Hamburg. Wer nutzt es warum? Frische Umfrage zeigt, was Ticket für die Verkehrswende bedeutet. Wie es mit der „Tarifrevolution“ im HVV weitergeht.
Anna-Theresa Korbutt hatte sich immer eine Tarifrevolution gewünscht. Deshalb schmiedete die Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) allerlei Pläne, um den dicken Einzel- und Zeitfahrkarten-Katalog des HVV radikal zusammenzustreichen. Jedoch, die Initialzündung für eine extreme Vereinfachung im Tarifsystem (es gibt heute nur noch drei verschiedene Zeitkarten, statt vormals rund 70) war letztlich gar nicht Korbutt.
Die Einführung des Deutschlandtickets kam ihr zuvor – aber auch gelegen. Ebenso wie vielen Hamburgern, die seit Mai 2023 deutlich günstiger in Bus und Bahn durch Hamburg fahren. Eine Umfrage im Auftrag des HVV aus Oktober 2024 zeigt nun, wie das Deutschlandticket die ÖPNV-Nutzung in der Stadt verändert hat.
HVV: Hamburg ist Deutschlandticket-Spitzenreiter – So verändert es den ÖPNV in Hamburg
Hamburg ist Deutschlandticket-Spitzenreiter. 924.000 der Abo-Fahrscheine gibt es in der Stadt – mehr als zugelassene Autos. Entsprechend hoch sind die Fahrgastzahlen im HVV. Insgesamt besitzen 1,27 Millionen Menschen ein HVV-Abo (Kinder bis sechs Jahre fahren ohnehin kostenlos).
Eine neue Umfrage der exeo Strategic Consulting GmbH ergibt, dass drei Viertel der Hamburger den HVV mindestens einmal monatlich nutzen. „Das zeigt einfach, dass wir für 75 Prozent der Bevölkerung das Rückgrat der Mobilität sind. Das könnte man Daseinsvorsorge nennen. Es geht nicht ohne uns“, so Korbutt hörbar stolz.
Ohne Deutschlandticket im HVV: 14 Prozent hätten letzte Fahrt mit Pkw absolviert
Das Deutschlandticket soll nicht zuletzt die Verkehrswende beschleunigen. In Hamburg erfüllt es nach Auskünften des HVV diesen Zweck. Der Verkehrsverbund verweist auf eine exeo-Umfrage aus dem Oktober. Hierbei gaben 14 Prozent der befragten Deutschlandticket-Besitzer an, dass sie ihre letzte Fahrt im HVV mit dem Auto getätigt hätten, gäbe es das Deutschlandticket nicht. Weitere vier Prozent antworteten, sie wären ohne das Ticket zu Fuß gegangen.
Deutschland-Ticket im HVV: Umfrage räumt auch einen der häufigsten Kritikpunkte aus
Die Umfrage räumt auch einen der häufigsten Kritikpunkte am Deutschlandticket aus, nämlich dass der Fahrschein zu deutlich mehr Fahrten führe. Lediglich vier Prozent der Befragten im HVV gaben an, dass sie die Fahrt ohne das Deutschlandticket gar nicht erst unternommen hätten. Übrigens: Rund 30 Fahrten absolviert ein Zeitkartennutzer im Verbund jeden Monat, sagt Chefin Korbutt.
Eine deutliche Fahrtenverlagerung lässt sich insbesondere bei Eltern beziehungsweise Familien vermuten. Weil das Schüler-Deutschlandticket in Hamburg seit September völlig kostenlos ist, sind laut der Umfrage 49 Prozent in der Familie weniger mit dem Pkw unterwegs und nutzen stattdessen häufiger den ÖPNV. Insgesamt halten 78 Prozent der Hamburger das kostenlose Schülerticket für eine gute Idee. Nur ein Prozent der Befragten sieht das nicht so.
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HVV in Hamburg: Tarifrevolution für 2026 geplant – so soll es weitergehen
Kaum zu glauben, aber wahr: Für Mobilitäts-Minimalistin Korbutt ist die Tariflandschaft im HVV noch immer zu kompliziert. Sie will noch mehr Tickets in die ewigen Jagdgründe wandern sehen. Um welche es sich genau handelt, ist noch unklar. Auf der Abschussliste dürften aber stehen: die Einzelfahrscheine für Kurzstrecke und Nahbereich sowie die Monatsfahrkarte ausschließlich für das HVV-Gebiet. Sie ist mit 69 Euro teurer als das Deutschlandticket, aber umfasst weniger Leistung.
Die sogenannten Bartarife, also Fahrkarten mit einer Gültigkeit von weniger als einer Woche, würden beim HVV derzeit 25 Prozent der Einnahmen ausmachen. Das Tarifsystem sei – im Gegensatz zum Zeitkarten-Portfolio – an dieser Stelle aber „noch nicht aufgeräumt“, so die HVV-Chefin. „Das ist, was wir jetzt nachziehen werden. Wir werden hier auch die maßgebliche Einfachheit in den Vordergrund stellen.“
Geht es nach Korbutt, dann betrifft diese anstehende Vereinfachung im Tarifsystem nicht nur den HVV. Es soll eine „norddeutsche Leuchtturmlösung“ geben, die über die Verbundgrenzen hinausgeht. Mit dieser „Revolution im Tarif“ sei aber erst im Jahr 2026 zu rechnen.