Hamburg. Kontrolleure sehen sich mit Aggressionen konfrontiert. Wann es für das Personal von Hochbahn, S-Bahn und Co. besonders brenzlig wird.

  • Immer wieder werden Ticketprüfer in Hamburg Opfer von Aggressionen und Angriffen durch Schwarzfahrer.
  • Fußballspiele und andere Massenveranstaltungen: An einigen Tagen ist das Risiko für die Kontrolleure besonders hoch.
  • Hamburgs Verkehrsunternehmen legen Zahlen zu tätlichen Übergriffen vor.

Menschen, die ohne Fahrschein im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) unterwegs sind, bedeuten einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Verkehrsunternehmen. Doch nicht nur das: In wenigen, aber teils schwerwiegenden Fällen werden die Schwarzfahrer auch zu einer echten Gefahr für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hochbahn, S-Bahn Hamburg und Co.

Immer wieder kommt es zu Aggressivität und Gewalt gegenüber den Ticketprüfern. Erst Mitte Oktober hatte es am S-Bahnhof Reeperbahn einen besonders drastischen Fall gegeben. Ein extrem aggressiver Fahrgast bespuckte eine Ticketprüferin und würgte eine zweite heftig.

Das Abendblatt hat bei Hamburger Verkehrsunternehmen angefragt, wie viele Übergriffe auf Kontrolleure es zuletzt gegeben hat und wie die Arbeitgeber für die Sicherheit ihrer Mitarbeiter sorgen.

ÖPNV Hamburg: Ticketprüfer immer wieder Opfer von Übergriffen

„Generell können wir sagen, dass solche Situationen, [wie am S-Bahnhof Reeperbahn, Anm. d. Red.], glücklicherweise nicht zum Alltag unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Prüfdienst gehören“, informiert Julia Lindemann, Sprecherin der Hochbahn AG. Trotzdem: Passieren könnten Fälle wie dieser jederzeit. Daher sei es wesentlich, dass die Mitarbeiter im Prüfdienst in brenzligen und Konfliktsituationen adäquat und deeskalierend reagieren können.

„Dafür werden sie schon in der Ausbildung und auch später in regelmäßigen Fortbildungen trainiert“, berichtet Lindemann. „Konflikttheorie und Kommunikationsstrategien sind ebenso Bestandteil des Trainings wie das Erlernen einfacher Handgriffe für den Fall eines körperlichen Angriffs.“ Selbstverteidigung also.

Ebenfalls wichtig: eine potenziell gefährliche Situation und die mögliche Entwicklung eines Geschehens rechtzeitig erkennen zu können. Auch das sei Inhalt der Schulungen. „Gerade in diesem Zusammenhang spielt zudem die Berufs- und Lebenserfahrung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine maßgebliche Rolle“, so die Sprecherin.

Hochbahn Hamburg: 89 Übergriffe auf Mitarbeiter im Jahr 2023

Erst im August hatte eine schriftliche Kleine Anfrage (SKA) des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker an den Senat Aufschluss darüber gegeben, wie viele Übergriffe auf Mitarbeiter von Hamburger Verkehrsunternehmen in den vergangenen Jahren verübt wurden.

2023 waren es 89 Übergriffe auf Hochbahn-Mitarbeiter (sowie bei der Hochbahn-Wache beschäftigte Securitas-Mitarbeiter), die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens drei Tagen geführt haben. Das war ein Anstieg um satte 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2022 – aber dennoch weniger als in den Jahren 2021 und 2020. Was das Jahr 2024 angehe, zeige sich bisher keine steigende Zahl von Übergriffen im Vergleich zum Vorjahr, informiert Sprecherin Lindemann.

Mitarbeiter der AKN wurden, wie aus der Senatsantwort auf die CDU-Anfrage hervorgeht, im vergangenen Jahr in sechs Fällen tätlich angegriffen sowie in 19 Fällen verbal. Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) wurden 2023 nach Unternehmensangaben in zwölf Fällen Opfer eines Übergriffs. Besser erging es dem Personal der Hadag-Fähren: Hier gab es keinen einzigen Angriff.

Volksfeste, Großveranstaltungen, Fußballspiele – besonders gefährlich für DB-Mitarbeiter

Die S-Bahn Hamburg kann keine Statistiken zu Übergriffen auf Ticketkontrolleure speziell im HVV vorlegen, wohl aber einen Überblick über die bundesweite Situation bei der Deutschen Bahn (DB) geben. 2023 gab es einem Sprecher zufolge rund 3140 versuchte sowie vollendete körperliche Übergriffe auf DB-Mitarbeitende, 1300 davon im Nahverkehr.

Als klassische Situationen, in denen es immer wieder zu verbalen und tätlichen Übergriffen gegen DB-Mitarbeiter kommt, nennt er: Fahrkartenkontrollen, die Durchsetzung des Hausrechts sowie am Rande von Volksfesten, Großveranstaltungen und Fußballspielen.

Doch nicht nur Ticketprüfer beziehungsweise das Zugpersonal der DB werden Opfer von Aggressionen. Auch Berufsgruppen wie Busfahrer, Reinigungskräfte oder Servicekräfte am Bahnhof sahen sich mit Angriffen konfrontiert. „Dabei waren gefährliche Körperverletzungen mit einem Anteil von drei Prozent aller Übergriffe die Ausnahme“, so der DB-Sprecher.

ÖPNV Hamburg: DB-Mitarbeiter tragen Bodycams

„Jede Form von Gewalt gegen unsere Mitarbeitenden ist inakzeptabel“, betont er. Zum besseren Schutz seiner Mitarbeiter dehne der Konzern daher den Einsatz von Bodycams aus, die das Geschehene per Video aufzeichnen. Die Kameras kämen in erster Linie an Wochenenden oder bei Großveranstaltungen zum Einsatz.

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Um die Mitarbeiter zu schützen und optimal auf gefährliche Auseinandersetzungen vorzubereiten, gebe es auch bei der DB immer wieder Schulungen. „Deeskalationstrainings gehören zur regelmäßigen Fortbildung von 20.000 Bahnmitarbeitenden mit direktem Kundenkontakt, für Sicherheitskräfte zusätzlich auch Trainings zur Abwehr von Angriffen“, informiert der Sprecher. Außerdem bestehe ein Bedrohungsmanagement, das Beratung und Unterstützung bietet, sowie das Mitarbeitenden-Unterstützungsteam (MUT), das sich um DB-Mitarbeiter kümmert, nachdem diese Opfer von Angriffen geworden sind.