Hamburg. Zusätzliches Personal, neue Software: Sicherheitsoffensive im ÖPNV geht weiter. Grund ist auch, dass sich Fahrgäste immer unwohler fühlen.

Waffenverbot im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), Haltestellen-Rundgänge zum Thema Sicherheit, mehr Personal für die Sicherheitsdienste, ein zweiter Chef der Hochbahnwache oder „Quattro-Streifen“, bestehend aus Polizisten und Sicherheitsdienst-Mitarbeitern am Hauptbahnhof: Hamburg hat der Sicherheit im ÖPNV in den vergangenen Monaten besonderen Stellenwert beigemessen.

Kurz vor Weihnachten kündigt Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) gemeinsam mit den Spitzen der beteiligten Verkehrsunternehmen ein weiteres Sicherheitspaket für Hamburgs Busse und Bahnen an. WhatsApp und künstliche Intelligenz (KI) sollen im kommenden Jahr Notruf- und Überwachungsmöglichkeiten ausweiten, außerdem werde das Personal von Hochbahn- und S-Bahn-Wache erneut aufgestockt. Die Vorhaben sollen auch auf die gefühlte Sicherheit der Fahrgäste einzahlen.

HVV Hamburg: WhatsApp und KI sollen Sicherheit der Fahrgäste erhöhen

Neben den Notrufsäulen an Bahnsteigen, den Notrufknöpfen in den Fahrzeugen und dem regulären 110-Ruf wird es in den Hamburger S-Bahnen sowie an Haltestellen künftig noch eine weitere Möglichkeit geben, um in brenzligen Situationen Hilfe anzufordern. Per WhatsApp können Fahrgäste dann einen „stillen Hilferuf“ absetzen, erklärt Verkehrssenator Tjarks. Das biete sich insbesondere dann an, wenn Fahrgästen ein „lauter“ Anruf oder der Gang zur Notruftaste riskant erscheint. Zum Beispiel wenn sich eine andere Person aggressiv verhält oder herumbrüllt. Die WhatsApp-Nachricht ruft die S-Bahn-Wache auf den Plan.

Wie der genaue Kontakt per WhatsApp funktioniert, darüber sollen die Fahrgäste zu Beginn des Jahres 2025, wenn der Hilfe- und Serviceruf an den Start geht, informiert werden. Sofern der WhatsApp-Hilferuf sich als erfolgreich erweist, sei eine Ausweitung auf andere Verkehrsunternehmen im Hamburger Verkehrsverbund (HVV), beispielsweise die Hochbahn, denkbar.

Jan Schröder, Chef der S-Bahn Hamburg, betont jedoch: Der stille Hilferuf per WhatsApp ergänzt das bestehende Angebot. In ernsten Bedrohungslagen sei weiterhin die Polizei unter der Nummer 110 der richtige Ansprechpartner.

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ÖPNV Hamburg: Mehr Personal für Sicherheitsdienste

Mit der Sicherheitsoffensive geht auch eine deutliche Personalaufstockung einher. Rund 80 weitere Mitarbeiter im Sicherheits- und Prüfdienst bei Hochbahn- und S-Bahn-Wache erhöhen die Zahl der Beschäftigten im Jahr 2025 auf rund 750. Es ist nicht die erste Einstellungswelle unter Senator Tjarks. Zu Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2020 hatte es noch 580 Mitarbeiter bei den Sicherheitsdiensten gegeben. Es gehe darum, an Haltestellen präsent zu sein und „der steigenden Fahrgastzahlen gerecht zu werden“.

Doch nicht nur menschliche Neueinstellungen gibt es. Den Sicherheitsleuten der S-Bahn Hamburg greift schon bald KI unter die Arme, zunächst in einem Pilotprojekt. Die S-Bahn wolle testen, inwiefern die Technologie bei der Koordination des Sicherheitspersonals helfen kann.

Konkret heißt das: Eine KI empfiehlt den Streifen in Echtzeit die sinnvollsten Einsatzorte. Diese berechnet die Software in Sekundenbruchteilen aus einer Vielzahl von Faktoren, etwa der Uhrzeit und Wetterlage, eventuellen Großereignissen in der Stadt, Auslastung der Züge und einigem mehr.

