenschätzung zur Sternbrücke
Das belegt die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann. Der Senat bleibt bei seinem „Aufweitungsverlangen“, hat noch keinen Plan, wie Busse, Radfahrer und Fußgänger an der Sternbrücke sich mit den Autos und Lkw den Platz teilen sollen und vermeidet jede Schätzung der erwarteten Baukosten. Das „Aufweitungsverlangen“ ist umstritten, aber für die künftige Brücke der Fern- und S-Bahn sowie das darunter stattfindende Geschehen ein tragendes Element. Es bedeutet, grob gesagt: Die Stresemannstraße wird zur Brücke hin deutlich breiter und dahinter wieder schmaler.
So will es der Senat durchsetzen. Das bestreitet er auch nicht. Allerdings: Die Deutsche Bahn hätte „auch ohne das Aufweitungsverlangen Hamburgs eine stützenfreie 4-gleisige Stabbogenbrücke mit rund 92 m Länge und rund 25,50 m Höhe“ geplant, heißt es in der Senatsantwort. Damit geben die Behörden den Schwarzen Peter zurück an die Bahn. Das ist bemerkenswert, denn Hamburger Experten und der frühere Oberbaudirektor Jörn Walter hatten erklärt: Nur weil der Senat „aufweiten“ wollte, habe die Bahn überhaupt diese „Monsterbrücke“ geplant. Hintergrund: Eine andere, kleinere Variante könnte man möglicherweise mit Stützen realisieren. Der Aufwand wäre kleiner, die Kosten niedriger.
Sternbrücke: Neue Bürgerbeteiligung soll im Herbst 2023 starten
Das kritisiert jetzt auch Linken-Verkehrspolitikerin Sudmann: Drei Jahre seien vergangen, und noch immer könne der Senat keine Verkehrsplanung für die Stresemannstraße vorlegen. „Was bringt eine Erweiterung des Straßenraums unter der Sternbrücke, wenn zwei Kilometer weiter kurz hinter dem Kaltenkirchener Platz die Stresemannstraße eine weitere Engstelle unter einer Eisenbahnbrücke aufweist?“ Zudem wolle der Senat nicht sagen, ob für den Ausbau des Autoverkehrs in dem Quartier weitere Häuser abgerissen werden sollen. Die früher einmal genannten Baukosten von 125 Millionen Euro (Hamburger Anteil: vermutlich 80 Millionen Euro) seien sicher nicht mehr zu halten.
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Sudmann sagte dem Abendblatt: „Auch wenn der Senat Angst vor negativen Reaktionen hat: Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf zu erfahren, wie teuer die Monsterbrücke die Stadt zu stehen kommt. Und auch, ob die Rede von der Mobilitätswende nicht für Hauptverkehrsstraßen gilt, an denen viele Menschen wohnen.“
Senat verwirft Alternativentwurf zur Sternbrücke
Der Senat erklärte, keine zusätzlichen Gebäude abreißen zu wollen. Auch bei anderen Varianten sei der „Rückbau unumgänglich“. In einer langen Ausführung beschäftigt sich der Senat mit dem schlanken Alternativentwurf von Prof. Karsten Brauer (das Abendblatt berichtete).
Diese Idee berühre die „Rechte Dritter“, und deren Flächen müssten „im größeren Umfang auf Dauer in Anspruch genommen werden“. Allerdings wurde bereits vor Monaten der Beachclub Central Park in der Schanze geschlossen und eine große Fläche für den Neubau der Sternbrücke von Baugeräten in Beschlag genommen – ohne dass es bisher einen offiziellen Planfeststellungsbeschluss gibt.
Sternbrücke: Hamburger Verkehrsbehörde will Bürger einbeziehen
Doch der Senat will offenbar die Bürger erneut einbeziehen. So heißt es: „Das vorgesehene Beteiligungsverfahren zur Verkehrsplanung soll die bisherigen Formate der DB AG und der städtischen Beteiligten zum Themenkomplex rund um die Sternbrücke ergänzen.“ Es solle im Herbst 2023 starten.
Gegen die Planfeststellung will die Initiative Sternbrücke klagen und muss dafür Zehntausende Euro einsammeln. Ein leitender Ingenieur schrieb der „Ini“, die Planungen für die neue Sternbrücke von Bahn und Senat seien „von vorgestern“ und bedürften „dringend einer fachlichen Überarbeitung“ – er spendete 500 Euro für die Gegner der „Monsterbrücke“.