Hamburg. Umweltbedenken und Finanzierungsfragen belasten das Projekt der neuen Hafenautobahn. Hamburger Grünen-Politiker fordert Stopp.

Der Abschnitt ist rund zehn Kilometer lang, die Planungen mehr als 15 Jahre alt und die geschätzten Kosten sind mittlerweile auf 2,4 Milliarden Euro geklettert. Um die A26-Ost, die die Autobahnen A7 und A1 rund zwei Kilometer südlich der baufälligen Köhlbrandbrücke verbinden soll, herrscht seit Jahren politisches Gerangel – auch im Senat.

Denn ebenso unbedingt, wie die SPD das Projekt realisieren möchte, wollen die Grünen es offenbar verhindern. Eine regelrechte Kampfansage an die Sozialdemokraten – schließlich ist das Bauprojekt im gemeinsamen Koalitionsvertrag beschlossen. Neueste Erkenntnisse geben den Grünen allerdings Rückenwind. Wegen eines Nutzungskonflikts zwischen Autobahnbau und einem geplanten Wasserstoffzentrum auf der Hohen Schaar, einer Elbinsel Wilhelmsburgs, wird eine baldige Planfeststellung für den mittleren A26-Ost-Abschnitt immer unwahrscheinlicher. Zuvor hatte der NDR berichtet.

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Laut des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Dominik Lorenzen, einem ausgemachten Hafenautobahn-Gegner, ist der Bau der umstrittenen Straße kaum noch machbar. Jedenfalls nicht, wenn Hamburg zugleich auf „Sustainable Energy“ setzen will, sagt er. Auf einem Areal, das jahrzehntelang Tanklager von Shell beherbergte, soll nämlich ein Zentrum für die neue Wasserstoffwirtschaft entstehen, der „Sustainable Energy Hub“. Die Hafenautobahn würde dessen Entwicklung aber beeinträchtigen, sagt Lorenzen – wenn schon nicht in der ersten Ausbaustufe des Hubs, dann in weiteren.

Schließen sich die Hafenautobahn und das Zentrum für Wasserstoffwirtschaft also gegenseitig aus? „Nein“, meint Ulf Evert, Pressesprecher der Deges, der „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH“, die für Planung und Bau der A26-Ost zuständig ist. Die parallele Existenz von Autobahn und Energy Hub seien im Planfeststellungsverfahren Gegenstand eines intensiven Austausches aller Beteiligter, so Evert. Auch die Hamburger Wirtschaftsbehörde sowie der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft hätten diesbezüglich keine Vorbehalte.

Bislang habe die Umweltbehörde einem Antrag auf Planfeststellung für den entsprechenden mittleren Abschnitt der A26-Ost zwar noch nicht zugestimmt. Planrechtlich müsse sich eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft aber der Trassenführung unterordnen, sagt auch eine Sprecherin der Behörde. Allerdings seien in jedem Fall Sicherheitsabstände zu beachten. „Somit steht fest, dass der Bau der A26-Ost Entwicklungsoptionen einschränkt und interessierte Unternehmen dies in ihre Standortentscheidung einbeziehen werden“, sagt sie.

Umweltbehörde kritisiert Baustelle: „Hochkomplexe Altlast“

Die Umweltbehörde warnt unterdessen aufgrund einer weiteren Sorge vor dem Bau der Hafenautobahn. Sie spricht von einer „hochkomplexen Altlast“, von gefährlichen Schadstoffen auf der Shell-Fläche, auf der die Autobahnbaustelle eingerichtet werden müsste. Die Angst: Sogenannte Ewigkeitschemikalien könnten ins Grundwasser gelangen, sollten schwere Baumaschinen auf dem Boden tätig werden. 

Damit die Umweltgifte bei den Arbeiten nicht in Böden oder Gewässer gelangen, müssten Baustellen- und Trassenbereich laut Behörde zunächst umfangreich saniert werden. Unter der Voraussetzung dieser Sanierungsmaßnahmen hält die Umweltbehörde die Fläche aber grundsätzlich für geeignet, um das Vorhaben laut Planfeststellungsverfahren umzusetzen.

