Weil das Haus von Familie Schröder aus Eimsbüttel energetisch saniert wird, erhöht sich ihre monatliche Miete um 600 Euro. Einziger Ausweg: ausziehen!
Hamburg. Familie Schröder aus Eimsbüttel konnte es nicht fassen: Sie sollen jeden Monat 600 Euro mehr Miete zahlen! Ihr Haus wird energetisch saniert, so wie von der Bundesregierung gefordert. Laut geltendem Recht können Vermieter elf Prozent der Kosten, die bei der energetischen Sanierung anfallen, auf ihre Mieter umlegen - jedes Jahr, unbefristet. Im Fall der Schröders erhöhte sich die monatliche Kaltmiete für ihre 54 Quadratmeter-Wohnung deshalb von 246,59 Euro auf 846,12 Euro. Doch das können die beiden Rentner sich nicht leisten. Ihnen bleibt nur noch der Auszug.
"Eine Mieterhöhung um 350 Prozent ist ein krasser Fall, aber schon wenn sich die Miete verdoppelt, ist das heftig - und das wird viele Hamburger betreffen", sagt Dr. Eckhard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Seiner Schätzung nach sind mindestens rund 120.000 Hamburger Wohnungen energetisch sanierungsbedürftig. "Schon jetzt müssen viele Hamburger 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden, wenn nun noch die Modernisierungszuschläge dazu kommen, sind sie mit ihrem Zahlungsvermögen überfordert", so Pahlke.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt die Regelung, dass Eigentümer größere Teile der Investitionen auf die Miete umlegen dürfen. "Das findet natürlich auf den ersten Blick nicht jeder gut, aber es ist doch verständlich, dass sich solch eine Investition in die Zukunft sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter lohnen muss", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Der Mieter profitiere von niedrigeren Energiekosten.
Nach dem geltendem Mietrecht verteuert sich die Miete beispielsweise bei einer Investition von 20.000 Euro um mehr als 180 Euro im Monat, rechnet der Deutsche Mieterbund vor. Dem stehen Heizkosten von durchschnittlich 80 Euro für eine 70 Quadratmeter große Wohnung gegenüber. „Wichtig ist deshalb, dass die Mieterhöhungen künftig durch mögliche Heizkostenersparnisse begrenzt werden", sagt Dr. Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes.
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen bis zum Jahr 2050 alle Häuser in Deutschland so modernisiert sein, dass sie erheblich weniger Energie benötigen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen auch die Rechte der Mieter eingeschränkt werden. Die Bewohner sollen künftig Lärm, Dreck, Planen vor ihren Fenstern und andere Unannehmlichkeiten, die mit dem Umbau verbunden sind, entschädigungslos hinnehmen müssen. Für die Einbußen während der Bauzeit sollen sie - anders als heute - nicht einmal mehr die Miete mindern können.
"Die Drohung mit Mietminderung schreckt viele Eigentümer von Modernisierungsarbeiten ab", sagt Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümerverbandes Hamburg. "Psychologisch halte ich es deshalb für sinnvoll, das Mietrecht zu ändern."
Für die energetische Sanierung von Mietwohnungen zahlen zurzeit zwei Parteien: der Staat und die Mieter. Mit Krediten und Zuschüssen von rund neun Milliarden Euro hat die staatseigene KfW-Bankengruppe im vergangenen Jahr energieeffizientes Bauen und Sanieren gefördert.
"2009 war das Rekordjahr der KfW-Förderung des Energieeffizienten Bauen und Sanierens“, sagt Dr. Norbert Irsch, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe. Doch die Ausgaben hätten sich gelohnt: Durch die KfW-Programme habe der Treibhausgasausstoß in Deutschland von 2006 bis heute dauerhaft um 4,4 Millionen Tonnen gesenkt werden können.
"Es kann nicht sein, dass dem Mieter alle Kosten aufgedrückt werden", sagt Eckhard Pahlke vom Mieterverein zu Hamburg. Er plädiert für eine Drittelung der Kosten: Ein Drittel der Modernisierungskosten soll der Staat tragen, ein Drittel der Mieter und ein Drittel der Vermieter.
Heinrich Stüven vom Grundeigentümerverband hält diesen Vorschlag für "nicht sachgerecht". Der Staat könne solch hohe Subventionen gar nicht auftreiben: "Die Regelung, die wir jetzt haben, ist sinnvoll."