Künstliche Intelligenz soll Hochbahn-Haltestellen überwachen

Auch die Hochbahn rüstet bei der Sicherheit mithilfe von künstlicher Intelligenz auf. Hier soll, ebenfalls zunächst in einem Pilotprojekt, die bestehende Kameraüberwachung bei der U-Bahn Anfang 2025 KI-Unterstützung bekommen. Die Software könne im Idealfall dafür sorgen, dass Gegenstände und Personen im Gleis schneller erkannt werden. Menschen, die sich ungewöhnlich lange an Haltestellen aufhalten, allein gelassene Gepäckstücke, Verschmutzungen und womöglich sogar Bewegungsmuster, die auf Auseinandersetzungen hindeuten – all das soll die KI bestenfalls erkennen und der Leitstelle der U-Bahn melden.

Fraglich sei aber noch, ob die teils zehn Jahre alte Kameratechnik und die hochmoderne KI gut zusammenarbeiten. In einer zweiten Testphase werde die KI-basierte Mustererkennung daher mit neuer Überwachungstechnik an Testhaltestellen erprobt. Grundsätzlich mehr Kameras in Bahnen und an Haltestellen zu platzieren, sei derzeit aber nicht geplant, so Tjarks.

Mithilfe dieser Testphasen wollen Senat und Hochbahn gemeinsam ausloten, was möglich, umsetzbar und sinnvoll ist. Ausgehend davon werde über den weiteren Einsatz von KI im ÖPNV über 2025 hinaus entschieden. Für Senator Tjarks ist eine Vielzahl von Anwendungsfällen denkbar. So könnten Hoch- und S-Bahn mithilfe der Technologie beispielsweise das Fahrgastaufkommen in einzelnen Wagen überwachen und in Apps ausspielen. Die Beteiligten betonen: Bei sämtlichen Überlegungen stehe immer der Datenschutz an erster Stelle.

Gefühlte Sicherheit im HVV zuletzt gesunken

Angesichts der massiven Sicherheitsoffensive im Hamburger ÖPNV fragt sich mancher: Ist denn das notwendig? Grundsätzlich seien die Fahrgäste in den Bussen und Bahnen sicher, so kommunizieren es die Verkehrsunternehmen der Stadt. Dennoch bestehe die Notwendigkeit, das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste zu erhöhen.

Grundlage dafür seien auch Befragungen, sowohl unter Kunden als auch Menschen, die derzeit nicht im HVV unterwegs sind. „Da ist die gefühlte Sicherheit ein Thema, das ganz oben ansteht und das sich im Moment nicht positiv entwickelt“, sagt HVV-Geschäftsführer Raimund Brodehl. Im Klartext: Reisenden und Pendlern in Hamburg ist in Bussen und Bahnen zunehmend unwohl.

Die nunmehr getroffenen Maßnahmen müssten sich jetzt herumsprechen, „denn die Menschen müssen nicht nur sicher sein, sondern sich auch sicher fühlen“, sagt der HVV-Geschäftsführer.

Waffenverbot im ÖPNV Hamburg: Ausnahmeregel für die S-Bahn

Seit Montag, 16. Dezember, herrscht ein Waffenverbot im ÖPNV in Hamburg. Die Möglichkeit, eine solche Regel umzusetzen, war im sogenannten Sicherheitspaket der Bundesregierung angelegt. Hamburg ist das erste Bundesland, das davon Gebrauch macht.

Allerdings: In den S-Bahnen und an deren Haltestellen können keine Waffenverbotszonen eingerichtet werden, zumindest nicht nach Hamburger Verordnung. Hierfür ist die Bundespolizei zuständig. Trotzdem gibt es derzeit und bis Neujahr in S-Bahnen ein Waffenverbot, dank einer Allgemeinverfügung. Anlass ist die Weihnachtszeit beziehungsweise Silvester und Neujahr – Hochzeiten für die Einsatzkräfte in der Stadt.

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Gemunkelt wird nun, ob diese Allgemeinverfügung im kommenden Jahr verlängert werden kann, bis der Bund grünes Licht für ein Waffenverbot in den S-Bahnen gibt. S-Bahn-Chef Schröder hält dazu auf Nachfrage dicht und verweist auf den Bund. Nur so viel: Es sei ein „gutes Zeichen“, dass per Allgemeinverfügung ein befristetes Waffenverbot bei der S-Bahn Hamburg erwirkt wurde, sagt er.