Hamburger Hafenautobahn: Kritik gegen Bau der A26-Ost

Rückblick: 2008, als die Idee zur sogenannten Hafenautobahn entstand, rechnete Hamburg noch mit einem deutlich stärker ansteigenden Güterumschlag im Hafen, als es ihn bis dato gibt. Das gesamte Projekt basiere auf einer veralteten Verkehrsplanung und einem überholten Hafenentwicklungsplan, sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Lorenzen deshalb.

Seine Partei plädiert dafür, das Projekt A26-Ost auf Eis zu legen und zunächst die dringend notwendige Erneuerung der Köhlbrandquerung anzugehen. Sie ist ein essenzieller Teil der Ost-West-Verbindung zwischen A1 und A7 und verläuft nördlich der geplanten Hafenautobahn.

Der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftraktion, Dirk Kienscherf, hält dagegen: „Die A26-Ost ist ein entscheidendes Hamburger Verkehrsprojekt und wichtig für die wirtschaftliche Infrastruktur des Hafens und des Süderelberaumes.“ Die Hafenpassage habe auch für die Fernverbindungen eine große Bedeutung. Hamburg sei mit seinem „leistungsstarken Universalhafen“ ein Drehkreuz für den internationalen Handel, so Kienscherf auf Abendblatt-Anfrage.

A26-Ost: Hamburger Grünen-Politiker stellt sich gegen Koalitionsprojekt

Doch der Grüne-Koalitionspartner wird nicht müde, das Vorhaben zu kritisieren: „Dieses Bauwerk wäre ein absurd intensiver Eingriff in die Natur“, so Lorenzen und unter anderem deshalb auch baulich schwierig zu realisieren. Angesichts der Planungen, Teile der A26-Strecke auf Stelzen verlaufen zu lassen, sagt er: „Das würde der teuerste Autobahn-Meter, der in Hamburg jemals gebaut wurde.“

Der Fraktionschef der Grünen Dominik Lorenzen (Archivbild).

„Dieses Bauwerk wäre ein absurd intensiver Eingriff in die Natur.“

Dominik Lorenzen
Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft

Die Vorteile, die die SPD wiederum in der neuen Hafenautobahn sieht: Laut Wirtschaftsbehörde wird die Straße „erhebliche Entlastungen für den Hamburger Süden“ mit sich bringen, Schwerverkehr könne perspektivisch über die Autobahn geleitet werden. „Der Hafenverkehr und damit auch die Anwohnenden im Hamburger Süden werden durch den Bau der Autobahn erheblich entlastet“, sagt Kienscherf.

Dieses Argument, die Hafenautobahn könne die etwas weiter südlich gelegene und aktuell chronisch verstopfte B73 entlasten, hält Lorenzen hingegen für nichtig: „Auch mit der A26-Ost würde die B73 weiterhin eine Magistrale mit hohem Verkehrsaufkommen bleiben. Die Vorstellung, dass sie plötzlich zu einer ruhigen Dorfstraße würde, ist naiv.“ Es sei gemeinhin bekannt, dass der Bau einer weiteren Straße in erster Linie neue Verkehre verursache und das Fahrzeugaufkommen nicht verringere.

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Doch egal wie gut sich die Hamburger SPD und Grüne über das Bauvorhaben zanken können: Sie haben in der Sache unmittelbar nichts zu entscheiden. Für den Bau der A26-Ost ist nämlich der Bund verantwortlich – und der muss auch die Mittel dafür bereitstellen.

Auf größere Summen aus Berlin zählt derzeit aber kaum jemand. „Wir können nicht erwarten, dass der Bund in diesen Zeiten zwei Querungen finanziert. Angesichts dessen muss die Priorität unbedingt bei der Köhlbrandquerung liegen“, befindet Lorenzen und erteilt der A26-Ost damit auch aus Sicht des Haushalts eine Absage.

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Was die Köhlbrandquerung hingegen angeht, kann es ihm zufolge gar nicht schnell genug gehen. Für die Erneuerung der baufälligen Brücke brauche es jetzt valide Zusagen aus Berlin. Und wie Lorenzen betont: Da sei man sich auch mit Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) einig. Manchmal verstehen sich die Koalitionspartner nämlich auch.